20.04.2015

In moderatem Aufwind

Der „European Powers of Construction“ bescheinigt der europäischen Baubranche zufrieden stellende Aussichten.

Franz Klinger, Partner, Deloitte & Touche GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
Franz Klinger

Seit vielen Jahren analysiert Deloitte alljährlich in der Studie „European Powers of Construction“ die wirtschaftliche Lage der großen börsennotierten europäischen Bauunternehmen. Die vor kurzem erschienene aktuelle Ausgabe bescheinigt der Baubranche – ausgehend von den für 2013 veröffentlichten Geschäftszahlen – einen moderaten Aufwind. Für die Jahre 2014 und 2015 darf auch von zumindest zufrieden stellenden Aussichten ausgegangen werden.

Die, gemessen an der Leistung, größten europäischen Baukonzerne sind gegenüber dem Vorjahr fast unverändert. Auf Vinci (Frankreich), ACS (Spanien), Bouygues (Frankreich) und die deutsche Hochtief folgen die schwedische Skanska, Eiffage und Colas (beide aus Frankreich), die österreichische Strabag, die britische Balfour Beatty und Bilfinger aus Deutschland. Nach Marktkapitalisierung steht ebenfalls Vinci auf Platz eins, gefolgt von der spanischen Ferrovial und Bouygues. In einem globalen Kontext sind auch die größten europäischen Konzerne nur Mittelmaß: die drei weltweit größten Baukonzerne sind allesamt in China ansässig.

Wohl kaum ein Wirtschaftszweig ist so konjunkturabhängig wie das klassische Baugeschäft. Fast alle Unternehmen der Branche verfolgen deshalb Strategien der Diversifizierung bzw. der Internationalisierung, um die Abhängigkeit von der Baukonjunktur in einzelnen Volkswirtschaften zu verringern. Die Intensität beider Stoßrichtungen ist im Unternehmensvergleich recht unterschiedlich. Hochtief mit dem Stammsitz in Deutschland ist wohl das am internationalsten ausgerichtete Unternehmen der großen europäischen Baukonzerne: 90 Prozent des Geschäfts finden außerhalb Deutschlands statt. Die schwedische Skanska ist ebenfalls sehr stark grenzüberschreitend präsent, hat jedoch ihre Auslandsaktivitäten wegen des besseren Inlandsgeschäfts zuletzt zurückgefahren. Seit 2010 hat der Internationalisierungsgrad um 7 Prozentpunkte zugenommen. In 2013 ist noch eine Tendenz zur grenzüberschreitenden Expansion spürbar gewesen, wenn auch im Vergleich zu Vorjahren abgeschwächt. Zudem scheint das Agieren außerhalb des Heimatmarkts Lehrgeld zu fordern: Die Mehrzahl der, vorwiegend international agierenden, Unternehmen registrierte 2013 niedrigere EBIT-Margen aus dem Baugeschäft als diejenigen, die sich auf ihre Heimatmärkte konzentrierten. Zudem verfügten die am stärksten internationalisierten Konzerne seit 2011 durchweg über negatives Betriebskapital. Die Profitabilität der Top-10-Unternehmen mit niedrigerem Internationalisierungsgrad lag 2013 bei 11,3 Prozent – 4,6 Prozentpunkte höher als die durchschnittliche Profitabilität international agierender Gruppen.

Viele Baukonzerne verfolgen daneben eine Strategie der Diversifizierung. Die Stoßrichtungen sind dabei unterschiedlich: die meisten Unternehmen haben das Geschäft mit Industriedienstleistungen ausgebaut, weitere Diversifizierungssegmente sind das Konzessionsgeschäft, der Energiesektor, die Umwelttechnik und die Wasserwirtschaft. Die strukturellen Nachteile des Baugeschäfts wie niedrige Margen und vor allem unstetige Cashflows sollen so abgefedert werden. Bei einigen Unternehmen steuert das Baugeschäft inzwischen weniger als die Hälfte zur Gesamtleistung bei. Der am stärksten diversifizierte Anbieter ist die türkische Enka, auch die deutsche Bilfinger generiert 62% ihrer Leistung mit Aktiväten jenseits des klassischen Baugeschäfts. Allerdings bringt die Diversifizierung zumindest in der Anfangsphase zusätzlichen Finanzierungsbedarf mit sich – die Strategie kann schon deshalb an ihre Grenzen stoßen. Wohl vor allem wegen der Krisenjahre hat der Grad der Diversifizierung in den letzten Jahren insgesamt sogar um 6 Prozentpunkte abgenommen – anders als die Internationalisierung.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von Deloitte & Touche GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
Erstveröffentlichung: Deloitte & Touche, Real Estate News, März 2014