24.02.2015

Konversion heißt Zukunft gestalten

Nachnutzung ehemals militärisch genutzter Flächen

Dr. Jürgen Gehb, Sprecher des Vorstandes, Bundesanstalt für Immobilienaufgaben
Dr. Jürgen Gehb

Über Jahrzehnte gehörten sie zum wohl vertrauten Bild in vielen Kommunen – die Soldaten der Bundeswehr, aber auch die Angehörigen der ausländischen Streitkräfte. In den kommenden Jahren wird sich dieses Bild ändern. So haben die Briten angekündigt, ihre Streitkräfte bis 2020 komplett aus Deutschland abziehen zu wollen, und auch die USA werden signifikant ihre Präsenz auf deutschem Boden reduzieren.

Neben der Aufgabe von 25 Liegenschaften der amerikanischen Streitkräfte mit ca. 825 Hektar im Rhein-Neckar-Raum ist die Schließung von zwei Standorten in Bayern und Rheinland-Pfalz beabsichtigt. Mit dem Abzug der britischen Streitkräfte werden rund 800 Hektar Flächen in Nordrhein-Westfalen und Niedersachen frei. Darüber hinaus wird das gesamte Bundesgebiet von der aktuellen Bundeswehrstrukturreform betroffen sein. Im Ergebnis werden in über 120 deutschen Städten Immobilien der Bundeswehr frei werden. Allerdings nicht auf einen Schlag, sondern zeitlich gestaffelt. So sind bis Ende 2013 jeweils zwei Standort-Schließungen in Schleswig- Holstein und Baden-Württemberg sowie jeweils eine Standortaufgabe in NRW und Niedersachen vorgesehen.

Vor diesem Hintergrund brennen gerade betroffenen Kommunalpolitikern viele Fragen rund um eine Nachnutzung ehemals militärisch genutzten Geländes im wahrsten Sinne des Wortes hautnah unter den Nägeln. Diese Sorgen, Nöte, aber auch Hoffnungen, verstehe ich sehr gut. Schließlich war ich nicht immer Vorstandssprecher der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA), sondern hatte die Ehre, mehrere Jahre Bürgermeister der Stadt Kassel sein zu dürfen. Und genau in dieser Funktion habe kurz nach der deutschen Einheit die Standortschließungen in Kassel und in ganz Nordhessen sowie die sich hieran anschließenden Konversionsprozesse hautnah miterlebt. Ich stand also schon einmal auf der anderen Seite und weiß sehr genau, was es für eine Kommune bedeutet, wenn das Militär abzieht und die Verantwortlichen vor Ort nach einer zukunftsfähigen Nachnutzung Ausschau halten müssen.

Aber all die Konversionsprozesse, die damals in Nordhessen und seit vielen Jahren in fast allen Teilen unseres Landes stattfanden – und ganz sicher auch über viele Jahre noch stattfinden werden – haben auch eine ausgesprochen gute Seite. Und diese gute Seite heißt Erfahrung, die nun reichlich vorliegt: Vor Ort, bei den entsprechenden Kommunen, aber ganz besonders auch in der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben.

So ist Hanau ein herausragendes Beispiel für einen guten Konversionsprozess und kann als Vorbild dienen. Seit Ende 2008 sind in dieser Stadt alle von den amerikanischen Streitkräften genutzten Liegenschaften mit einer Gesamtfläche von ca. 340 Hektar aufgeben worden. Das Spektrum dieser Konversionsliegenschaften reicht vom Einfamilienhaus über große Wohnsiedlungen, Schulen, Kindergärten, Sport und Freizeiteinrichtungen, Liegenschaften zur gewerblichen Nutzung bis hin zu sechs ehemaligen Kasernenanlagen, Übungsplätzen und weiteren Sonderliegenschaften. Die Vermarktung dieser Flächen schreitet sehr erfolgreich voran. Dies ist nicht zuletzt ein Resultat der erfolgreichen und partnerschaftlich angelegten Zusammenarbeit zwischen Stadt und BImA, die sich unter anderen in einer formellen Konversionsvereinbarung zwischen diesen beiden Partner manifestiert hat.

Die Art und Weise, wie Hanau den Konversionsprozess gestaltet, erinnert mich sehr an die erfolgreiche Um- und Neugestaltung von Ruhrgebietsstädten nach dem Rückzug des Bergbaus. Auch der Rückzug des Bergbaus wurde von Landes- und Kommunalpolitikern nicht gerade begrüßt, um es einmal vorsichtig zu formulieren, sondern man haderte arg mit dem Schicksal und führte heftige politische Debatten. Dies ist auch völlig in Ordnung und überhaupt nicht zu kritisieren. Schaut man sich die Kommunen näher an, die einen erfolgreichen Wandlungsprozess im Ruhrgebiet dann allerdings vollzogen haben, so fällt bei allen Unterschieden doch eine gemeinsame Geisteshaltung auf. Es gab immer den einen Zeitpunkt, an dem die Verantwortlichen die von ihnen nicht zu beeinflussende Entwicklung akzeptierten, sich quasi innerlich heftig „schüttelten“, sich aber dann bewusst dafür entschieden, das Beste daraus machen. Dies war nach meinem Eindruck ein wichtiger Faktor eines unausweichlichen Wandlungsprozesses, der dann in vielen Fällen auch mit wirklich beeindruckenden Erfolgen belohnt wurde. Wie im Fall Hanau wünsche ich mir sehr, dass viele Kommunen sich von dieser Geisteshaltung anstecken lassen und den unausweichlichen Konversionsprozess aktiv gestalten.

Viele Kommunen haben diesen Prozess bestens mit eigenen „Bordmitteln“ gestemmt; andere Kommunen sind aber auch gut damit gefahren, indem sie sich externen Fach- und Sachverstandes bedienten. Daher sollten entsprechende Dienstleister aus dem Bereich der Immobilienwirtschaft aktiv auf die Kommunen zugehen.

Mit ihrer langjährigen Erfahrung steht die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben den Städten und Gemeinden bei der Umwandlung ehemals militärisch genutzter Flächen als kompetenter Partner zur Verfügung. Die BImA arbeitet eng und vertrauensvoll mit den Kommunen als Träger der Planungshoheit und den möglichen Interessenten zusammen. Machbarkeitsstudien und Marktanalysen, der Abschluss städtebaulicher Verträge, Erschließungs- und Nutzungsverträge sowie flexible Finanzierungskonzepte haben sich bei der Umsetzung kommunaler Nutzungsabsichten in der Vergangenheit als sinnvolle Instrumente bewährt. Innovativen Ideen und Konzepten steht die Bundesanstalt aufgeschlossen gegenüber. Alle diese Erfahrungen sind gebündelt im Kompetenzzentrum Konversion in der Bonner Zentrale der Bundesanstalt abrufbar. Hier können sich auch alle Interessierten über die Rahmenbedingungen sowie zeitlichen und organisatorischen Abläufe eines Konversionsprozesses informieren.

Nun mag Vieles in einem solchen Wandlungsprozess ähnlich sein. Gleichzeitig gilt: Für die BImA ist jedes Konversionsvorhaben wirklich ein Einzelfall, der individuell und kompetent betreut wird. Jede Kommune kann darauf bauen, bei der BImA auf engagierte und kreative Kopfe zu treffen, die jedes Konversionsprojekt mit hohem Einsatz betreuen.

 Allerdings sind der BImA bei aller Kreativität und Gestaltungswillen auch Grenzen gesetzt. So hätten viele Kommunalpolitiker gern eine Überlassung der ehemals militärisch genutzten Liegenschaften zu einem symbolischen Wert. Nun ist die BImA nach den gesetzlichen Vorgaben allerdings zur Veräußerung von nicht betriebsnotwendigen Grundstücken des Bundes zum vollen Wert verpflichtet. Dieser volle Wert ist in der Regel der Verkehrs- oder Marktwert, wie er sich am Markt bildet oder in einem von einem unabhängigen Sachverständigen erstellten Wertgutachten ermittelt worden ist.

Die Bundesanstalt bietet darüber hinaus den Kommunen Flächen für Gemeinbedarfszwecke bevorzugt an, so dass die Städte und Gemeinden hierzu nicht auf das Bieterverfahren angewiesen sind. Allerdings gilt auch hier ein Verkauf durch die BImA zum Verkehrswert. Zur verbilligten oder gar unentgeltlichen Veräußerung ist die BImA nach derzeitiger Rechtslage nicht berechtigt. Gewisse Regelungen, die es in der Vergangenheit auch schon einmal gab, haben sich nach Erfahrungen der BImA – aber auch der beteiligten Kommunen – in der Praxis als überaus aufwendig, kompliziert und sehr streitbefangen erwiesen. Diese Erfahrungen müssen sich meiner Ansicht nach nicht unbedingt wiederholen.

Erfreulicherweise hat der Haushaltsausschuss des Bundestages im März 2012 aber beschlossen, von der Konversion betroffene Kommunen dadurch zu unterstützen, dass die BImA ihnen für einen bestimmten Zeitraum nach militärischer Aufgabe der Liegenschaften die Möglichkeit zu einem „Erstzugriff“ unter Verzicht auf eine öffentliche Anbietung der Grundstücke einräumt. Die Kaufpreisfestsetzung bei dieser privilegierten Käuferauswahl erfolgt auf der Grundlage eines unabhängigen Sachverständigengutachtens, so dass eine Veräußerung zum „vollen Wert“ im Sinne der Bundeshaushaltsordnung erfolgen würde. Auch das Gebot des BImA-Gesetzes zur „wirtschaftlichen Veräußerung“ von Bundesimmobilien bliebe damit beachtet. Damit ist den betroffenen Kommunen und der BImA eine Hilfe an die Hand gegeben worden, ohne die Vorgaben des Haushaltsrechts zu missachten.

Die Konversion – ein Begriff mit vielen Aspekten. Was dem einen als große Sorge erscheint, ist für andere eine Herausforderung oder sogar große Chance. Für die Bundesanstalt war sie in der Vergangenheit, ist sie in der Gegenwart und wird sie in der Zukunft eine bedeutende Aufgabe bleiben, der sie sich mit aller Kraft und Erfahrung widmet.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von ZIA Zentraler Immobilien Ausschuss e.V.
Erstveröffentlichung: ZIA Geschäftsbericht 2011/2012