11.10.2015

IR bei Immobilienaktien

Besondere Anforderungen durch besondere Kennzahlen

Dr. Wilhelm Breuer, Gründer und Inhaber, Dr. Breuer Capital Market Advisory
Dr. Wilhelm Breuer

Der deutsche Immobilienaktiensektor hat sich innerhalb der letzten fünfzehn Jahre sehr dynamisch entwickelt. Betrug die gesamte Marktkapitalisierung 2001 lediglich rund 13 Milliarden Euro, sind es Ende des dritten Quartals 2015 bereits mehr als 46 Milliarden Euro. Die größten börsennotierten Wohnimmobilienplayer sind Vonovia (13,4 Milliarden Euro Marktkapitalisierung), Deutsche Wohnen (7,9 Milliarden Euro Marktkapitalisierung) und LEG Immobilien (4,2 Milliarden Euro Marktkapitalisierung). Im Gewerbeimmobilienbereich sind es Deutsche Euroshop (2,1 Milliarden Euro Marktkapitalisierung), TLG Immobilien (1 Milliarde Euro Marktkapitalisierung) und Alstria Office REIT (980 Millionen Euro Marktkapitalisierung). Mit Vonovia verfügt der Sektor zudem seit September 2015 erstmals über einen DAX-Player.

Damit rücken auch die Investor Relations des börsennotierten Immobiliensektors verstärkt in den Vordergrund. Immobilienaktien – als solche werden die Aktien bestandshaltender Immobilien-AGs und REITs bezeichnet – stellen indes besondere Anforderungen an die Investor Relations. Diese ergeben sich vor allem aus der Besonderheit, dass Immobilienaktien ein Hybrid zwischen Aktie und Immobilie darstellen. Folglich ziehen sie sowohl generalistisch ausgerichtete klassische Aktieninvestoren – insbesondere Small/Midcap- sowie Value-Investoren – an, die ein Immobilienaktieninvestment als attraktive Beimischung in ein Aktienportfolio betrachten, als auch Immobilieninvestoren, die als Sektorspezialisten ihr Geld in einer liquiden Form am Immobilienmarkt anlegen wollen.

Wesentliches Investmentmotiv beider Anlegertypen ist die liquide Beteiligung an einem professionell gemanagten Immobilienbestand und dessen künftiger Wert- und Ertragsentwicklung. Besondere Bedeutung im Rahmen der Investor Relations von Immobilien-AGs und REITs hat es daher, Werte, Wert- und Mietsteigerungspotenziale sowie Ertragskraft der Immobilien transparent zu machen, um den Anlegern eine fundierte Bewertung ihres Immobilieninvestments zu ermöglichen. Zu diesem Zweck hat sich im Laufe der Zeit ein eigenes Spektrum von branchenspezifischen Kennzahlen herausgebildet.

Substanzorientierte Kennzahl: Net Asset Value (NAV)

Dazu gehört insbesondere die Veröffentlichung des Net Asset Values (NAV), also des Nettosubstanzwertes, der sich aus dem Verkehrswert der Immobilien abzüglich des Fremdkapitals ergibt. Er repräsentiert das ökonomische Eigenkapital einer Immobiliengesellschaft. Der Kapitalmarkt erwartet dabei, dass die Verkehrswerte durch externe, unabhängige Gutachter ermittelt werden. Die European Public Real Estate Association (EPRA), der europäische Branchenverband der Immobilienaktien, definiert den EPRA NAV in seinen Standards („EPRA Best Practices Recommendations“) dabei folgendermaßen: Ausgangspunkt ist das Konzerneigenkapital gemäß Jahresabschluss. Falls die Immobilien einer Gesellschaft nicht nach der Fair Value-Methode mit ihrem aktuellen Marktwert, sondern „at cost“ mit ihren um Abschreibungen verminderten historischen Anschaffungskosten in den Jahresabschluss einbezogen wurden, ist die Differenz zwischen Fair Value- und Cost-Wert – die stillen Reserven – zum Eigenkapital hinzuzurechnen. Der Fair Value der Financial Instruments, die dem Hedging von Zinsrisiken dienen, ist zudem aus dem Eigenkapital zu eliminieren, da der EPRA NAV den immobilienwirtschaftlichen Wert des Eigenkapitals widerspiegeln soll. Aus gleichem Grunde werden auch die latenten Steuern und deren Implikationen bereinigt.

Notiert eine Aktie unter ihrem NAV, spricht man von einem Discount oder Abschlag vom NAV, notiert sie über dem NAV, liegt ein Premium oder eine Prämie auf den NAV vor. Ein Discount drückt aus, dass der Kapitalmarkt den NAV niedriger einschätzt, als es die offiziellen Zahlen hergeben. Die Gründe dafür können vielfältig sein. So kann der Discount beispielsweise ein "Sicherheitsabschlag" bei geringer Transparenz des Unternehmens sein, oder der Kapitalmarkt schätzt die Zukunftsaussichten der Immobilien vorsichtiger ein als das Unternehmen selbst. Ein Premium drückt entsprechend aus, dass der Kapitalmarkt die Aussichten positiver einschätzt, als es aus den offiziellen Zahlen hervorgeht.

Ergebnis-/cash flow orientierte Kennzahl: Die Funds from Operations

Der NAV spielt für Investoren eine wichtige Rolle. Allerdings greift die alleinige Konzentration auf den NAV und den darin zum Ausdruck kommenden Substanzgedanken zu kurz. Entscheidend ist vielmehr, zu zeigen, dass die Immobiliengesellschaft als „Immobilien-Unternehmer“ agiert, der nachhaltige Cashflows und Ergebnisse erwirtschaftet. Wichtige Aufgabe der Investor Relations ist es daher, dem Kapitalmarkt zu demonstrieren, dass das Unternehmen in der Lage ist, stabile, wiederkehrende Ergebnisse und Cash Flows aus dem Vermietungsgeschäft zu generieren. Viele Investoren greifen deshalb auf die Kennzahl der Funds from Operations (FFO) zurück. Sie kommt ursprünglich aus den USA und hat sich mittlerweile auch international zu einer wichtigen Kennzahl im börsennotierten Immobiliensektor entwickelt.

Die FFO beschreiben ein um Abschreibungen und eventuelle Sondereffekte modifiziertes operatives Ergebnis nach (gezahlten) Steuern und sind cash flow-orientiert. Sie geben dem Anleger ein Maß an die Hand, wie hoch die direkt aus der Immobilie erwirtschafteten und zur Ausschüttung bereit stehenden Mietüberschüsse sind. Diese immobilienwirtschaftliche Kennzahl nimmt im Rahmen der Investor Relations bei Immobilienaktien mittlerweile eine zentrale Stellung ein. Errechnet wird sie, indem aus dem Konzernüberschuss Erträge/Aufwendungen aus der Fair-Value-Neubewertung der Investment Properties sowie erzielte Immobilienverkaufsgewinne bzw. -verluste herausgerechnet werden. Zudem werden die latenten Steuern sowie die nicht cash-wirksamen Bestandteile des Finanzergebnisses (insbesondere Fair Value-Veränderungen bei Derivaten) eliminiert. Üblich ist auch, die nicht wiederkehrenden („non recurring“) Ergebnisbestandteile und Sondereinflüsse herauszurechnen.

Bereinigt man zusätzlich noch die aktivierten und nicht im Aufwand erfassten Ausgaben für Instandhaltung und Modernisierung („CAPEX“), ergibt sich der sogenannte „Adjusted FFO (AFFO)“. Durch ihn wird die Aktivierungspolitik der Unternehmen neutralisiert, sodass der AFFO die Unternehmen untereinander besser vergleichbar macht.

Loan-to-Value-Ratio

In den letzten Jahren hat sich die „Loan-to-Value-Ratio“ (LTV) als wichtigste Verschuldungskennzahl im börsennotierten Immobiliensektor etabliert. Beim LTV werden die Finanzverbindlichkeiten (gekürzt um die frei verfügbaren Finanzmittel) ins Verhältnis gesetzt zum Verkehrswert des Immobilienportfolios und als Prozentzahl ausgedrückt. Ein LTV von rund 50% gilt allgemein als solide. International wird jedoch ein niedrigerer LTV zwischen 40% und 50% bevorzugt.

Fazit

Die drei genannten Beispiele – NAV, FFO und LTV – sind nur eine kleine Auswahl der spezifischen Kennzahlen, die Analysten und Investoren nutzen, um sich ein Urteil über einzelne Immobilien-Aktiengesellschaften und deren Entwicklung zu bilden. Sie nehmen in der professionellen Kapitalmarktkommunikation für Immobilien-Aktien eine zentrale Rolle ein. Bei vielen Immobilien-AGs gehören sie heute bereits zum Standard, wenn es um die Darstellung wichtiger Kennzahlen in Finanzberichten und Präsentationen geht, und dieser Trend dürfte sich künftig noch verstärken.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von Dr. Wilhelm Breuer, Dr. Breuer Capital Market Advisory
Erstveröffentlichung: Going Public, Juli/August 2015