10.06.2020

Ein Virus frisst sich durch

Vermögensabgabe ist auch keine Lösung

Dr. Esfandiar Khorrami, Rechtsanwalt und Partner, Bottermann Khorrami
Dr. Esfandiar Khorrami

Der Corona-Modus lässt die globale Konjunktur einbrechen. In Deutschland sah sich zuletzt jedes Dritte Unternehmen durch die coronabedingten Schließungen in seiner Existenz bedroht. Es könnte eine Insolvenzwelle auf uns zurollen, die sich schlimmstenfalls durch alle Branchen zieht. Während die Wirtschaft ächzt, diskutiert die Politik über die Einführung einer Vermögensabgabe, um damit staatliche Hilfsmaßnahmen zu finanzieren. Ein Blick in unsere Verfassung macht dabei die berechtigte Frage auf, ob die Erhebung einer solchen Abgabe überhaupt zulässig wäre. Abgesehen von verfassungsrechtlichen Bedenken ist eine Vermögensabgabe auch volkswirtschaftlich zumindest fragwürdig.

Die Coronavirus-Pandemie hat Regierungen weltweit dazu veranlasst, auf die wirtschaftliche Bremse zu treten. Mit diesem Bremsmanöver wurde vielen Unternehmen die Einkommensbasis genommen. Sie durften ihre Dienstleistung schlicht nicht mehr anbieten oder Zulieferketten waren unterbrochen. Einige Marktteilnehmer sind noch immer vom Corona-Shutdown betroffen. Vorsichtige Prognosen gehen von einem europaweiten Wirtschaftseinbruch von rund acht Prozent aus. Der negative wirtschaftliche Effekt wird von Marktbeobachtern mit dem der Weltwirtschaftskrise verglichen.

Nach einem wochenlangen pandemiebedingten Shutdown können viele Unternehmen nunmehr ihre Tätigkeit wieder aufnehmen, andere müssen noch ausharren und hoffen, dass die Liquidität reicht, bis sie wieder hochfahren und mitmachen dürfen. Das mag aus gesundheitspolitischer Sicht nachvollziehbar sein. Während aber die Wirtschaft zum Teil ums Überleben und um den Erhalt von Arbeitsplätzen kämpft, hofft die Politik, dass der Staatshaushalt durchhält und die Rücklagen reichen. Andere sehen das schon heute anders und denken darüber nach, wer das Ganze am Ende bezahlen soll und fordern deshalb die Einführung einer Vermögensabgabe.

Corona rechtfertigt eine Vermögensabgabe nicht
Als Jurist kann ich nicht umhin, mir solcherlei Vorschläge nicht nur gesundheits- oder wirtschaftspolitisch anzuschauen. Ich denke auch daran, was in unserer Gesellschafts- und Rechtsordnung möglich und mit diesen vereinbar ist. Zwar ist eine Vermögensabgabe nicht per se verfassungswidrig. Aber die Verfassung stellt sehr hohe Anforderungen. Das dient nicht zuletzt dem Schutz des Eigentums, das zwar verpflichtet, aber eben nicht zu allem.

Ein Blick in die Geschichtsbücher zeigt, dass eine Vermögensabgabe in Deutschland bislang nur dreimal erhoben wurde, und zwar 1913 und 1919 sowie nach dem Zweiten Weltkrieg, um jeweils Kriegslasten oder Kriegskosten zu finanzieren. Ohne Zweifel handelt es sich dabei um Ereignisse mit außerordentlichem staatlichen Finanzbedarf, der weder aus dem laufenden Etat noch auf anderem Wege hätte gedeckt werden können. Das ist eine verfassungsrechtliche Voraussetzung für die Erhebung einer Vermögensabgabe. Weitere Bedingungen, die nach meinem Dafürhalten erfüllt sein müssen: Einmaligkeit, Zweckgebundenheit und vor allem das Vorliegen einer staatlichen Ausnahmelage. Der Staat dürfte keine Spielräume mehr haben, das Steueraufkommen zu erhöhen, Staatsanleihen unterzubringen oder Ausgaben zu kürzen.

Dass diese Voraussetzungen momentan erfüllt sind, kann ich nicht erkennen. Es ist zudem noch nicht absehbar, wie hoch die durch Corona verursachten Kosten sein werden. Völlig unklar ist, ob und wenn ja, in welcher Höhe staatliche Bürgschaften oder Darlehen überhaupt zu Ausfällen führen werden. Wir wissen Stand heute auch nicht, ob und wenn ja, wann Corona vorbei sein oder ob das Virus nicht in jedem Jahr wiederkehrend unser Begleiter sein wird. Spätestens, wenn Corona wiederkommt, kann von einem historisch einzigartigen Ereignis nicht die Rede sein. Das aber wäre wesentliche Bedingung für die Erhebung einer Vermögensabgabe. Nicht ausgeschlossen werden kann zudem, dass der Staat möglicherweise mit seinen Hilfs- und vor allem Kreditprogrammen in der langfristigen Betrachtung der Krise aus seinem Engagement sogar Gewinne erzielen könnte.

Wirtschaft braucht schnelle Liquiditätshilfe
Eine Vermögensabgabe ist aber nicht nur verfassungsrechtlich bedenklich, sie ist volkswirtschaftlich betrachtet auch unvernünftig. Statt der Suche nach neuen Geldquellen für den Staatshaushalt, muss jetzt zuerst dafür gesorgt werden, dass Unterstützungsleistungen schnell bei den Unternehmen landen. Was die Wirtschaft zu ihrer Belebung braucht, sind neben konkreten und verlässlichen Handlungslinien schnelle Finanzhilfen, um die Corona-Krise zu überstehen. Denn stillgelegte Unternehmen und Einkommensverluste bei den Beschäftigten lassen nicht nur Dienstleister, Gastronomen oder Hoteliers in finanzielle Schieflage geraten. Es trifft am Ende genauso Vermieter von Gewerbeflächen und Wohnraum, und zwar die kleinen genauso wie die großen. Alle Marktakteure zusammen tragen dieses Problem wiederum weiter zu den finanzierenden Banken, und es kommt eine gefährliche Spirale in Gang, an deren Ende nahezu jede Branche und weite Teile der Bevölkerung in diesem Land einen Rettungsschirm bräuchten. So enthüllt die Forderung nach einer Vermögensabgabe eben auch das Paradox, dass sowohl Privatpersonen als auch große und kleine Unternehmen, die das Rückgrat unserer Marktwirtschaft bilden, aktuell mit erheblichen Verlusten oder Einkommensausfällen umgehen müssen und gleichzeitig bei einem ohnehin durch die Krise verminderten Vermögen mit einer neuen Abgabe konfrontiert werden.

Mit Investitionen der Krise begegnen
Eine Vermögensabgabe würde den gesamten wirtschaftlichen Erholungsprozess gefährden, denn sie verringert bei den Unternehmen Kapital für Investitionen und dringend notwendige Finanzierungsmöglichkeiten, mit denen die Corona-Krise bewältigt und möglichst viele Marktteilnehmer erhalten werden könnten. Statt einer neuen Abgabe, mit der Vermögen – sowohl privates als auch Betriebsvermögen – abgeschöpft würde, sollte der Staat gerade jetzt dafür sorgen, dass das Geld im System bleibt. Denn nur so kann investiert werden, und die Wirtschaft hat eine Chance, sich zu erholen und wieder zu wachsen. Zur Finanzierung der Hilfsprogramme oder möglicher Maßnahmen zur Wirtschaftsförderung hat Deutschland als eines bonitätsstärksten Länder der Welt nahezu unbegrenzte Möglichkeiten, kurzfristig Staatsanleihen auszugeben. Die derzeitige Negativzinsphase bietet hier sogar die Chance, weniger zurückzahlen zu müssen, als man mit Staatsanleihen eingenommen hat. Im Zuge wirtschaftlicher Gesundung werden die regulären Steuereinnahmen wieder ansteigen und können zur Finanzierung der Krisenkosten herangezogen werden. Als Vorbild kann hier auch die Finanz- und Wirtschaftskrise von 2008 dienen, die ohne Erhöhung der Steuern erfolgreich durchgestanden werden konnte.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von Bottermann Khorrami LLP
Erstveröffentlichung: Das Investment, 18. Mai 2020, aktualisiert für The Property Post (10.06.2020)

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