02.04.2015

Immobilienmarkt Deutschland

Noch warm oder schon heiß? Einschätzung zur "Temperatur" der deutschen Immobilienmärkte im Jahr 2014

Karsten Jungk, MRICS, Geschäftsführer und Partner, Wüest Partner AG
Karsten Jungk, MRICS

Sind die deutschen Immobilienmärkte überhitzt? – Diese Frage wird seit einigen Monaten in der Immobilienbranche immer mehr diskutiert. Das starke Interesse in- und ausländischer Investoren an deutschen Immobilien hat in den vergangenen beiden Jahren in nahezu allen Assetklassen für hohe Transaktionsvolumina gesorgt. Selbst für Privatpersonen rückt insbesondere die Wohnimmobilie immer weiter in den Fokus, denn das historisch niedrige Zinsniveau lässt auch sie nach sicheren Anlageformen suchen und macht eine Immobilienfinanzierung erschwinglich. Die im europäischen Vergleich relativ robuste Konjunktur in Deutschland hat zudem auch die Nachfrage- und die Mietentwicklung an den Gewebeimmobilienmärkten stimuliert. In der Tat ist nahezu in allen Bereichen inzwischen ein spürbarer Rückgang der Renditen zu beobachten. Bei der Frage nach einer eventuellen Überhitzung muss jedoch sorgfältig nach Regionen und Assetklassen differenziert werden.

Wohnungsmarkt

Zur Beurteilung der Lage am Wohneigentumsmarkt ist ein Vergleich der aktuellen Situation mit der Marktsituation vor zwei Jahren aufschlussreich. Die von Wüest & Partner seinerzeit für den Wohnungsmarktatlas 2012 erstellte „Fieberkarte“ zeigt deutliche Unterschiede zur aktuellen „Fieberkarte“ des Jahres 2014. War im Jahr 2012 noch der Großteil des deutschen Wohnungsmarktes „kalt“ und nur an wenigen Standorten – wie im Raum München oder auf Sylt – eine Erwärmung auszumachen, so hat sich das Bild inzwischen grundlegend verändert. In nahezu allen Gemeinden Deutschlands sind die Wohnungsmärkte innerhalb der letzten zwei Jahre um eine Kategorie „heißer“ geworden. Besonders auffällig ist, wie die bereits „warmen“ oder sogar „heißen“ Gebiete in den Ballungsräumen auf das Umland abstrahlen. Zu nennen sind hier beispielsweise die Großräume Hamburg und Berlin, die sich vor zwei Jahren noch überwiegend im „kalten“ Bereich befanden, nunmehr jedoch im großflächigen Umkreis von bis zu 50 Kilometer um die jeweiligen Metropolen ausstrahlen. Als durchaus „heiße“ Wohnimmobilienmärkte lassen sich München, Sylt und beispielsweise die Gemeinden Kreuth und Rottach-Egern in Bayern ausmachen. Darüber hinaus sind mittlerweile nicht nur die Top-7-Städte Hamburg, Frankfurt und Berlin als warme Immobilienmärkte zu bezeichnen sondern auch Städte wie Rostock, Bremen, Hannover und Freiburg.

An all diesen Standorten ist zu beobachten, dass die Kaufkraft der ansässigen Bevölkerung nicht zu den aktuell an den lokalen Immobilienmärkten aufgerufenen Kaufpreisen passt. Während die Bevölkerungsentwicklung und Wanderungsgewinne an der Mehrheit dieser Standorte eher durchschnittlich sind, liegen die Preissteigerungen oftmals deutlich über dem Durchschnitt, sodass die Preise von der örtlichen Bevölkerung kaum noch gezahlt werden können. Treiber sind hier die zahlreichen Interessenten aus anderen Regionen Deutschlands bzw. aus dem Ausland, für die das Wohnungsangebot trotz der gestiegenen Preise noch attraktiv bleibt, welches jedoch gemessen an der Nachfrage nicht ausreichend ist. Die Neubautätigkeit hat an diesen Standorten zwar bereits deutlich zugenommen, sorgt aber noch nicht für eine Entlastung an den lokalen Märkten.

Im Unterschied dazu sind die ländlichen und peripheren Regionen in Deutschland nach wie vor „kalt“ bzw. „sehr kalt“ und weisen keinerlei Anzeichen einer Überhitzung auf. Auffallend ist allerdings auch die fehlende „Strahlkraft“ im Gebiet Rhein-Ruhr, wo lediglich Düsseldorf und Hürth einen „warmen“ Wohnungsmarkt aufweisen. Die Städte Köln, Bonn und Aachen sind dagegen weder warm noch kalt.

Vor dem Platzen einer Preisblase steht der deutsche Wohnungsmarkt demnach zwar kaum. In den Ballungsgebieten ist jedoch gleichwohl Umsicht geboten. Die Preissteigerungen sind hier nicht überall eine logische Konsequenz aus Bevölkerungswachstum und steigender Nachfrage, sondern durchaus an der einen oder anderen Stelle schon Ergebnis spekulativer Käufe – mit entsprechenden Risiken für die Käufer. Aktuell lässt sich aber auch hier eine Tendenz zur Marktberuhigung erkennen.

Büroimmobilienmarkt

Die deutschen Büroimmobilienmärkte sind von ganz anderen Trends geprägt als der Wohnimmobilienmarkt. Das Bevölkerungswachstum an einzelnen Standorten spielt zwar in Bezug auf die Büroflächennachfrage mittelbar auch eine Rolle, doch haben hier Faktoren wie die Entwicklung der Zahl der Erwerbstätigen, insbesondere der Bürobeschäftigten, die Branchenstruktur am Standort, die Höhe des Büroflächenleerstands und die Neubau-Pipeline sowie die vorherrschenden Mietniveaus eine weitaus größere Auswirkung.

Wüest & Partner Deutschland hat in einer aktuellen Studie zur Perspektive der deutschen Büroflächenmärkte 50 ausgewählte kreisfreie Städte mit mehr als 100.000 Einwohnern sowie die Top-7-Standorte Berlin, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Hamburg, Köln, München und Stuttgart auf ihre Investment-Risiken für Büroimmobilien untersucht.

Dabei zeigt sich, dass Bürostandorte mit höheren Risiken überdurchschnittlich oft in Ostdeutschland liegen, da hier nach der Euphorie der Wiedervereinigung vielerorts immer noch ein Überangebot an Büroflächen existiert. Dresden, Potsdam und Leipzig weisen nur ein mittleres Risiko auf, während eine Investition in Cottbusser Büroimmobilien aufgrund der hohen Leerstände als sehr riskant zu betrachten ist.

Insgesamt schneiden die Top-7-Städte sowie die sieben größten Büromärkte der B-Standorte mit niedrigen bis mittleren Investmentrisiken (zwischen 1,5 bis 2,7 auf einer Skala von 1 = sehr niedriges Risiko bis 5 = sehr hohes Risiko) sehr gut ab. Bei Investitionen in Hamburger, Berliner oder Bonner Büroimmobilien dürften Anleger relativ gelassen bleiben, da diese das beste Verhältnis aus Risiko und Rendite aufweisen. In Leipzig und Hannover dagegen liegen die Renditeaussichten zwar bei 5,5 bis 6 Prozent, jedoch ist das Risiko mit 2,6 und 2,7 schon im mittleren Bereich einzustufen. Hannover hat zwar im Gegensatz zu Leipzig einen geringen Leerstand, wies in den vergangenen Jahren allerdings auch nur ein sehr geringes Mietwachstum auf. Darüber hinaus ist hier das Verhältnis von ansässigen Firmen in Relation zur vorhandenen Bürofläche im Vergleich zu den anderen Städten deutlich schlechter.

Düsseldorf, Essen und Bremen weisen ein ähnliches Risiko-Rendite-Verhältnis wie Frankfurt a.M. auf – jedoch resultieren diese aus ganz unterschiedlichen Rahmenbedingungen: Das Investmentrisiko ist in den B-Städten Essen und Bremen deutlich höher als in Frankfurt und Düsseldorf. Dieser Umstand wird durch die erzielbare höhere Rendite allerdings sehr gut ausgeglichen.

Dresden ist bei der Betrachtung der 14 Top-Büromärkte einer der interessantesten Büroimmobilienmärkte und der beste unter den Top-7-B-Städten. Sachsens Landeshauptstadt ist für Investoren aufgrund des vergleichsweise hohen Büroflächenleerstands von 11 Prozent zwar ähnlich risikoreich wie Essen und Bremen, verspricht jedoch auch eine deutlich höhere Rendite.

Es kann festgehalten werden, dass Büros vor allem in den Top-Städten teuer sind und die Renditen in weiten Bereichen bereits wieder das Vorkrisenniveau erreicht haben. Abgesehen von den üblichen Bürorisiken (Nachvermietung mit entsprechendem Leerstand und Incentives) und anders als z.B. in der Schweiz, wo auch für sehr gute Objekte Mieten sinken und die Leerstände steigen, bestehen (noch) keine Überhitzungsanzeichen, da tatsächlich nahezu ausschließlich Core-Objekt die Spitzenrenditen erzielen.

Einzelhandelsimmobilien

Während an vielen deutschen Büroimmobilienmärkten die effiziente Nutzung der vorhandenen Flächen im Vordergrund steht, präsentieren sich die deutschen Einzelhändler in Expansionslaune und wollen ihre Filialnetze ausweiten. Aber auch ausländische Konzepte wie Primark, Maisons du Monde und Uniqlo erwärmen sich für die deutschen Metropolen und suchen nach geeigneten Standorten. Eine Reihe von internationalen Marken will in deutschen Städten Präsenz zeigen, wobei sich – zumindest in den Top-Lagen – die Mieten zunehmend von den Umsätzen entkoppeln. Selbst wenn die Umsätze in den Läden stagnieren oder gar sinken, steigen die zu zahlenden Mieten für Einzelhandelsflächen in Top-Lagen. Allerdings werden auch die Mietvertragslaufzeiten immer kürzer: Ging man vor einigen Jahren regelmäßig Mietverträge über mindestens zehn Jahre ein, legen sich Einzelhändler heute oftmals nur noch für fünf Jahre fest. Bislang einzigartig ist die Vertragsstruktur des neuen Shopping Centers Bikini in Berlin, wo Flächen erstmals auch monatsweise vermietet werden. Das zweite im Jahr 2014 in Berlin fertig gestellte Einkaufszentrum – die Mall of Berlin am Leipziger Platz – zeigt, dass Shopping Center auch zunehmend als Alternative für High-Street-Objekte akzeptiert werden. Labels wie Armani Jeans oder Stefanel haben hier erstmals Flächen in einer Mall gemietet. Große Einzelhändler entwickeln neuartige Vertriebskonzepte und erproben mit variierendem Angebot, modernen Services und veränderter Ladengestaltung neue Wachstumsstrategien. Marken, die ihre Ware bislang nur über das Internet vertrieben haben, nutzen vermehrt die Möglichkeit, sich über Pop-Up-Stores bekannter zu machen. Dies zeigt, dass der Online-Handel keine Einbahnstraße ist, sondern Chancen eröffnet. Das Shopping-Center als Ort der Begegnung, des Erlebnisses und der persönlichen Kommunikation wird dabei sehr geschätzt.

Doch was geschieht mit den "klassischen" Malls wie beispielsweise den Arkaden am Potsdamer Platz in Berlin? Sie müssen ihre Händler-Struktur überdenken, um nicht (chancenlos) in Konkurrenz zu den modernen Einkaufszentren zu treten, sondern in Ergänzung zu diesen ein attraktives Konzept bieten zu können. Klassische Shopping Center sollten sich darauf einstellen, künftig zum Einkaufsalltag zu gehören. Sie werden ihre Umsätze eher aus dem von Zeitdruck getriebenen Convenience-Geschäft als dem Samstags-Shopping-Bummel generieren. Preisgünstige Marken wie TK-MAXX oder Primark bieten diesen Centern die Nische, um trotz des Trends zum Erlebnisshopping Frequenz und Umsätze zu erzielen.

Shopping Center sind neben High Street Objekten nach wie vor eine sehr beliebte Anlageklasse – auch bei internationalen Investoren. Aufgrund ihrer Lage und dem Shoppingerlebnis wird diesen Objekten eine hohe Stabilität auch bei zunehmendem Internethandel unterstellt. So ist zu erwarten, dass auch im Jahr 2015 Qualitäts-Objekte und innerstädtische Geschäftshäuser auf den Markt kommen – angeheizt durch den Banken-Stress-Test der EZB und die Geldpolitik der Notenbank. Das Angebot – insbesondere an Core-Objekten – ist dennoch viel zu gering. Investoren zeigen zunehmend Interesse an Objekten, bei denen sie Potenzial sehen. Momentan werden mehr und mehr Immobilien mit Wertsteigerungspotenzial für den Verkauf vorbereitet. Aufgrund der Angebotslücke und des von der hohen Nachfrage getriebenen Drucks auf die Renditen weichen Investoren zunehmend auf andere Objekttypen – hier vor allem Fachmarktzentren – aus. Fachmarktzentren werden auch abseits der beliebten A- und B-Städte gehandelt, sofern die Rahmendaten wie Kaufkraft und Zentralität des Standortes, aber auch die Restlaufzeit der Mietverträge und der Mietermix stimmen. Dennoch ist auch hier bereits ein deutlicher Renditedruck zu erkennen. Inwiefern sich diese Investments in Nebenlagen mit relativ einfach reproduzierbaren Gebäuden (“Boxen“) bei Renditen teilweise bereits deutlich unter 7 Prozent mittel- bis langfristig lohnen, bleibt abzuwarten.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von Wüest & Partner W&P Immobilienberatung
Erstveröffentlichung: Februar 2015, Immobilienwirtschaft