13.06.2016

"Mehr Vertrauen"

TPP-Interview mit Dr. Andreas Mattner, Präsident des ZIA, zur aktuellen Immobilienpolitik in Deutschland

Dr. Andreas Mattner, Geschäftsführer ECE Projektmanagement GmbH & Co. KG und Präsident des ZIA, ZIA Zentraler Immobilien Ausschuss e.V.
Dr. Andreas Mattner

Der ZIA wurde im Jahr 2006 von 12 Gründungsmitgliedern in Berlin gegründet. Bis heute hat sich die Anzahl der Mitglieder auf mehr als 200, unter ihnen 25 Verbände, erhöht. Von der immobilienpolitischen Bühne ist der ZIA heute nicht mehr wegzudenken. Dr. Andreas Mattner ist seit 2009 Präsident des Verbandes. The Property Post sprach mit ihm anlässlich des Tag der Immobilienwirtschaft 2016 über die Entwicklung des ZIA und über aktuelle Themen, die den Verband zurzeit beschäftigen:

TPP: Herr Dr. Mattner, erst einmal herzlichen Glückwunsch zum zehnjährigen Geburtstag des ZIA.

AM: Vielen Dank.

TPP: Wenn Sie an Ihre Anfangszeit beim ZIA zurückdenken, wo lagen damals die Herausforderungen?

AM: Als ich 2009 das Ruder von Gründungspräsident Dr. Eckart John von Freyend übernommen hatte, war der ZIA bereits in einer guten Ausgangssituation: Er vereinte die bedeutendsten Unternehmen der Branche unter einem Dach und war bereits alleiniger Vertreter der Branche im BDI. Das zu erreichen, hat in den ersten Jahren des Verbandes sicher viel Geduld und Durchhaltevermögen gekostet. Ich selbst hatte vor meiner Präsidentenzeit erfolgreich das Lobbying des ZIA für den Erhalt des Systems des Kooperativen Städtebaus betrieben, das durch eine Gerichtsentscheidung infrage stand. So konnte ich feststellen, dass es sich lohnt für die Interessen der Brache zu kämpfen.

TPP: Der ZIA gilt mit seiner starken Mitgliederbasis heute als anerkannter Spitzenverband der Immobilienwirtschaft. Was hat den Ausschlag für diese Entwicklung gegeben?

AM: Wir achten darauf, die Wege zwischen Mitgliedern und Politik so kurz wie möglich zu halten und setzen im Umgang mit allen Beteiligten stets auf ein sachliches Miteinander. Die Politik schätzt an unserer Arbeit, dass wir selten über Probleme, dafür aber häufig über praxisnahe Lösungen sprechen. Und unsere Mitglieder sehen, dass ihre Interessen über den ZIA in der Politik genau deswegen auch Gehör finden.

TPP: Welche Themen beschäftigen den ZIA im diesem Jahr besonders?

AM: Aktuell haben wir es mit einem schwierigen Spannungsfeld zwischen Energiewende und Wirtschaftlichkeit, Zuzug und bezahlbarer Stadtentwicklung, Regulierung und Wachstum zu tun. Vor allem in den Groß- und Universitätsstädten und ihren Einzugsgebieten. Die Wohnungsmärkte stehen zwar verständlicherweise im Mittelpunkt des Interesses, aber die Stärke unserer Städte beruht auf der Kombination von Wohn-, Arbeits- und Versorgungsmöglichkeiten. Neuer und bezahlbarer Wohnraum ist wichtig und notwendig, aber das darf nicht zu einer Vernachlässigung oder sogar Verdrängung der Wirtschaftsimmobilien führen.

TPP: Wie lassen sich diese Spannungsfelder in den Griff bekommen?

AM: Eines der wichtigsten Instrumente ist die Nachverdichtung. Alle unsere Städte haben das Potential auch weiterhin zu wachsen – nicht nur nach außen, sondern auch im Inneren. Wir fordern seit langem die Einführung eines neuen Baugebietstyps „Urbanes Gebiet“, um eine verdichtete Bebauung von Wohn- und Wirtschaftsimmobilien in innerstädtischen Gebieten zu ermöglichen. Nun wird es endlich eingeführt. Einer angemessenen Nachverdichtung standen bisher die baulichen Obergrenzen der Baunutzungsverordnung – kurz BauNVO – und eine nicht mehr zeitgemäße Vorstellung von „Lebensqualität“ im Weg.

TPP: Wie hat sich der Begriff der Lebensqualität geändert?

AM: Der Grundsatz der örtlichen Trennung von Wohn- und Wirtschaftsimmobilien, der u.a. im Bundes-Immissionsschutzgesetz enthalten ist, ist überholt. Lebensqualität bedeutet heute nicht mehr, räumlich strikt getrennt von seiner Arbeit zu wohnen. Vielmehr bedeutet sie, Leben und Arbeiten in einem modernen urbanen Umfeld mit vielfältigen sich gegenseitig ergänzenden Nutzungen und kurzen Wegen.

TPP: Wie kann das erreicht werden?

AM: Die Rahmenbedingungen einzelner Nutzungsarten müssen sich verbessern und dürfen nicht durch Überregulierung ausgebremst werden. Büroimmobilien sind beispielsweise ein wichtiger Bestandteil der modernen Stadt und dürfen nicht verdrängt werden. Auch Hotelimmobilien spielen für attraktive Stadtquartiere eine große Rolle. Der stationäre Einzelhandel bringt Leben in die Städte und ist auch in Zukunft die wichtigste Säule städtischer Versorgungsmöglichkeiten. Speziell die starre Sortimentsbeschränkung und die Ladenöffnungszeiten sind ein erheblicher Wettbewerbsnachteil gegenüber dem Onlinehandel. Der Onlinehandel erfordert seinerseits eine leistungsfähige Logistik in den Städten. In allen diesen Bereichen kommt es darauf an, bürokratische Hürden abzubauen und Freiheitsgrade zu erhöhen.

TPP: Ein weiteres Thema ist der demografische Wandel. Das Durchschnittsalter der Bevölkerung steigt. Welche besonderen Herausforderungen kommen dadurch auf die Immobilienwirtschaft zu?

AM: Die meisten Menschen wollen im Alter in den eigenen vier Wänden eigenständig wohnen und leben. Nur wenige können sich vorstellen, in ein Senioren- oder Pflegeheim zu ziehen. Bis 2030 müssen deshalb rund 2,9 Millionen Wohnungen baulich angepasst werden – ein Investitionsvolumen von rund 50 Milliarden Euro, das nur gemeinsam gestemmt werden kann. Wohnungswirtschaft, Staat und Pflegeversicherung müssen in enger Zusammenarbeit die Grundlage für entsprechende moderne Quartierslösungen schaffen.

TPP: Steigende Mieten in Ballungsräumen, altersgerechter Umbau, verstärkte Zuwanderung - ist der Klimaschutz auf der politischen Agenda nun weiter nach hinten gerückt?

AM: Nein, die Gefahr, dass der Gesetzgeber den klimaschutzpolitischen Bogen überspannt und das Wirtschaftlichkeitsgebot durch zu restriktive Vorschriften aushebelt, ist nach wie vor akut.

TPP: Wie begegnen Sie dieser Gefahr?

AM: Ebenso wie in allen anderen Bereichen der Verbandsarbeit – möglichst konstruktiv: Mit Unterstützung unserer neu gegründeten Task Force Energie entwickeln wir Maßnahmen, wie der Klimaschutz in unserer Branche wirtschaftlich sinnvoll verbessert werden kann. Wir zeigen der Politik also Alternativvorschläge auf, mit denen sich Klimaschutz und Wirtschaftlichkeit vereinbaren lassen. Schließlich lassen sich nur durch Maßnahmen, die dem Wirtschaftlichkeitsprinzip entsprechen, auch andere politische Ziele wie die Bezahlbarkeit von neuen Wohn- und Nichtwohngebäuden erreichen.

TPP: Was wünschen Sie sich in Zukunft von der Politik?

AM: Mehr Vertrauen in die langfristige Problemlösungsfähigkeit der Immobilienwirtschaft und weniger Aktionismus. Die Immobilie ist mit einer Lebensdauer von deutlich mehr als 100 Jahren ein sehr kapitalintensives und langlebiges Investitions- und Gebrauchsgut. Gleichzeitig ist sie zur Deckung der Grundbedürfnisse der Menschen essenziell und ihre Wirtschaftlichkeit hängt stark von den gesetzlichen Rahmenbedingungen ab. Vor dem Hintergrund der vergleichsweise kurzen Legislaturperioden von vier bzw. fünf Jahren wird das gerne mal vergessen.

Herr Dr. Mattner, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von ZIA Zentraler Immobilien Ausschuss e.V.
Erstveröffentlichung: The Property Post, Juni 2016