The Property Post Institutional | Nr 04 - November 2025

The Property Post Institutional NR 04 - NOVEMBER 2025 39 38 Ende entstehen Zeitverzögerungen, Mehrkosten – und Frustration bei allen Beteiligten. Das Partnerschaftliche Bauen verlangt hier ein Um- denken: Projekte sollten je nach Struktur, Komple- xität und Kapazität der Unternehmen flexibel ver- geben werden können. Eine Gesamtvergabe darf nicht per se zur juristischen Ausnahme erklärt wer- den. Sie muss als rechtssichere Option den Mög- lichkeitenraum ergänzen. Vielfalt als Stärke Die deutsche Bauwirtschaft ist vielfältig: Den Groß- teil bilden eher kleine Handwerksunternehmen, daneben gibt es einen starken mittelständischen Kern und einige, wenige große Firmen. Diese Struktur ist kein Hindernis sondern eine Stärke. Denn sie erlaubt es, große wie kleine Projekte glei- chermaßen umzusetzen – sofern die Vergabe die Zusammenarbeit fördert. Partnerschaftliche Modelle, bei denen Planung, Bau und teilweise auch Betrieb in einer Hand lie- gen, können diese Vielfalt abbilden und gleichzei- tig Innovationspotenziale heben. Serielles Bauen, neue Baustoffe oder energieeffiziente Konzepte lassen sich in solchen Strukturen besser einbringen als in einem starren Vergabekorsett. Weniger Bürokratie, mehr Bauen Partnerschaftliches Bauen bedeutet nicht, den Wettbewerb auszuhebeln. Es bedeutet vielmehr, den öffentlichen Auftraggebern mehr Entschei- dungsfreiheit zu geben. Nur wenn Kommunen und Länder die passenden Modelle wählen können, lassen sich Projekte effizient realisieren. Externe Gutachten und zusätzliche Beratungskosten wür- den reduziert, die Terminsicherheit verbessert, und die Kostengenauigkeit erhöht. Ein Appell an die Politik Der Bundeskanzler hat zu Recht festgestellt: „Wir bauen zu kompliziert, zu langsam, zu ineffizient.“ Das Partnerschaftliche Bauen ist eine Antwort dar- auf. Es setzt auf Vertrauen, auf Kooperationsmodel- le und auf die Anpassung der Vergabestrukturen an die Realität der Bauwirtschaft. Ziel sollte sein, den rechtlichen Rahmen so gestal- ten, dass die vorhandenen Mittel bestmöglich und effizient wirken. Dazu gehört: • Mehr Flexibilität bei der Vergabe, einschließ- lich der Möglichkeit von Gesamtvergaben. • Stärkung des Mittelstands, indem innovative Modelle auch für ihn zugänglich gemacht wer- den. • Reduzierung bürokratischer Hürden, die heute Bauzeiten und -kosten in die Höhe treiben. Nur so werden wir das erreichen, was dringend nötig ist: schneller, effizienter und nachhaltiger zu bauen – partnerschaftlich, im Sinne aller Beteiligten und zum Nutzen der Gesellschaft. Foto: justocker@ istock Tim-Oliver Müller Fehlende Zusätzlichkeit beim Sondervermögen Mit der Einrichtung des Sondervermögens Infra- struktur und Klimaneutralität verband sich das Ver- sprechen, Investitionen zusätzlich zum Kernhaus- halt zu ermöglichen. Dieses Versprechen wurde nicht eingelöst. Statt neuer Mittel erleben wir einen Verschiebebahnhof: Haushaltsmittel werden ge- kürzt und durch Gelder aus dem Sondervermögen ersetzt. Die Folge: faktisch kein Zuwachs, sondern Stagnation – und das bei einem Investitionsstau, der sich nach dem Brückeneinsturz in Dresden und der Sperrung der Rahmede-Brücke auf dramati- sche Weise offenbart hat. Die Konsequenz: Projekte verzögern sich, Kommu- nen bleiben auf steigenden Defiziten sitzen, und die Bürgerinnen und Bürger verlieren das Vertrau- en in die Handlungsfähigkeit des Staates. Vergaberecht als Flaschenhals Neben einer soliden und verlässlichen finanziel- len Ausstattung der Öffentlichen Hand brauchen Auftraggeberinnen und Auftraggeber sowie Bau- unternehmen vor allem „Beinfreiheit“. Ein zentra- les Hindernis hierbei liegt im Vergaberecht. Der jüngste Entwurf für ein Vergabebeschleunigungs- gesetz sollte diese Hürde beseitigen und vor allem Beschleunigung und Flexibilität ermöglichen. Was gut gemeint ist – die Einbindung kleinerer Betriebe – wird in der Praxis zu einem kaummehr erfüllbaren Aufwand für öffentliche Auftraggeber. Ein Beispiel: Der Bau einer Schule kann bis zu 50 Einzellose umfassen. Jede Vergabe erfordert meh- rere Angebote, Auswertungen und Bietergesprä- che. Kleine Bauverwaltungen sind damit jahrelang beschäftigt, bevor der erste Stein gesetzt wird. Am Partnerschaftliches Bauen als Schlüssel für effiziente Infrastrukturinvestitionen Angespannte Haushalte, steigende Baukosten und wachsende Inves- titionsbedarfe – die Lage der Bau- wirtschaft ist äußert heterogen. Zugleich gewinnt die Diskussion um das Partnerschaftliche Bauen in die- sen Zeiten erneut an Dynamik. Aus Sicht der Bauindustrie zeigt sich: Ohne flexible Vergabestrukturen, ohne die Möglichkeit, Planen und Bauen zusammen zu denken und ohne echte Kooperation entlang der Wertschöpfungskette werden wir die Herausforderungen nicht bewäl- tigen. Tim-Oliver Müller Hauptgeschäftsführer Hauptverband der Deutschen Bauindustrie (HDB)

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