28.08.2015

50 Jahre Shopping Center

Eine Bestandsaufnahme mit Perspektiven

Christine Hager, Managing Director/ Head of Shopping Center Asset Management, redos real estate GmbH
Christine Hager

50 Jahre Shopping Center Eine Bestandsaufnahme mit Perspektiven

Als im Jahr 1964 mit dem Main-Taunus-Zentrum in der Rhein-Main- Region das erste, in Anlehnung an die amerikanischen Vorbilder gebaute, Shopping Center die Türen für die Kunden öffnete, begann die Geschichte der großen deutschen Einkaufszentren. Nach mittlerweile gut 50 Jahren gibt es rund 460 Shopping Center, die nach einer gängigen Definition (EHI Retail Institut) mit einer Größe ab 10.000 Quadratmetern die modernen Marktplätze für unterschiedlichste Konsumentenwünsche darstellen.

In den vergangenen Jahren wurden neue Shopping Center-Projekte zunehmend in Stadtlagen entwickelt. Dieser Trend hält unvermindert an, wobei auch aufgrund der spürbaren Verknappung möglicher Entwicklungsflächen die in Planung befindlichen Projekte kleiner werden.

Maßgeschneidert in der Innenstadt

Aktuell ist eine durchschnittliche Größe von ca. 38.000 Quadratmetern je neuem Shopping Center zu verzeichnen. Die meisten Neuentwicklungen sind der Größenklasse 20.000-30.000 Quadratmeter zuzuordnen.

Hierbei ist eine möglichst umfangreiche und eng vernetzte Integration in die jeweiligen Städte bzw. Stadtquartiere mit einer für den Bürger spürbaren Verbindung zur bestehenden Einzelhandelslandschaft der Stadt eine gewollte und geforderte Voraussetzung.

Die Entwicklung neuer Shopping Center und damit neuer Verkaufsflächen steuert auf einen Sättigungspunkt zu. Verantwortlich dafür sind besonders zwei Faktoren: Erstens sind die Verkaufsflächen in den vergangenen Jahren stärker gewachsen als die Umsätze im Einzelhandel und zweitens steht die Branche durch den anhaltenden Boom des E-Commerce vor der größten Herausforderung ihrer noch jungen Geschichte.

Stabilität und Umsatzverschiebung

Es wird erwartet, dass der Einzelhandel im Jahr 2015 insgesamt um 0,9 bis 1,5 Prozent wachsen und 459,7 bis 466,2 Milliarden Euro umsetzen wird. Mit Blick auf den stationären, also den Ladeneinzelhandel, wird mit einem Rückgang um minus 1,0 Prozent auf rund 403,9 Milliarden Euro gerechnet. Antrieb für das Wachstum ist erneut der Online-Handel mit einem vermuteten Zuwachs um 12 Prozent auf dann 43,6 Milliarden Euro. Der auf das Segment Shopping Center entfallene Umsatzanteil liegt bei geschätzten 10 Prozent des gesamten Einzelhandelsumsatzes. Dies macht insgesamt deutlich, dass das Wachstum im Distanzhandel den Rückgang im stationären Bereich ausgleicht.

Gut gemanagte und in der Region fest verankerte, positionierte Shopping Center stellen hierbei nicht selten eine zentrale Schlüsselfunktion als Kundenmagnet für den gesamten lokalen Einzelhandel dar. Shopping Center greifen aber nur einen Teil des stationären Einzelhandelsumsatzes ab und müssen sich ebenso wie der gesamte Einzelhandel gegenüber dem wachsenden Onlinehandel erfolgreich positionieren.

Digitalisierung sorgt für Strukturwandel

Die zunehmende Digitalisierung wird den Strukturwandel im Handel vorantreiben. Es ist in den kommenden Jahren weiter davon auszugehen, dass sich der Umbruch im Handel fortsetzt und dieser sich verstärkt mit dem weiter wandelnden Konsumentenverhalten beschäftigen muss, um sich in jeder Hinsicht näher an den Einkäufern auszurichten.

Zwischen den Vertriebskanälen Online, Offline und Multichannel wird daher insbesondere die Forderung nach fairen Wettbewerbsbedingungen intensiv diskutiert. Grundsätzlich gilt es festzustellen, dass „Online-Offline“ zwei konkurrierende Vertriebswege sind, die derzeit noch mit völlig unterschiedlichen Rahmenbedingungen arbeiten.

Soll ein stationäres Geschäft eröffnet und betrieben werden, sind eine Fülle von Vorschriften einzuhalten, angefangen von Genehmigungsverfahren bei der Eröffnung, feuerpolizeilichen Auflagen, Arbeitsstättenverordnungen, baulichen Vorschriften, Parkplatznachweisen und vielem mehr.

Ganz anders der Onlineshop, der ohne Auflagen und umfangreiche Zusatzkosten sofort eröffnet und dann auch 24 Stunden an 7 Tagen betrieben werden kann.

Insbesondere die Ladenöffnungszeiten sind ein wesentlicher Attraktivitätsfaktor für die Innenstädte. Diese stehen aber seit wenigen Jahren in wachsender unmittelbarer Konkurrenz zum Onlineshopping. Logistikzentren auf der „Grünen Wiese“, die oft auf über 100.000 Quadratmetern Lagerfläche keinen Sortimentsbeschränkungen unterliegen, ohne Fachberatung auskommen und keine nach Einzelhandelstarifen entlohnte Mitarbeiter beschäftigen müssen, haben deutlich bessere Wettbewerbsbedingungen. Hier ist abzuwarten, welche politische Meinungsbildung und Konsequenz in den nächsten Jahren zu einer Chancengleichheit führen wird.

Erlebnisse, die der Onlinehandel nicht bietet

Der stationäre Handel ist vor diesem Hintergrund zukünftig auf ein ansprechendes Umfeld, attraktive Innenstädte, vielfältige Dienstleistungs- und Freizeitangebote sowie gute Erreichbarkeit besonders angewiesen. Die Center-Betreiber fokussieren dabei verschiedene Disziplinen: Ein attraktiver Mietermix, mehr Gastronomie, Convenience, Service, Erlebnis und eine ansprechende Architektur gelten als die wichtigsten Optimierungsquellen.

Vor allem durch den Ausbau des Gastronomie- Anteils – häufig auf eine zweistellige Prozentzahl – soll die Verlängerung der Aufenthaltsdauer erreicht werden. Die bisher und absehbar niedrige Online-Affinität von Lebensmitteln bietet für Center nachhaltig starke Kundenbindungspotenziale. Der tägliche Bedarf wird die Grundfrequenzen bei entsprechender qualitativer und Frische- Kompetenz des Center-Angebots tendenziell erhöhen können. In Kombination mit Unterhaltung und Spannung kann das auch erfolgreich gelingen, doch nicht zu unterschätzen ist auch der Punkt “Convenience“: Eine ausreichende Zahl an Parkplätzen, die nach Möglichkeit (zumindest für eine bestimmte Zeit) kostenfrei zur Verfügung gestellt werden sollten, gilt in der heutigen Zeit als Muss. Bequem mit dem Auto zu erreichende Standorte funktionieren nachweislich besonders gut.

Im Service und in der Aufenthaltsqualität wird es zukünftig spürbare Verstärkungen in den Qualitätsbemühungen geben. Hierbei werden aktuell z.B. Konzepte aus dem Hotelsegment mit einem 4 Sterne-Ranking erfolgreich umgesetzt sowie in umfangreichen „Future Labs“ diverse Onlineservices mit den Kunden getestet und zur Marktreife gebracht. Aber auch der stationäre Handel muss weiter an seinem Image arbeiten und den Kunden Kauferlebnisse bieten, die der Onlinehandel nicht vorweisen kann.

Onlinehändler kommen in die Stadt

Ein flächendeckendes WLAN wird aktuell in immer mehr Shopping Centern als Standard von Kunden und Händlern erwartet. Zudem finden sich immer häufiger reine Onlinehändler, wie z.B. Apple, Microsoft oder auch MyMuesli, mit großen Stores im klassischen Einzelhandel wieder. Hier ist ein Wachstumstrend zu verzeichnen, weil die Kunden ihre „Onlinemarken“ real erleben möchten. Eine hierdurch erfolgende Substitution sich zurückziehender klassischer Einzelhändler kann eine nachhaltige Stärkung der Shopping Center und der Innenstädte bedeuten.

Fazit

Die Bedeutung eines gut funktionierenden Shopping Centers für die Attraktivität einer Stadt und den dortigen Einzelhandel wird auch vor dem Hintergrund der anhaltenden Urbanisierung und der demografischen Entwicklung ungebrochen groß sein.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von ZIA Zentraler Immobilien Ausschuss e.V.
Erstveröffentlichung: ZIA Geschäftsbericht 2014/2015