19.03.2015

Gesamten Lebenszyklus im Blick

Effizienzsteigerung durch eine lebenszyklusorientierte Realisierung nachhaltiger Immobilien

Dr. Jochen Keysberg, Vizepräsident des ZIA und Vorstandsmitglied, Bilfinger SE
Dr. Jochen Keysberg

Die Leistungsanforderungen an Immobilien sind in den letzten Jahren enorm gestiegen. Moderne Gebäude müssen heute einem ganzen Katalog an Kriterien gerecht werden: Sie müssen neuen Energieeffizienzstandards entsprechen, strengen Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen standhalten, zum Wohlbefinden der Immobiliennutzer beitragen und dabei so flexibel einsetzbar sein, dass sie auch nach Jahrzehnten intensiver Nutzung eine hohe Funktionalität aufweisen. Gefragt ist ein nachhaltiges Immobilienmanagement, das allen Beteiligten einen spürbaren wirtschaftlichen, ökologischen und gesellschaftlichen Mehrwert bietet. Eine auf kurzfristige Sicht angelegte reine Baukosten-Betrachtung weicht dabei einem auf langfristige Werterhaltung ausgelegten Immobilienmanagement.

Nachhaltigkeit und Energieeffizienz sind entscheidende Qualitätsmerkmale

Zu den großen Herausforderungen unserer Zeit gehören ohne Frage der Klima- und Umweltschutz. Auch die Immobilienbranche muss hier einen umfassenden Beitrag leisten. Laut Bundesumweltministerium entfallen auf den Gebäudebereich rund 40 Prozent des Endenergieverbrauchs und etwa ein Drittel der Treibhausgasemission. Die möglichen Energie- und CO2-Einsparungspotenziale sind demnach gewaltig. Das sieht auch die Bundesregierung so und fordert daher eine Reduktion der Treibhausgasemissionen bis 2020 um 40 Prozent und des Wärmebedarfs von Immobilien um 20 Prozent.

Nachhaltiges Handeln in der Immobilienwirtschaft ist damit ein hervorzuhebendes Ziel, um Kosten zu sparen und gleichzeitig der Klimaerwärmung Einhalt zu gebieten. Sowohl Investoren als auch Immobiliennutzer haben ein gesteigertes Interesse an Energie- und Ressourceneffizienz. Dies belegt auch die von Bilfinger im Frühjahr 2012 durchgeführte Studie „Marktanforderungen an ganzheitliche Konzepte in der Immobilienwirtschaft“. Demnach führen bereits 97 Prozent der rund 180 befragten Immobilienverantwortliche aus elf Branchen Nachhaltigkeits- und Effizienzprogramme durch. Neben ökologischen Kriterien spielen aber auch Faktoren wie Wirtschaftlichkeit, Nutzerzufriedenheit und Flächeneffizienz bei der Betrachtung nachhaltigen Handelns im Immobilienmanagement eine entscheidende Rolle.

Nachhaltigkeitszertifikate reichen nicht aus

Aufgrund der steigenden Anforderungen und zunehmenden Komplexität wächst auch die Nachfrage nach Zertifizierungssystemen für nachhaltige Immobilien. Auf dem deutschen Markt finden aktuell unter anderem das Zertifikat der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) oder andere internationale Labels, z.B. LEED und BREEAM Anwendung. Den Anspruchsgruppen wie Investoren, Nutzern oder Mietern von Immobilien bieten sie eine bessere Bewertbarkeit, Transparenz sowie Planungssicherheit und sind somit eine wichtige Entscheidungsgrundlage.

Der Trend zu Zertifizierungen ist begrüßenswert, dieser reicht jedoch nicht aus, um die Gesamtheit der Beschaffungsprozesse rund um die Immobilie nachhaltig zu optimieren. Die Herausforderung für ein innovatives Immobilienmanagement besteht vielmehr darin, den ganzen Lebenszyklus einer Immobilie mit Blick auf die Nachhaltigkeit einzubeziehen. Durch diese Herangehensweise sind Nachhaltigkeitsaspekte bereits zu Projektbeginn modellimpliziert berücksichtigt. Für die Anbieter von Bau- und Immobiliendienstleistungen ist es entscheidend, sich verstärkt mit effizienten Lösungen für einen nachhaltigen Bestand und Neubau mit erheblichen Einsparpotenzialen auseinanderzusetzen.

Neben den bereits bestehenden Zertifizierungen für nachhaltiges Bauen, wird aktuell eine GEFMA-Richtlinie zur umfassenden Bewertung aller die Nachhaltigkeit beeinflussender Faktoren mit Blick auf den gesamten Lebenszyklus erarbeitet. Ziel ist es, eine einheitliche, strukturierte und objektive Beurteilung des Gebäudebetriebs bei Umsetzung von Nachhaltigkeit im Facility Management unabhängig von der Gebäudequalität vornehmen zu können. Die nachhaltigen Wirkungen aller Serviceprozesse in einer Immobilie werden hiermit messbar gemacht. Eine Erweiterung dieser aktuell im Entwurf veröffentlichten Richtlinie eines Zertifizierungssystems (Kooperationspartner DGNB) soll als neutrale Plattform zur Umsetzung der konkreten Bewertung der Nachhaltigkeitskriterien etabliert werden.

Lebenszyklusmodelle schöpfen die Potenziale einer Immobilie bestmöglich aus

Im Vordergrund dieser ganzheitlichen Ansätze stehen Überlegungen, wie die Gesamtheit der Prozesse rund um eine Immobilie möglichst effizient über deren Lebenszyklus gestaltet werden können. Den Weg zu einem erfolgversprechenden Lebenszykluskonzept weisen dabei partnerschaftliche Geschäftsmodelle. Denn nachhaltige Immobilien erfordern neben innovativen Konzepten zur Gebäudeoptimierung auch kooperative Formen der Zusammenarbeit.

Ursprünglich für den öffentlichen Sektor entwickelt, stehen heute diese ganzheitlichen Wertschöpfungspartnerschaften auch für die Privatwirtschaft zur Verfügung. Alle Lebensphasen einer Immobilie – Entwicklung, Planung, Bau und Betrieb – werden mit Blick auf die verschiedenen Nachhaltigkeitsaspekte analysiert und in ihrem Zusammenwirken optimiert. In kooperativer Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten kann so schon in den frühen Planungsphasen das Potenzial einer Immobilie identifiziert und ausgeschöpft werden. Dies erfolgt unter Einbeziehung des Know-hows aller Beteiligten. Die partnerschaftliche und ganzheitliche Herangehensweise ermöglicht integrierte Lösungsansätze, die alle Kriterien der Nachhaltigkeit – sowohl umweltrelevante als auch nutzerorientierte und kostenoptimierte – berücksichtigen. Diese Ansätze tragen somit zum langfristigen Werterhalt und zur dauerhaften Funktionalität von Immobilien bei, so dass diese einen entscheidenden Beitrag zum Unternehmenserfolg leisten können.

Effizienzsteigerung durch ganzheitlichen Immobilienansatz

Unter der Marke „Bilfinger one – Real Estate Performance Guarantee“ hat der Engineering- und Servicekonzern 2011 als erster Anbieter einen solchen ganzheitlichen Systemansatz für private Kunden entwickelt. Bei dem Lebenszykluskonzept erfolgen alle Leistungen von der Planung über den Bau und Betrieb bis hin zur Revitalisierung aus einer Hand und werden hinsichtlich der relevanten Nachhaltigkeitskriterien analysiert. So können schon frühzeitig Optimierungspotenziale erkannt und ausgeschöpft werden. Kosten und Termine werden eingehalten, Garantien sichern die Prozesse ab und bilden so eine solide Planungsgrundlage für die Immobilieneigentümer und/oder -nutzer. Die Abgabe von Kosten- und Qualitätsgarantien wird insbesondere durch eine enge Verzahnung und Bündelung der Prozesse möglich.

Ein weiterer Vorteil eines solchen Partnerschaftsmodells ist die Konzentration auf nur einen Ansprechpartner. Durch die Bündelung der Aufgaben bei einem „Single Point of Contact“ werden die Anzahl der Schnittstellen reduziert und die damit verbundenen Abstimmungsprozesse effizienter. Die Immobilie wird als Ganzes betrachtet. Nutzerbedürfnisse und erforderliche Entscheidungs- und Flexibilitätsspielräume können dabei zu jedem Zeitpunkt berücksichtigt werden.

Die frühzeitige Einbindung des Facility Managements in alle Planungs- und Entwicklungsprozesse ist dabei entscheidend, um Aspekte des später möglichst wirtschaftlichen und störungsfreien Gebäudebetriebs schon am Planungstisch berücksichtigen zu können und Effizienzvorteile zu sichern. So ist beispielsweise zu untersuchen, ob der Einsatz von Anlagenredundanzen sinnvoll ist oder wo in regenerative Energieerzeugungen investiert werden soll, da sich diese in der späteren Nutzungsphase durch deutlich geringere Betriebskosten auszahlen.

Neubau- sowie Sanierungsvorhaben werden durch die Marktgegebenheiten und durch die Ansprüche der Immobilieneigentümer sowie Nutzer immer komplexer. Ganzheitliche Kooperationsmodelle stellen daher eine vielversprechende Alternative zu den bisherigen Lösungen dar, die sich oft auf die Einzelvergabe von Leistungen konzentrierten. Die zu erfüllenden Objekteigenschaften sowie die entstehenden Kosten und Termine werden bei dem integrierten Ansatz gemeinsam über die gesamte Vertragslaufzeit definiert und garantiert. Wissens- und Informationsverluste lassen sich vermeiden sowie nachweislich Kostenvorteile zwischen 10 bis 20 Prozent realisieren.

Resümee

Nachhaltigkeit und Effizienzsteigerung sind keine Zukunftsthemen, sondern bereits heute zentrale Anliegen in der Immobilienbranche. Bau- und Immobiliendienstleister müssen sich verstärkt mit neuen Ansätzen auseinandersetzen, um den bestehenden Anforderungen und zukünftigen Herausforderungen gerecht zu werden. Dabei geht es insbesondere um die Frage, wie der gesamte Immobilienlebenszyklus möglichst effizient unter Berücksichtigung aller Kriterien der Nachhaltigkeit gestaltet werden kann. Ganzheitliche Immobilienkonzepte, die ein Bau- und Sanierungsvorhaben über die gesamte Nutzungszeit betrachten, stoßen in diesem Zusammenhang bei den Marktteilnehmern auf immer größeres Interesse.

Eine echte lebenszyklusorientierte Optimierung von Immobilien bedingt jedoch die Anpassung des kompletten Beschaffungsprozesses und damit auch neue, kooperative Organisations- und Partnerschaftsstrukturen. Angestrebt wird in erster Linie ein partnerschaftliches Miteinander, das durch hohe Flexibilität und Transparenz sowie umfassende Beratungsleistungen auf allen Wertschöpfungsstufen gekennzeichnet ist. Den Nutzwert und die Effizienz dieser innovativen Beschaffungsvariante im Vergleich zu konventionellen Modellen bestätigen erste Forschungsergebnisse.

Durch das Zusammenfassen sämtlicher Leistungen in einer Hand und die nachhaltige Ausrichtung des Ansatzes lassen sich Kosten einer Immobilie optimieren, ihre Funktionalität und Qualität erhöhen sowie umweltrelevante Aspekte berücksichtigen. Das Ergebnis ist ein nachhaltiges Gesamtkonzept, das die optimale Deckung von Investoren- und Nutzerinteresse sowie Immobilienpotenzial ermöglicht.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von ZIA Zentraler Immobilien Ausschuss e.V.
Erstveröffentlichung: ZIA Geschäftsbericht 2013/2014