Der deutsche Gebäudebestand bietet ein enormes Energieeinsparpotenzial. Das gilt es zu heben.
Der deutsche Gebäudebestand bietet ein enormes Energieeinsparpotenzial, das es für den erfolgreichen Umbau der Energieversorgung unbedingt zu heben gilt. Dazu setzt die christlich-liberale Regierungskoalition auf den Grundsatz „Fördern und Fordern“, nicht jedoch auf staatlichen Zwang. Ein zentraler Baustein dieser Strategie ist das sogenannte Contracting, weil es die marktgetriebene sowie kosteneffiziente Hebung bestehender Effizienzpotenziale im Immobiliensektor ermöglicht.
Mit dem im Herbst 2010 vorgelegten Energiekonzept verfolgt die Bundesrepublik die weltweit ambitioniertesten Ziele zum Umbau und zur Dekarbonisierung des Energiesystems und der gesamten Volkswirtschaft. Schrittweise sollen die erneuerbaren Energien ausgebaut werden, bis ihr Anteil am Bruttostromverbrauch im Jahr 2050 mindestens 80 Prozent und der am Bruttoendenergieverbrauch 60 Prozent beträgt. Die Energieversorgung eines der führenden Industrieländer wird damit langfristig auf erneuerbaren Energien basieren.
Bei diesem Umbau der Energieversorgung gilt: Energieeffizienz ist und bleibt der Königsweg. Am günstigsten und saubersten ist schließlich diejenige Energie, die gar nicht erst verbraucht wird. Dem Gebäudebereich – vor allem dem Wohngebäudesektor – fällt hierbei die Schlüsselrolle zu: In Deutschland entfallen 40 Prozent des Endenergieverbrauchs und ein Drittel aller CO2- Emissionen auf den Gebäudebereich. Damit muss jedem klar werden: Ohne den Gebäudesektor wird der Umbau der Energieversorgung nicht funktionieren. Es gilt, geeignete Rahmenbedingungen für die energetische Modernisierung zu schaffen, das Vermieter-Mieter- Dilemma aufzulösen und Anreize für energieeffiziente Alt- und Neubauten bei Immobilieneignern und Mietern zu setzen.
Das energetische Sanierungspotenzial ist enorm: Rund 90 Prozent aller Heizkessel in Deutschland sind älter als 10 Jahre und 250 Millionen Fenstereinheiten deutscher Gebäude gelten als technisch und energetisch veraltet. Insgesamt wurden drei Viertel des Altbaubestands noch vor der 1. Wärmeschutz- Verordnung (1977) errichtet und sind seitdem gar nicht oder kaum energetisch saniert worden. Insgesamt bestehen bei etwa 19,6 Millionen Wohneinheiten erhebliche Minderungspotenziale.
Dabei bietet eine Realisierung dieses umfassenden Einsparpotenzials weitreichende Vorteile: Während sich die sinkenden Energiekosten mittel- und langfristig für Eigner rechnen, reduziert die Bundesrepublik ihre Abhängigkeit von ausländischen Energielieferanten und profitiert volkswirtschaftlich von der sanierungsbedingten Konjunkturspritze! Eine Studie der KfW ergab Ende 2011, dass öffentliche Haushalte für jeden eingesetzten „Förder-Euro“ vier bis fünf Euro zusätzlich einnehmen.
Die christlich-liberale Koalition hat diese Win-Win-Situation erkannt und setzt strategisch auf den Ansatz des „Fördern und Forderns“: Statt Häuslebauern und Eignern einen Blockwart in den Heizungskeller zu beordern, erhalten diese zielgerichtete und unbürokratische Unterstützung bei der Finanzierung ihrer Modernisierungsvorhaben.
Das CO2-Gebäudesanierungsprogramm ist erfolgreiches Beispiel dieser Strategie: Konkret hilft das Programm Immobilieneignern, die hohen Investitionen über Kredite und Zuschüsse zu realisieren und rentabel zu machen. Dafür stellte die KfW seit 2006 über 9,3 Milliarden Euro an Fördermitteln bereit. Infolgedessen sind insgesamt etwa 3 Millionen Wohnungen und 1.400 kommunale Einrichtungen energieeffizient saniert bzw. errichtet worden. Dank der enormen Hebelwirkung der Förderung summieren sich die angestoßenen Gesamtinvestitionen auf 117,6 Milliarden Euro. Für die Jahre 2013 bis 2014 stehen jährlich weitere 1,5 Milliarden Euro an Fördermitteln bereit. Gemessen an der bisherigen Hebelwirkung von 1:12 lassen die Mittel auf jährliche Energieeffizienz- Investitionen von 18 Milliarden Euro hoffen.
Das gleichzeitig von der Regierungskoalition vorgelegte Gesetz zur steuerlichen Förderung der Gebäudesanierung – ein Konjunkturprogramm für mehr Effizienz par excellence – wurde über ein Jahr lang im rot-grün dominierten Bundesrat blockiert und scheiterte damit vorerst im Vermittlungsausschuss. Mit ihrer Blockadehaltung hat die Opposition deutlich gemacht, dass ihre Forderungen nach mehr Energieeffizienz in Wirklichkeit nichts anderes als bloße Lippenbekenntnisse sind.
Als Reaktion auf die Blockade sorgt die Koalition für Ersatz: Mit dem Zuschussprogramm zur Förderung von energetischen Sanierungsmaßnahmen stehen zwischen 2013 bis 2020 insgesamt 2,4 Milliarden Euro bereit. Die Mittel aus dem Energie- und Klimafonds fließen über die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) direkt in die Sanierungsanstrengungen von selbstnutzenden Wohneigentümern.
Insgesamt sollen die Effizienzziele also vor allem durch eine anreizorientierte Sanierungsförderung im Gebäudebestand erreicht werden. Dort, wo es notwendig und unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgrundsatzes möglich ist, sind die Anreize zudem durch ordnungsrechtliche Maßnahmen zu flankieren.
Rechtliche Grundlagen hierfür sind das Energieeinsparungsgesetz (EnEG) und die Energieeinsparverordnung (EnEV): Basierend auf dem EnEG, regelt die EnEV konkrete Effizienzanforderungen für Neubauten sowie bei größeren Sanierungsvorhaben bestehender Gebäude. Mit der letzten Novellierung im Jahre 2009 wurden die energetischen Mindestanforderungen um durchschnittlich 30 Prozent angehoben. Die EnEV setzt damit hohe Standards und trägt maßgeblich zur Erreichung der Energieeffizienzziele im Gebäudebestand bei. Die Regierungskoalition hat eine weitere Novellierung auf den Weg gebracht, um die Maßgaben unter Berücksichtigung der Wirtschaftlichkeit weiterzuentwickeln. Das parlamentarische Verfahren läuft derzeit. Für den 17. April ist die öffentliche Anhörung zur Novelle angesetzt. Ziel ist es, das Gesetzgebungsverfahren noch vor der parlamentarischen Sommerpause abzuschließen.
Ein weiterer wichtiger Eckpfeiler des rechtlichen Rahmens stellt das Erneuerbare- Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG) dar: Es sieht im Neubaubereich für Bauherren eine anteilige Nutzungspflicht erneuerbarer Energien oder die Durchführung bestimmter Ersatzmaßnahmen vor (z.B. zusätzliche Dämmmaßnahmen oder Nutzung von Kraft-Wärme-Kopplung bzw. Fernwärme). Laut Evaluation hat sich das EEWärmeG bestens bewährt. Der Anteil erneuerbarer Energien am gesamten Endenergieverbrauch für Wärme stieg im Jahr 2011 auf 10,4 Prozent. Das Potenzial ist dennoch nicht ganz ausgereizt. Deshalb bedarf es weiterer geeigneter marktwirtschaftlicher Maßnahmen zur Optimierung.
Die gewerbliche Wärmelieferung durch Dritte – kurz Contracting – ist ein besonders interessantes, weil marktwirtschaftliches Instrument zur Steigerung der Energieeffizienz in Gebäuden. Beim Contracting übernimmt der Energiedienstleister im Auftrag des Vermieters längerfristig z.B. den Betrieb der Heizungsanlage sowie Brennstoffeinkauf und laufende Wartung.
Energiedienstleister übernehmen dabei die Investitionen, die Vermieter und Eigentümer nicht vornehmen würden. Denn Gebäudeeigentümer scheuen heute häufig die hohen Investitionskosten, die mit der Anlagenerneuerung verbunden sind. Ihnen fehlt der unmittelbare Investitionsanreiz, da die Betriebskosten in der Regel vom Mieter getragen werden. Mit marktwirtschaftlichen Anreizen setzt Contracting den Impuls zur Steigerung der Energieeffizienz im Gebäudesektor.
Das Unternehmen, das die gewerbliche Wärmeversorgung übernimmt, erwirtschaftet seinen Gewinn über Einsparungen im Energieverbrauch und amortisiert seine Investitionskosten über einen längeren Zeitraum. Ein Contractor muss die Wärmeanlagen möglichst effizient modernisieren, da alle Verluste bei Erzeugung, Verteilung oder Fehlfunktionen durch ihn zu tragen sind. Das Unternehmen trägt dabei die Risiken, die ansonsten der Eigner bei der Modernisierung trägt. Für die Unternehmen bestehen somit erhebliche Anreize zu Investitionen in Energieeffizienz und energetische Modernisierung. Mehr Effizienz spart Energiekosten! Mittel- bis langfristig profitieren davon insbesondere auch die Mieter!
Zusammengenommen ist Contracting ein optimaler, weil marktwirtschaftlicher Ausweg aus dem Investitionsstau beim Gebäudebestand.
Auch ein Blick in die Zahlen bestätigt die positive Wirkung des Contractings: Durch Modernisierungsmaßnahmen – wie den Austausch alter Heizkessel – hebt der Contractor den Jahresnutzungsgrad der Bestandsanlagen von derzeit 70 bis 75 Prozent auf 90 bis 95 Prozent an. In der Summe können dadurch jährlich bis zu 4,74 Millionen Tonnen CO2-Emission vermieden und Energiekosten um 1,25 Milliarden Euro im Jahr gesenkt werden.
Die Regierungskoalition nahm Contracting aus diesen Gründen als wichtigen Bestandteil in das Energiekonzept auf. Mit der vorgenommenen Novellierung des Mietrechts ist erstmals eine einheitliche gesetzliche Grundlage für Contracting- Lösungen geschaffen worden.
Die Contractingkosten können über die Betriebskosten – unter dem Gebot der Warmmietenneutralität – auf den Mieter umgelegt werden. Dabei sind die Kosten nur dann vom Mieter zu tragen, wenn die Energieeffizienz tatsächlich verbessert wird und sich die Mietkosten insgesamt nicht erhöhen. Der mit der Mietrechtsnovelle geschaffene, einheitliche Rechtsrahmen beseitigt zudem die zuvor bestehenden Unsicherheiten insbesondere bei Alt- oder Mischverträgen und bietet den regulatorischen Nährboden für neue Geschäftsmodelle. Im Endeffekt kann damit ein Zugewinn an Wachstum und Beschäftigung bei gleichzeitig abnehmendem Energieverbrauch erzielt werden!
Es gilt, die Wirkung dieser Mietrechtsnovelle im Blick zu behalten und die Entwicklung des Contracting in Deutschland aufmerksam weiterzuverfolgen. Nach Ablauf einer angemessen Zeitspanne sollte evaluiert werden, ob die jetzigen Änderungen tatsächlich die gewünschten Impulse setzen. Sollten die Maßnahmen nicht ausreichen, muss die weitere Optimierung mit entsprechender Nachjustierung erfolgen.
Mittels Contracting kommt die christlich- liberale Koalition ihrem Ziel der möglichst marktgetriebenen sowie kosteneffizienten Hebung bestehender Effizienzpotenziale entscheidend näher. Daher wird sie dieses freiwillige Instrument auch über die laufende Legislaturperiode hinaus fördern, damit sich marktbasierte Geschäftsmodelle in diesem Geschäftsbereich frei entwickeln können.
Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von ZIA Zentraler Immobilien Ausschuss e.V.
Erstveröffentlichung: ZIA Geschäftsbericht 2012/2013