23.02.2015

Maßanzug statt XXL

Shopping Center – moderne Marktplätze der Innenstädte.

Stephan Jung, Director/ Head of Retail Agency, Savills plc
Stephan Jung

Erfolgreiche Manager im Alter von 48 Jahren kaufen nicht unachtsam einen Anzug, der als Massenware am Fließband hergestellt wurde. Sie werden vielmehr einen Maßanzug vorziehen, der ihnen auf den Leib geschneidert wurde. Ähnlich erwarten die Stadtobersten für ihre Bürgerinnen und Bürger, dass 48 Jahre nach Eröffnung des ersten deutschen Shopping Centers neue Projekte maßvoll in die Stadt integriert werden. Trotz einer Mindestgröße zur Erreichung von entsprechender Magnet- und Durchschlagskraft gilt die Regel „Big is Beautiful“ nicht mehr automatisch.

Es ist zu beobachten, dass sich die durchschnittliche Größe der deutschen Shopping Center seit Mitte der 90er Jahre konstant reduziert. Hatte das durchschnittliche Center damals noch rund 33.000 Quadratmeter Mietfläche, so ist dieser Wert auf aktuell rund 27.000 Quadratmeter gesunken. Dafür gibt es mehrere Gründe: Mitte der 90iger Jahre befanden sich rund 40 Prozent der neuen Projekte auf der grünen Wiese und großflächige Ankermieter waren dort einfach und vergleichsweise bezahlbar unterzubringen.

Neue Lage, neue Anker

Heute befinden sich fast alle neuen Planungen und Projekte in der Innenstadt. Hier sind die Grundstückssituationen weitaus komplexer und die Kaufpreise um ein Vielfaches höher. Die klassischen Ankermieter wie z.B. Kaufhäuser, Baumärkte und Textilkaufhäuser befinden sich kaum noch in neu geplanten Centern und wurden von agilen vertikalen Anbietern ersetzt, die weniger Fläche benötigen und durch ihre deutlich höhere Flächenproduktivität und Umschlagsgeschwindigkeit Flächen in Top- Lage der Center belegen können.

Erlebnis statt Versorgung

Längst steht die Versorgung mit Ware nicht mehr im Mittelpunkt des Konsumenten. Vielmehr will er die Stadtbühne betreten und dabei überrascht, begeistert und verführt werden. Shopping Center und Händler, die neben einer Story auch ein Dazu-gehören-wollen erzeugen, schaffen es, dass der Besucher eine Bindung aufbaut und letztlich Preisdiskussionen nicht führen wird. Musterbeispiel aus der Automobilindustrie sind die emotionsgeladenen Modelle von Mini oder auch das Revival des Fiat 500, die über eine exzellente Marge verfügen und nur mir entsprechenden Wartezeiten erworben werden können. Als gut adaptierte Beispiele im Handel seien nur Apple oder Hollister genannt: es scheint, als dass der Kunde niemals über den Preis sprechen würde, sondern dankbar ist, dass er „zum Club dazu gehören darf.“

Wrap, Chai Latte und Muffin

Zur kulinarischen Abrundung des Einkaufserlebnis genügt es heute dem Besucher zum Glück nicht mehr, Bratwurst, Streuselkuchen und Filterkaffee zu konsumieren. So steigt der Anteil an Gastronomieflächen kräftig an und hat sich von schwachen 4 Prozent auf mittlerweile über 7 Prozent fast verdoppelt. Entwickler und Marktforscher empfehlen je nach Lage und Ausrichtung eines neuen Centers gar bis zu 10 Prozent Gastronomieanteil, in touristisch besonders frequentierten Lagen auch mehr.

Ein gutes gastronomisches Angebot ist auch geeignet, die Aufenthaltsdauer des Kunden zu erhöhen. Galt früher oft die Devise, der Kunde möge doch nach dem Einkauf das Center bald verlassen, so bemühen sich die Entwickler und Betreiber sichtlich, die Aufenthaltsqualität für den Besucher zu verbessern. Simple Dinge wie erstklassig gepflegte Toilettenanlagen und erweiterte Serviceleistungen werden heute vom Kunden erwartet.

Facebook, Twitter, iPhone

Die wichtige Zielgruppe der 30 bis 40jährigen hat gelernt, die Vorteile der modernen Kommunikationsmittel als Erleichterung in ihren Alltag zu integrieren. Es herrscht das Gefühl vor, dass Onlineshops und stationärer Handel sich gut ergänzen sollten. Die Situation der „Digital Natives“, also der nachfolgenden Generation, die mit allen modernen Medien bereits aufgewachsen ist, stellt sich ganz anders dar und führt bei den ersten Experten bereits zu sorgenvollen Blicken. Werden heute 15-jährige nicht ganz andere Erwartungen an Shopping haben? Wird das Einkaufen per Klick und das Abholen an Drive-In Schaltern kommen, so wie es in den USA bereits zu beobachten ist? Welche Branchen werden wir zukünftig im stationären Handel nicht mehr sehen?

Ehrlich, grün und nachhaltig

Nein, es ist keine Modeerscheinung, dass Investoren und Entwickler Immobilien nachhaltig bauen. Es dient auch nicht nur der Einsparung von Nebenkosten und der Beruhigung des Gewissens. Der Kunde erwartet heute eine ehrliche und konsequente Umsetzung von Nachhaltigkeit, denn er will dies mit gutem Gewissen tun: Das beginnt bei dem möglichst kurzen Anfahrtsweg zum Einkaufen, der Wahl des Verkehrsmittels und endet erst bei dem Kauf von fairen Lebensmitteln. Relativ spät haben auch die Handelsunternehmen begonnen, sich diesem Thema aktiv zu stellen, kümmern sich aber heute sehr intensiv um umweltschonende und gerechte Herstellung der Ware, um entsprechende Transportwege und fordern von ihren Vermietern den Nachweis, dass das Mietobjekt nachhaltige Kriterien erfüllt.

Zukunft Shopping

Das Konsumvertrauen in Deutschland ist trotz diverser Krisen anhaltend hoch. Steigende Umsatzzahlen, neu geschaffene Arbeitsplätze im Handel und geplante Milliardeninvestitionen dokumentieren den Erfolg und die Stabilität der Branche, die eine wichtige Stütze für die Wirtschaft darstellt. Zahlreichen Shopping Centern steht eine Revitalisierung bevor, die insbesondere die sich rasch ändernden Kundenanforderungen und den Anspruch an Nachhaltigkeit erfüllen muss. Neue Projekte müssen frühzeitig mit Städten, Bürgern, Vereinen, dem örtlichen Handel und Experten diskutiert werden, damit am Ende nicht ein fades Massenprodukt entsteht, sondern ein neuer Marktplatz und Treffpunkt, mit dem die Bürger der Stadt sich identifizieren und auf den sie stolz sind, eben ein Maßanzug.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von ZIA Zentraler Immobilien Ausschuss e.V.
Erstveröffentlichung: ZIA Geschäftsbericht 2011/2012