23.07.2018

Die Transformation der Stadt

Ansätze für zukunftsfähigen Wohnungsneubau

Stefanie Frensch, Geschäftsführung, HOWOGE Wohnungsbaugesellschaft mbH
Stefanie Frensch

Aktuellen Zahlen des Kölner Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zufolge wird Berlin bis zum Jahr 2035 um eine halbe Million auf rund vier Millionen Einwohner wachsen. Es ist unstrittig, dass der Wohnungsmarkt und die Infrastruktur der Stadt dieser Entwicklung ohne langfristige Stadtentwicklungskonzepte nicht standhalten können. Wie aber lässt sich eine Stadt sinnvoll und städtebaulich verträglich zum Besten ihrer Bewohner weiterbauen? Das behutsame Ergänzen von bestehenden Stadtquartieren ist sicherlich die effektivste Maßnahme, um der aktuellen Marktentwicklung zu entsprechen. Allerdings muss Nachverdichtung mehr leisten, als nur der großen Nachfrage nach Wohnraum und häufig auch Gewerbe gerecht zu werden. Wir haben vielmehr jetzt die Möglichkeit, unsere Stadt zukunftsfähig zu gestalten. In diesem Sinne heißt es, einen Dialog über kostengünstigen und nachhaltigen Wohnungsneubau zu führen – und das mit allen Akteuren.

Berlin befindet sich in einem Veränderungsprozess – neben der Sozial- und Bevölkerungsstruktur unterliegen auch die Lebensbiographien der Bürger einem Wandel. Damit stehen Städtebau, Infrastruktur, Bildungs- und Mobilitätskonzepte, Energieversorgung sowie die Entsorgungswege auf dem Prüfstand.  Die Realisierung von Wohnraum, der diesen Entwicklungen Rechnung trägt und gleichzeitig für alle Generationen und Bevölkerungsschichten erschwinglich ist, bedeutet Herausforderung und Chance zugleich. Berlin hat den Vorteil, dass es verglichen mit anderen deutschen oder europäischen Metropolen noch immer über innerstädtische Flächenpotenziale verfügt, die ein Weiterbauen der Stadt aus sich heraus ermöglichen. In der konkreten Umsetzung heißt das, die bauliche Dichte zu erhöhen, denn die urbane Stadt ist eine kompakte Stadt der kurzen Wege. Vor diesem Hintergrund muss der öffentliche Raum eine Multifunktionalität darstellen, in der Arbeitsplatz und Schule, Nahversorgungs- und Freizeitangebote unkompliziert und schnell erreichbar sind. Dabei gilt es, neben dem Weiterdenken der Infrastruktur neue Bauformen umzusetzen und flexible Gebäude zu errichten, die ein unkompliziertes Umnutzen für unterschiedliche Lebensphasen der Bewohner möglich machen. So müssen die Gebäude nicht mehr nur rechtlichen Rahmenbedingungen wie Lärmschutz oder Energieeffizienz entsprechen, sondern ebenso den Prinzipien des altersgerechten Bauens, der Verbindung von Leben und Arbeiten sowie den sich stetig verändernden Haushaltsgrößen.

Um dieses Ziel zu erreichen, lassen sich durch kluge Architektur, kompakte Grundrisse sowie qualitätsvolle Freiraumgestaltung die vorhandenen Flächen effizient nutzbar machen. Auch öffentliche Einrichtungen könnten als multifunktionale Gebäude in den Bau eines Quartiers integriert werden. Was spricht dagegen, dass beispielsweise im Erdgeschoss einer Schule Ateliers an Künstler vermietet oder die Räumlichkeiten nach Schulschluss einer alternativen Nutzung zugeführt werden? Die Konzepte für die Weiterentwicklung der Stadt sind vielfältig. Ein Leitbild sollte aber für alle Vorhaben gelten: der Respekt vor dem vorhandenen Städtebau. Die Initiierung wettbewerblicher Verfahren sowie Machbarkeitsstudien in Varianten sind in diesem Zusammenhang wichtige Instrumente, um eine städtebauliche und architektonische Qualität zu sichern und gleichzeitig die lagebezogenen Besonderheiten jedes Kiezes berücksichtigen. Idealerweise sollten in dieser Phase bereits die städtebaulich-ökonomische Qualität sowie sozioökonomische und nachbarschaftsbildende Bedarfe der Bürger berücksichtigt werden.

Gleichzeitig müssen bestehende Nutzungen identifiziert und qualifiziert in das neue Quartier integriert werden. Auf diesem Weg lässt sich Identität bewahren, was insbesondere für die Akzeptanz der Anwohner bei der Schaffung von neuem Wohnraum von großer Bedeutung ist. So zeigt sich bei der Bürgerbeteiligung am deutlichsten, dass Stadtplanung ein Thema ist, das verhandelt werden muss. Menschen wollen teilhaben, ihren Lebensraum selbst gestalten, sodass auch außerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Verfahren Angebote der Teilhabe ermöglicht werden sollten. Nichtsdestotrotz ist das nicht einfach – viel zu oft wird nicht darüber gesprochen, wie gebaut werden soll, sondern ob überhaupt gebaut werden darf. Bei allem Recht auf Mitbestimmung ist es erforderlich, dass die verantwortliche Rolle des Bauherrn sowie die Notwendigkeit des Bauens akzeptiert werden.

Neben der Beteiligung der Bürger heißt Partizipation aber auch den größtmöglichen fachlichen Input der politischen, wissenschaftlichen und privatwirtschaftlichen Akteure zu generieren. Denn der Schlüssel zu städtebaulichen Lösungen, die mit der Transformation der Stadt Schritt halten ist der Dialog. Dabei ist es unsere größte Aufgabe die Zielkonflikte zu lösen, die sich aus der langfristigen Perspektive von Stadtplanern und Wohnungswirtschaft, den Belangen von angesiedelten und zukünftigen Unternehmen, den renditeorientierten Zielen der Investoren, den manchmal eher kurzfristigeren Vorgaben der Politik sowie den heterogenen Interessen der Bürger ergeben. Denn angesichts steigender Grundstücks- und Baupreise in den wachsenden Städten können es nicht nur die kommunalen und Landesunternehmen sein, die die Versorgung mit genügend bezahlbarem Wohnraum sicherstellen. Projektentwickler, Investoren, Architekten und Wohnungsunternehmen sollten ihr Know-how teilen und kooperieren.

Digitalisierung kann auch in diesem Zusammenhang ein wichtiger Faktor sein. Mittels vernetzter Technik im Bestand beispielsweise können betagtere Mieter im Alltag unterstützt, aber auch Bedarfe und Forderungen umfassenderer erhoben und auf andere Quartiere adaptiert werden. Im Bereich Neubau ermöglicht die Nutzung der international angewandten Methode des Building Information Modeling (BIM) computergenerierte, geometrisch visualisierte 3D Modelle von Gebäuden zu erstellen. Eine solche Plattform erlaubt nicht nur effektiveres branchenübergreifendes Arbeiten ohne Datenverluste – von der Planung bis zur Verwaltung und Instandhaltung eines Gebäudes, sie können auch Partizipations- und Integrationsprozesse deutlich verbessern.

In Deutschlands Metropolen ist der Druck auf die Innenstädte stark, hier droht soziale Entmischung oder findet bereits statt, sodass öffentliche wie private Unternehmen dieselben Probleme lösen müssen. Von uns allen ist hier eine Bewahrungs- und Integrationsleistung gefordert: Gesellschaftlicher Zerfall und Entfremdung zwischen Schichten und Gruppen ist kein nachhaltiges Sozialmodell – und angesichts drohender Spannungen und ihrer Kosten auch kein nachhaltiges Geschäftsmodell. Die Verbreitung guter Lösungen für angespannte Wohnungsmärkte daher sollte im Interesse aller sein.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von Stefanie Frensch, Geschäftsführung, HOWOGE Wohnungsbaugesellschaft mbH
Erstveröffentlichung: Wüest Partner Deutschland, Festschrift zum 10-jährigen Jubiläum, März 2018

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