08.06.2016

Die digitale Revolution

Wer bleibt im Spiel?

Dr. Viola Bensinger, Partnerin, Greenberg Traurig Germany, LLP
Dr. Viola Bensinger

Die digitale Revolution ist auch in der Immobilienbranche angekommen. Besserer Service, mehr Effizienz und neue Geschäftsfelder – eine Fülle von Start-ups arbeiten derzeit daran, sämtliche Bereiche der Immobilienwirtschaft zu digitalisieren. Property Post sprach mit Dr. Viola Bensinger, Partnerin, bei der Rechtsanwaltskanzlei Greenberg Traurig Germany, über die digitale Revolution, Chancen und Risiken, Datensicherheit und wie dies den Markt verändern wird.

The Property Post: Frau Dr. Viola Bensinger, die Digitalisierung ist auch in der Immobilienbranche in allen Bereichen spürbar. Welche Trends sehen Sie derzeit?

Dr. Viola Bensinger: Im Bereich Energie tut sich eine Menge.Systeme wie Smart Metering, die eine effizientere Steuerung und Nutzung von Energie erlauben, sind zur Zeit sehr attraktiv. Das betrifft Licht und Strom generell, und natürlich Heizen.
Ein weiterer wichtiger Punkt sind zum Teil cloud-basierte Systeme zur Unterstützung der Arbeitsabläufe bei Immobilienunternehmen. Das betrifft zum Beispiel die Mieterverwaltung und die damit verbundene umfangreiche Datenverarbeitung oder die Betriebskostenabrechnung.
Mobilität ist ein weiteres Stichwort. Das klingt beiImmobilien zunächst paradox, aber im Servicebereich und im Facility Management ist man viel unterwegs und braucht gleichzeitig Zugriff auf zentrale Systeme. Damit dieser Zugriff sicher erfolgen kann, setzen schon jetzt einige Immobilienunternehmen auf zum Beispiel cloud-basierte Plattformen für mobile Geräte wie iPads.

TPP: Digitale Abläufe werden zukünftig unausweichlich zum Standard. Viele Immobilienunternehmen in Deutschland behandeln das Thema Digitalisierung von Geschäftsprozessen aber immer noch stiefmütterlich, warum?

V.B.: Für viele, insbesondere kleinere Immobilienunternehmen, mag das zutreffen. Andererseits tut sich auch sehr viel. Ich habe manchmal das Gefühl, dass sich die Immobilienbranche selbst häufig als „brick & mortar“ betrachtet und gar nicht wahrnimmt, wie progressiv sie ist. Wenn ein Unternehmen wie Vonovia heute von jemandem wie Rolf Buch geführt wird, der über viele Jahre Arvato geleitet hat, dann ist das schon ein Zeichen für eine gewisse Technologie-Affinität. Die Immobilienbranche ist in meinen Augen eben eine sehr effektive und kalkulierende Branche: Wenn Digitalisierung hilft, Geschäftsprozesse effektiver und/oder kostengünstiger zu gestalten, dann überzeugt das schnell. Dasselbe gilt für neue Modelle wie Smart Metering oder Connected Home, die die Produkte der Immobilienunternehmen noch attraktiver machen. Solche Produkte helfen, die Renditen zu steigern und zukünftige Trends aufzugreifen, und wir kennen eine Reihe von Immobilienunternehmen, die diese Modelle bereits einsetzen.

TPP: Alle sprechen von dem Thema Big Data. Gerade Immobilienunternehmen verfügen über große Mengen an personenbezogenen Daten, etwa über Mieter und Angestellte. Welche Chancen und Risiken bietet das aus ihrer Sicht?

V.B.:
Gerade was Daten angeht, sind Immobilienunternehmen meiner Erfahrung nach sehr zurückhaltend. Mieterdaten sind oft sensible Daten, die die Privatsphäre der Mieter berühren. Theoretisch gäbe es Möglichkeiten, diese noch weitgehender zu nutzen, aber ich denke, das kommt für Immobilienunternehmen nur dann ernsthaft in Frage, wenn der Mieter selbst darin einen Mehrwert sieht.Auch durch digitale Produkte wie Smart Metering oder Connected Home werden viele wertvolle Nutzungsdaten geliefert, die beispielsweise Aufschluss über den Energieverbrauch oder Anforderungen im Pflegebereich liefern können. Solche Daten werden zum Teil schon erhoben und genutzt, teilweise allerdings durch ausländische Anbieter nach nicht-europäischen Datenschutzregelungen. Natürlichmuss man bei jeglicher Nutzung auf die Einhaltung der Datenschutzvorschriften achten, aber auch innerhalb dieses Rahmens lassen sich wertvolle Erkenntnisse erzielen und verwerten.

TPP: Die Wertschöpfung bei Immobilienunternehmen von der Objektakquise bis zur Betriebskostenabrechnung beruht auf der Verfügbarkeit von Daten, Zahlen und Fakten. Die Zuverlässigkeit der jeweiligen IT-Systeme und der externen Dienstleister wird so zum essenziellen Erfolgsfaktor. Wie gewährleistet man das?

V.B.:
Es gibt unterschiedliche Ansätze, aber immer mehr Immobilienunternehmen entscheiden sich heute dafür, ihre IT-Prozesse von externen Dienstleistern durchführen zu lassen, also „outzusourcen“. Selbstverständlich erwartet man dann vom Dienstleister eine höchstmögliche Disponibilität und die Einrichtung von Standards, die eine möglichst lückenlose Verfügbarkeit der Daten garantieren. Solche „Erwartungen“ müssen sich aber auch im Vertrag mit dem Dienstleister wiederspiegeln. Häufig ist man jedoch überrascht, wie viele dieser Erwartungen vertraglich nicht angemessen geregelt und damit auch nicht garantiert sind. Ähnliches gilt für die IT-Sicherheit: Ein Vertrag mit einem IT-Dienstleister muss effektive und durchsetzbare Verpflichtungen über die Einrichtung einesIT-Sicherheits-Systems enthalten, das das Risiko des Verlusts von Daten und der Nicht-Verfügbarkeit der Systeme mindert. Häufig sind es auch effektive Haftungsregelungen, die IT-Dienstleister zwingen, ihre Verpflichtungen ernst zu nehmen – und dazu muss man die Haftungsklauseln in den Standardverträgen der Outsourcer nachverhandeln. Ein anderer Punkt ist das Beendigungsmanagement: Manchmal ist die Kündigung des Vertrags, oder die Drohung mit der Kündigung, ein wichtiges Mittel zur Vertragsdurchsetzung. Das ist ein stumpfes Schwert, wenn nach dem Vertrag das Immobilienunternehmen völlig von seinem Dienstleister abhängig ist, und keine sinnvolle und realistische Transition auf einen neuen Dienstleister geregelt ist.




Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von The Property Post
Erstveröffentlichung: The Property Post, 4. November 2015