14.01.2020

Brandschutz digital gestalten

Unvollendete Flughäfen und brandgefährliche Fassaden vermeiden

Daniel Gubler, Geschäftsleitung, AFC Air Flow Consulting AG
Sander van de Rijdt, Mitgründer und Geschäftsführer, PlanRadar GmbH
Daniel Gubler

Sicherheit und Brandschutz an Gebäuden sind Selbstverständlichkeiten, über die sich ihre Nutzer im Allgemeinen wenig Gedanken machen. Damit sie in Büros, Wohnungen, Hotels und Shopping-Centern sorglos arbeiten, wohnen und einkaufen können, müssen Neu- und Umbauten gut geplant und akribisch durchdacht werden. Der Berliner Flughafen und seine Mängel in Sachen Brandschutz sind nur das prominenteste Beispiel misslungener Planung, die Brandopfer des Grenfell Towers in London eines der traurigsten. Die Digitalisierung bietet auch im Bereich Brandschutz und Gebäudesicherheit immenses Potenzial zur Effizienzsteigerung und vor allem Fehlervermeidung. Ein Beispiel:

Entrauchungs- und Evakuierungskonzept in der Mall of Switzerland
Im November 2017 eröffnete die Mall of Switzerland im Schweizer Kanton Luzern. Mit rund 65.000 Quadratmetern Gesamtfläche, 150 Shops und Restaurants, 12 Kinosälen und weiteren Freizeitangeboten ist die Mall das zweitgrößte und modernste Shopping-Center der Schweiz. Auf vier Geschossen stehen den Besuchern rund 41.000 Quadratmeter Verkaufsfläche und circa 3.000 Quadratmeter Gastronomie zur Verfügung.
Die 2015 in der Schweiz in Kraft getretenen Brandschutzvorschriften stellen hohe Anforderungen an die Planer und Sicherheitsbeauftragten. Das Züricher Unternehmen AFC Air Flow Consulting AG, das auch für die Umsetzung der Brandschutzvorschriften am Züricher Flughafen verantwortlich ist, erstellte für die Mall of Switzerland ein Entrauchungs- und Evakuierungskonzept, das vorab digital simuliert und beim endgültigen Bau auch mithilfe digitaler Technologien realisiert wurde.

Simulationen von Rauch- und Wärmeabzug
Um den neuen Sicherheitsbestimmungen zu entsprechen, wurde das Fluchtwegkonzept im Falle einer notwendigen Evakuierung der Mall simuliert und geplant. Die dafür notwendigen Entrauchungsnachweise wurden vor dem Bau der Mall simuliert, wobei anhand eines virtuellen Gebäudemodells der Rauch- und Wärmeabzug geprüft wurde.
Hierfür wurden für insgesamt 95 Orte allein im Verkaufsbereich sogenannte numerische Strömungssimulationen (Computational Fluid Dynamics = CFD) durchgeführt. Per Computersimulation wird dabei berechnet, wie sich der Rauch im Brandfall verhält und wo die Rauchbelastung am höchsten ist. So konnte nachgewiesen werden, dass die Fluchtwege in der Mall of Switzerland genügend lange rauchfrei bleiben, damit alle Personen ungefährdet das Einkaufszentrum verlassen können. Die Ergebnisse der Simulationen wurden mittels sogenannter Warmrauchversuche bestätigt. Hierbei kommt eine Anlage bestehend aus Gasbrenner, Rauchmaschine und einer Einrichtung für die Rauchbeimischung zum Einsatz, mithilfe derer eine möglichst realitätsnahe Rauchausbreitung simuliert wird.

Digitales Aufgabenmanagement beim Bau
Auch die Umsetzung der entwickelten Konzepte für Entrauchung und Evakuation wurde beim Bau der Mall of Switzerland digital gesteuert und kontrolliert. Hierbei werden die Architekten- und Baupläne digital über die webbasierte Anwendung PlanRadar erfasst und sämtliche Aufgaben und durchzuführenden Tätigkeiten darüber verteilt, kommuniziert und überwacht. Konkret markiert der Bauleiter bei der Baubegehung auf seinem Tablet oder Smartphone auf dem entsprechenden Grundriss den genauen Standort der anstehenden Aufgabe und teilt anschließend den Auftrag einer konkreten Person zu. Fotos, Sprachnachrichten oder weitere notwendige Dokumente werden dabei gleich in die Kommunikation integriert. So konnten beim Bau der Mall of Switzerland sämtliche brandschutztechnischen Mängel direkt bei der Baustellenbegehung erfasst werden. Damit entfiel das bislang gängige Vorgehen, Notizen und Sprachnachrichten, die während der Begehung gemacht wurden, nachträglich in Tabellen und E-Mails zu übertragen, diese zu versenden und dann gegebenenfalls noch Anrufe tätigen zu müssen. Per App ließ sich derart nicht nur die Mängelaufnahme effizient erledigen, auch die Nachverfolgung und laufende Kommunikation mit allen am Prozess Beteiligten erfolgte über diesen Weg schnell, ortsunabhängig und ohne Informationsverluste. Jegliche Änderung an einem erstellten Ticket wird chronologisch auf der Plattform protokolliert und kann später für Beweiszwecke genutzt werden. Mittels der Softwarelösung wurden bei der Mall of Switzerland die Teilnehmer des Teams Brandschutz zu einem Projekt hinzugefügt und ihnen Einsicht in den aktuellen Projektstatus (Aufgaben, Mängel, zuständige Personen) gewährt. So ließen sich bei der Realisierung des Entrauchungs- und Evakuationskonzeptes für das Shopping-Center durch den ständigen Kontakt aller Beteiligten Informationsverluste vermeiden. Alle Projektmitglieder erhielten Fotos, Sprachmemos, Benachrichtigungen und Protokolle über die PlanRadar App in Echtzeit und konnten somit eine konsistente Qualitätssicherung bis zur Abnahme der Brandschutzanlagen gewährleisten.

Letzter Test vor der Eröffnung
Um vor Inbetriebnahme des Einkaufszentrums sämtliche Brandschutzmaßnahmen auf ihre Funktionstüchtigkeit zu prüfen, wurde außerdem ein integraler Test durchgeführt. Dabei prüften mehr als sechzig Personen an mehreren Tagen verschiedene Szenarien mit mehr als 600 brandfallgesteuerten Komponenten. Das Zusammenspiel der Komponenten wurde auf einer drei Meter hohen und 15 Meter langen Tabelle visualisiert, die sogenannte Brandfallsteuerungsmatrix. Die Tests konnten nahezu mängelfrei durchgeführt werden, was vor allem ein Ergebnis der guten Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten war. Dank all dieser Maßnahmen gehört die Mall of Switzerland aktuell zu den sichersten Einkaufszentren der Schweiz.

Weitere Informationen über PlanRadar online unter www.planradar.com/de

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von AFC Air Flow Consulting AG und PlanRadar GmbH
Erstveröffentlichung: The Property Post, Januar 2020

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