12.04.2017

Marktradar April 2017

Politik ist riskanter als Zinsentwicklung

Francesco Fedele, CEO, BF.direkt AG
Prof. Dr. Steffen Sebastian, Lehrstuhl für Immobilienfinanzierung (Real Estate Finance), IREBS Institut für Immobilienwirtschaft
Francesco Fedele

Derzeit können die Meinungen der Marktteilnehmer nicht unterschiedlicher sein. Einige wenige sind der Auffassung, dass bereits jetzt die Risiken deutlich höher sind als die Chancen. Viele blenden jedoch mögliche negative Entwicklungen nahezu vollständig aus. Es käme allenfalls zu einer geringfügigen Verschlechterung der Marktentwicklung – ein Krisenszenario wird aber weitgehend ausgeschlossen.

Wir erwarten, dass vom möglichen Ende der Niedrigzinsphase und den nachfolgenden Anpassungsbewegungen große Risiken ausgehen. Seit Oktober letzten Jahres beobachten wir einen nahezu kontinuierlichen Anstieg der langfristigen Zinsen. Seit Dezember 2016 ist zudem auch die Inflation in Deutschland und Europa sprunghaft gestiegen. Damit steigt auch der Druck auf die Europäische Zentralbank (EZB), die Zinsen zu erhöhen. Vor allem von der Bundesregierung und der Deutschen Bundesbank wird zunehmend schärfer Kritik an der EZB geäußert. Vielfach wird auch befürchtet, dass der Zinsanstieg in den USA auch zu höheren Zinsen in Europa führen wird. Aus unserer Sicht ist es jedoch unwahrscheinlich, dass sich das EZB-Direktorium hiervon beeindrucken lässt. Denn Kritik aus Deutschland muss sich die EZB bereits seit langem gefallen lassen und auch die Aktionen anderer Zentralbanken werden die Entscheidungen der europäischen Zentralbank nicht unmittelbar beeinflussen. Die Geldpolitik der EZB wird sich nur dann ändern, wenn sich die Parameter in Europa selbst grundlegend ändern. Mit plötzlichen geldpolitischen Überraschungen ist daher nicht zu rechnen.

Finanzbarometer
Zinsentwicklung

Die langfristigen Zinsen sind im März wieder leicht gestiegen. Der Zehn-Jahres-Zinsswap betrug am Monatsanfang 0,70 Prozent und sank nach zwischenzeitlichen Höchstwerten von bis zu 0,90 zum Monatsende auf 0,78 Prozent. Der Sechs-Monats-Euribor blieb mit -0,241 Prozent nur unwesentlich unter dem Wert zu Monatsanfang von -0,237 und somit erneut weitgehend konstant. Ebenso blieb der Drei-Monats-Euribor im gesamten Monatsverlauf konstant mit Werten zwischen -0,328 und -0,330.

Ausblick

Aus unserer Sicht ist bei der Beurteilung der Risikolage die Fokussierung auf die Zinsänderungen nicht ausreichend. Weitaus größere Risiken für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung drohen derzeit aus der Politik – nicht nur aus den USA, sondern auch durch den Austritt Großbritanniens aus der EU sowie ein mögliches Referendum in Schottland und den Ausgang der Wahlen in Frankreich. Die größten Gefahren – zumindest für die deutsche Wohnungswirtschaft – bestehen jedoch in den politischen Entwicklungen nach den Bundestagswahlen. Derzeit haben sich die Umfragewerte für die Unionsparteien wieder stabilisiert und so sind aktuell keine anderen Konstellationen als eine erneute große Koalition oder eine rot-rot-grüne Regierung denkbar. In beiden Fällen ist damit zu rechnen, dass die marktferne Wohnungspolitik fortgesetzt wird. Insbesondere die Mietpreisbremse wird so implementiert werden, dass sie auch in der Praxis wirksam funktionieren wird.

Auch wenn die Mietpreisbremse damit langfristig das wesentliche Investitionshemmnis im Mietwohnungsmarkt darstellt, werden mangels adäquater Kapitalanlagen kurzfristig die Investitionen in den Wohnungsbau nicht zurückgehen. Da der starke Zinseffekt weiterhin den Wohnungsbau stützt, sind die Hindernisse für eine restriktive Mietpreiskontrolle durch die Politik gering. Deutschland droht damit in eine Phase einzutreten, in der nicht nur die Rentabilität von Mietwohnungen dauerhaft geschwächt wird, sondern die Kräfte des Marktes in der Wohnungswirtschaft weitgehend ausgehebelt werden.

In naher Zukunft werden dennoch die Preise nicht substanziell sinken, solange die Zinsen niedrig bleiben. Auch bei einem Ende der Niedrigzinsphase rechnen wir nicht mit einem Preiseinbruch. Allerdings werden bei Wohnungsinvestments aufgrund verstärkter Mietpreiskontrollen etwaige Zyklen nicht mehr in der gleichen Form überstanden werden können, wie es in der Vergangenheit möglich war.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von BF.direkt AG
Erstveröffentlichung: Homepage BF.direkt AG, April 2017

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