06.11.2019

Marktradar November 2019

Mietendeckel: Ein Signal für ganz Deutschland?

Francesco Fedele, CEO, BF.direkt AG
Prof. Dr. Steffen Sebastian, Lehrstuhl für Immobilienfinanzierung (Real Estate Finance), IREBS Institut für Immobilienwirtschaft
Francesco Fedele

Der Inhalt des kommenden Mietendeckels in Berlin steht nunmehr fest. Spannend bleibt die Frage, inwieweit andere Bundesländer bzw. Städte dem Berliner Beispiel folgen. Generell steigen die politischen Risiken von Investitionen in Wohnraum. Weiterhin Ruhe herrscht hingegen an der Zinsfront.

Der Berliner Mietendeckel liegt nun tatsächlich in fast finaler Form vor. Das Abgeordnetenhaus muss noch über den im Senat zwischen den Regierungsparteien abgestimmten Gesetzesentwurf beschließen, aber das darf man berechtigt als Formsache behandeln. Die regierende SPD hat den ursprünglichen Entwurf der linken Bausenatorin Lompscher zwar noch etwas abgeschwächt, aber die Eingriffe sind einschneidend genug. So müssen in den meisten Baualtersklassen die Mieten auf einen Höchstwert von etwa 6 Euro abgesenkt werden. Nur für Wohnungen ab Baujahr 1991 bzw. 2003 sind Mieten von 8,13 bzw. 9,80 zulässig. Bei guten Wohnlagen dürfen zudem 0,74 Euro mehr verlangt werden. Mietwohnungen ab Baujahr 2014 sind bislang vom Mietendeckel befreit. Zudem gilt ein gewisser Bestandsschutz: Wer zum 18. Juni 2019 bereits eine höhere Miete vereinbart hat, darf diese solange behalten, bis der Mieter eine Kappung beantragt.

Wir sind weiterhin der Auffassung, dass der Mietendeckel höchstwahrscheinlich verfassungswidrig ist. CDU und FDP haben bereits eine Normenkontrollklage vor den Verfassungsgerichten angekündigt. Wir gehen daher auch davon aus, dass viele Vermieter das Gesetz zunächst ignorieren werden, bis hier weitere Rechtssicherheit besteht. Dennoch wird das Gesetz Auswirkungen haben. Bereits jetzt werden Finanzierungen in Berlin schwieriger. Dies gilt sowohl für gewerbliche als auch für private Kunden. Zudem sind auch bestehende Finanzierungen gefährdet. Sollte sich der Mietendeckel nicht nur in niedrigeren Mieten, sondern auch in Preisrückgängen niederschlagen, so sind die Banken berechtigt, weitere Sicherheiten zu fordern. Tun sie das nicht, müssten sie auch für die bestehenden Kredite mehr Eigenkapital einsetzen. Es ist völlig offen, ob hierfür bei allen Instituten die Kapitaldecke ausreicht.

Auf der anderen Seite ist davon auszugehen, dass die Nachfrage nach Eigentumswohnungen in Berlin vom Berliner Mietendeckel nur wenig berührt wird. Insofern spricht einiges dafür, dass die Preise in vielen Segmenten stabil bleiben werden, sofern auch eine Eigennutzung denkbar ist. Möglich ist auch, dass sich die Banken, genauer: die Marktfolge und hoffentlich auch alle anderen Revisions- und Aufsichtsinstanzen auf den Standpunkt stellen, dass der Mietendeckel ungültig ist und zumindest Mietrückgange nicht einpreisen.

In jeden Fall sind die Risiken substanziell gestiegen. Auch aus diesen Grund werden Banken – und auch alle anderen Finanzierer – bei der Finanzierung von Wohnraum in Berlin vorsichtiger sein. Wir stellen bereits jetzt fest, dass die Anforderungen an neue Finanzierungen gestiegen sind. Entsprechend reagieren Projektentwickler und Investoren. Während einige lokale Unternehmen auf Brandenburg ausweichen, verlagern viele überregional tätige Immobiliengesellschaften ihren Fokus gänzlich auf andere Regionen.

Über die wohnungspolitischen Diskussionen geraten die Bewegungen auf den Kapitalmärkten in den Hintergrund – und dies durchaus zu Recht. Zwar sind die langfristigen Zinsen im letzten Monat nochmals gestiegen. Sie liegen aber noch immer auf sehr niedrigem Niveau. Und es spricht alles dafür, dass dies auch in absehbarer Zukunft so bleiben wird. Daran werden auch die personellen Veränderungen an der Spitze der Europäischen Zentralbank nichts ändern. Unter der neuen Präsidentin Christine Lagarde ist keine geldpolitische Kehrtwende zu erwarten. Zudem wird die Führungsriege durch die Wirtschaftsprofessorin Isabel Schnabel verstärkt werden, die für das Direktorium der Europäischen Zentralbank nominiert ist. Professorin Schnabel, die auf unserer vorletzten Jahreskonferenz Finanzierung als Keynote Speaker vorgetragen hat, gilt ebenfalls als Unterstützerin einer eher expansiven Geldpolitik.
Zinsentwicklung

Die Zinsen sind gegenüber dem Vormonat nochmals deutlich gestiegen, bleiben aber weiterhin für alle Laufzeiten noch immer auf sehr niedrigem Niveau. Der Zehn-Jahres-Zinsswap lag zu Monatsbeginn bei -0,10 Prozent und stieg bis zum Monatsende auf 0,07 Prozent. Der Sechs-Monats-Euribor stieg im Oktober von anfangs -0,387 auf -0,339 zu Monatsende. Auch der Drei-Monats-Euribor stieg im Monatsverlauf von -0,428 auf -0,401 Prozent.

Ausblick

Auf der EXPO Real 2019 war sehr häufig zu hören, dass Berlin alles tut und weiter tun wird, um private Immobilieninvestitionen abzuschrecken. Viele Marktakteure haben mit der deutschen Hauptstadt abgeschlossen. Deutschland ist aber nicht Berlin. Die spannesten Diskussionen betrafen entsprechend auch nicht den Mietendeckel selbst, sondern inwiefern sich die Entwicklungen in Berlin auf andere Standorte ausweiten werden. Hamburg und Hessen haben schon ablehnend reagiert. Die bayerische Landeshauptstadt München und die SPD-Bundestagsfraktion sympathisieren hingegen bereits offen mit dieser Lösung. Und nach Aussage von Chris Kühn, wohnungspolitischer Sprecher der Grünen, soll der Bund „regionale Mietobergrenzen“ ermöglichen. Die politischen Risiken von Investitionen in Wohnraum bleiben also weiterhin hoch. Auch diejenigen Investoren, die glauben, eine Lücke in der aktuellen Gesetzgebung gefunden zu haben, müssen sich auf weitere Verschärfungen des Mietrechts einstellen.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von BF.direkt AG
Erstveröffentlichung: BF.direkt AG im November 2019

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