20.11.2019

Mischnutzung als Schlüssel

Erfolgreiches Investitionsprodukt Stadtquartier

Dr. Ulrich Schückhaus, Vorsitzender der Geschäftsführung, EWMG – Entwicklungsgesellschaft der Stadt Mönchengladbach mbH
Klaus Franken, Geschäftsführer, Catella Project Management
Dr. Ulrich Schückhaus

Moderne Stadtentwicklung muss heute vielfältigen Ansprüchen genügen. Zentralität und Urbanität sind entscheidende Schlagworte, wenn es um Idealvorstellungen des Wohnens geht. Freizeit, Beruf, Erholung und die täglichen Dinge des Lebens wie medizinische Versorgung, Kitas oder Einkaufsmöglichkeiten sollen möglichst über kurze Wege erreichbar sein. Zudem sind neue Mobilitätskonzepte gefordert. All dies kann nur ein Quartier erfüllen, das auf einer bestimmten Fläche viele städtische Funktionen in sich vereinigt. Moderne Quartiere sind gleichwohl keine abgegrenzten Gebiete, sondern fügen sich harmonisch in die gesamte Stadtentwicklung ein.

Für den städtischen Bewohner von heute ist die funktionale Raumtrennung innerhalb der Stadt ein Relikt vergangener Zeiten. Die althergebrachte Formel „Einkaufen in der Stadtmitte – Wohnen am ruhigen Stadtrand“ stammt aus einer historisch relativ kurzen Phase der Auto-Orientierung. Die Rückbesinnung auf die Vorteile der Zentralität und der Verflechtung von Arbeit, Freizeit, Sport, Kultur, etc. führt zwangsläufig zur Mischnutzung in der Entwicklung moderner Stadtquartiere.

In der Immobilienwirtschaft etabliert sich durch das Mixed-Use-Quartier nach und nach eine neue Assetklasse. Beredter Ausdruck hierfür sind die in den vergangenen Jahren entstandenen Quartiersfonds, die als Anlageprodukt auf den Markt gekommen sind. Auch in den Kommunen hat sich Mischnutzung in der Stadtentwicklung durchgesetzt: Eine Befragung der Universität Wuppertal aus dem Jahre 2015 hat ergeben, dass 90 Prozent der kommunalen Vertreter in der Nutzungsmischung die Voraussetzung für lebendige Quartiere sehen.

Zielgerichtete historische Entwicklung
Mixed-Use ist Teil von städtebaulichen Entwicklungen seit Anbeginn. Die Hoffnung auf Arbeit und ein besseres Leben war schon immer Grund, aus ländlichen Regionen in die Städte zu ziehen. Zunächst wurden Fabriken und Arbeiterwohnungen noch in unmittelbarer Nachbarschaft gebaut. Mit der Verbreitung der automobilen Nutzung für breite Bevölkerungsschichten begann die Funktionstrennung. Stadtplanung verstand sich plötzlich nicht mehr als „miteinander“, sondern als „nebeneinander“. „Single-Use“ Projekte waren die Folge, was die Immobilienbranche gerne aufgriff, denn fortan konnte man sich spezialisieren; der eine konzentrierte sich auf Büros, der andere auf Einzelhandel, Logistik, etc. Es entwickelten sich an den Rändern der Städte in gezielter Trennung Wohnsiedlungen, Industriekomplexe und Gewerbegebiete. In den Stadtzentren entstand in Ergänzung zur historischen Substanz monostrukturierter Raum für Büros, Einzelhandel oder Gastronomie. Innerstädtisches Wohnen galt aufgrund der räumlichen Enge, der Lärm- und Abgasbelastung als verpönt. In der Nachkriegszeit entstanden Trabantenstädte außerhalb der Stadt, gepriesen als neue Wohnkultur „im Freien“; allerdings erforderte diese neue Entwicklung ihren Bewohnern ein hohes Maß an Mobilität ab. Laut Bundesinstitut für Bau-, Stadt-, und Raumforschung (BBSR) sind in dieser Zeit rund 300 Quartiersentwicklungen mit jeweils mehr als 500 Wohneinheiten bzw. 1.000 Einwohnern entstanden. Der (Auto)Verkehr prägt heute das Bild der Städte. Das Wachstum von Arbeitsplätzen und Bewohnern verschärft die Situation von Jahr zu Jahr weiter. Die Rückbesinnung auf die Stadt der kurzen Wege, mithin die Innenstadt als Lebensraum ist eine logische Konsequenz. Zuletzt belegte dies eine Forsa-Umfrage aus dem Jahr 2016 im Auftrag des Zentralen Immobilien Ausschusses (ZIA). 30 Prozent der Befragten in Städten mit mehr als 100.000 Einwohnern hatten demnach den Wunsch, innerstädtisch leben zu wollen.

Ausgleich zwischen Stakeholdern schaffen
Leben auf engem Raum konfliktfrei zu organisieren, ist eine Herausforderung, die viele Faktoren miteinander vereinigen muss. Idealerweise ergibt sich eine Durchmischung verschiedener Wohnformen für unterschiedliche Einkommensniveaus. Die Mischung von Miet- und Eigentumswohnungen, das breite Angebot für Familien, Singles, Senioren, etc. schafft eine gesellschaftliche Durchmischung, die für Stabilität und Langfristigkeit steht. Im Gegensatz dazu kann man in Einfamilienhausvierteln beobachten, wie die Bewohnerschaft relativ zeitgleich gebaut hat, zeitgleich alt wird und folglich vorhersehbar das ganze Viertel in einen Strukturwandel hineinläuft, der Verwerfungen garantiert.
Ein neues Quartier darf zudem nicht als Insellösung konzipiert werden, sondern hat sich am gesamtstädtischen Entwicklungskonzept auszurichten. Dies gilt im Hinblick auf lokaltypische Architektur wie auch auf eine Vorbildfunktion des Quartiers bezüglich moderner Mobilitätskonzepte. Neben der Anbindung an das gesamtstädtische ÖPNV-Netz sind neue Quartiersentwicklungen ideale Standorte für Innovationen wie ausgebaute Radstrecken, Ladestationen für Elektromobilität, Sharing-Angebote, Logistiklösungen für die „letzte Meile“ und Energiekonzepte.
Stadtquartiere sind gleichwohl in erster Linie ein Zuhause. Für das gesellschaftliche Zusammenleben und das Zugehörigkeitsgefühl sind Teilhabe und Engagement zwei wichtige Faktoren. Sie sind vor allem dadurch geprägt, dass sich die Bewohner mit dem Quartier identifizieren und das Quartier von Menschen der umliegenden Quartiere genutzt und geschätzt wird. Die Bedürfnisse der Bürger gilt es zu befriedigen, denn wenn sie zufrieden sind, ergibt sich ein positiver Kreislauf von laufenden Mietzahlungen über kontinuierliche Pflege des Quartiers durch den Eigentümer bis hin zum Aushängeschild für die Kommune. Deshalb sollte diese Allianz der langfristig orientierten Beteiligten (Nutzer, Anleger, Stadt) bestimmen, was gebaut wird. Häufig sind es aber eher die nur kurzfristig motivierten Bauträger und Entwickler, die Neubauentwicklungen definieren.

Verantwortung über die Entwicklung hinaus
Wenn es nicht nur um die Fertigstellung, sondern um den langfristig erfolgreichen Betrieb des Viertels geht, ist ein professionelles Quartiersmanagement unabdingbar. Dies beginnt bereits während der Projektentwicklung mit einer passenden Namensgebung und einem eigenen Corporate Design. Nach Fertigstellung des Projekts kann das Quartiersmanagement verschiedene Nutzerservices wie auch auf Eigentümerseite diverse Managementfunktionen in sich bündeln. Der Quartiersmanager organisiert die Schnittstelle von wirtschaftlichen Eigentümerinteressen, Nutzerbedürfnissen und gesellschaftlichen Zielen.

Für den langfristig orientierten Investor ist die Mischnutzung mehrfach von Vorteil, da sich das Risiko der Investition auf unterschiedliche Nutzungsarten und Zielgruppen verteilt. Mixed-Use-Quartiere sind damit krisenresistenter und weniger abhängig von bestimmten Nachfragezyklen. Eine zusätzliche Risikominimierung ergibt sich durch die Mischkomponenten von Miet- und Kaufobjekten. Die Gewerbeeinheiten in der gängigen Form von Nahversorgern oder Gastronomie sind darüber hinaus Garanten für einen stabilen Cashflow. Gemischte Quartiere haben daher eine höhere Wertigkeit, denn es zählt nicht der Quadratmeter Nutzfläche, sondern die Zufriedenheit der Nutzer. Ihr Leben ist besser organisiert und die Erträge damit nachhaltiger. Zudem sind zentrale Lagen bereits ein Garant für Wertstabilität und Wertzuwachs.

Dreiklang für effiziente Quartiersentwicklung
In der neuen kompakten Stadt sollen sich Wohnen, Leben und Arbeiten harmonisch verbinden lassen. Der ZIA hat drei Aspekte für eine nachhaltige Quartiersentwicklung definiert: Standortqualität, Kommunikation und Prozessqualität. Die Standortqualität bestimmt sich aus den Makrokriterien einer wachsenden und wirtschaftlich erfolgreichen Stadt. Für die Kommunikation liegt der Fokus neben dem Quartiersmanagement auf Begegnungsmöglichkeiten und offenen Räumen. Die Prozessqualität beschreibt die möglichst reibungslose Zusammenarbeit der Projektparteien. Dazu müssen Immobilienentwickler im Rahmen eines städtebaulichen Vertrags mit der kommunalen Verwaltung wichtige Grundzüge festlegen, entsprechende Verpflichtungen müssen gemeinsam begründet werden.
Es ist naheliegend, dass die Prozessqualität in direktem Zusammenhang mit der Anzahl der beteiligten Parteien steht. Die Kommune muss abwägen, ob sie mit einem oder mit mehreren Investoren in die Quartiersentwicklung geht. Ein innerstädtisches Quartier kann dabei aus einer Hand entwickelt und gesteuert werden, damit nicht Partikularinteressen das große Ganze gefährden. Natürlich sind allein wegen der großen Investitionsvolumina dafür nur entsprechend in Bezug auf Kapital und Kompetenz ausgestattete Investoren geeignet. Allerdings ergibt sich im Umfeld dieser Impuls-Quartiere für kleinere Anleger und Investoren ein interessantes Investitionsumfeld, weil von der Sogwirkung und Aufwertung des Quartiers profitiert werden kann.

Gute Voraussetzungen im Umkreis der Metropolen
Es liegt auf der Hand, dass für die beschriebene Quartiersentwicklung auch die nötige Fläche vorhanden sein muss. Die beschränkte Flächenverfügbarkeit treibt die Preise in den A-Städten.  Das Analysehaus empirica ermittelte zuletzt einen durchschnittlichen Kaufpreis von 8570 Euro pro Quadratmeter für eine Neubauwohnung in München. Frankfurt und Stuttgart liegen mit 6535 und 6131 Euro für die meisten Interessenten auch jenseits des leistbaren Wohnraums. Wohnimmobilien in A-Städten sind zudem bereits seit einiger Zeit ein renditeschwaches Produkt. Lediglich 2,7 Prozent Bruttoanfangsrendite nennt empirica für München. Stuttgart erreicht mit 3,5 Prozent einen nur unwesentlich besseren Wert. Die Renditekompression betrifft Wohn- und Büroimmobilien gleichermaßen. Berlin beispielsweise verzeichnet schon seit zwei Jahren eine Rendite von unter zwei Prozent für Core-Produkte im Bürosegment.
Wie kann dieser Entwicklung entgegengetreten werden? Mobilität ist dazu das Schlüsselwort. Sofern eine gute Verkehrsanbindung (ÖPNV) an A-Städte mit einer Fahrtzeit von unter 30 Minuten vorliegt, eignet sich der Standort für ein urbanes Quartier. Die Nähe zu Bahnhöfen und zur Innenstadt definiert die richtigen Standorte. Damit können Potentialstädte profitieren und ein eigenes, gesteuertes Wachstum ermöglichen. Eine attraktive Hochschule sowie diverse Kultur- und Freizeitangebote sind zusätzliche Pluspunkte bei der Standortwahl. Es muss demnach nicht die klassische A-Stadt sein. Ihr Umfeld kann eigenständige Qualitäten entfalten, aber eben nicht als „single-use“-Trabantenstädte, sondern mit gemischten Quartieren, wo Leben, Wohnen, Arbeiten, Freizeit, Sport, Kultur, etc. in fußläufiger Entfernung ermöglicht wird.

Städtebaulicher Masterplan gibt die Richtung vor
Potentialstädte in Metropolregionen positionieren sich zunehmend als attraktives Investitionsziel. Viele Städte haben die Zeichen der Zeit erkannt und städtebauliche Masterpläne entwickelt, um den jeweiligen Standort systematisch weiterzuentwickeln. Ein Masterplan definiert das zukünftige Bild der räumlichen und funktionalen Entwicklung als Leitlinie und strategisches Instrument für die Zukunftsfähigkeit der Stadt. Darüber hinaus hilft er in einer partizipativen Form dabei, eine breite bürgerschaftliche Beteiligung an der Stadtentwicklung sicherzustellen.
Aufbauend auf dem Masterplan ist ein aktives kommunales Immobilienmanagement ein entscheidender Wettbewerbsvorteil. Städte können langfristig und zielgerichtet als kommunaler Investor Grundstücke erwerben, um eine ausreichend große Baufläche für eine Quartiersentwicklung zur Verfügung zu stellen; eine aktive Grundstückspolitik ist entscheidend. Über Konzeptvergaben können die Städte den besten Investor für die jeweilige Aufgabe auswählen und über den städtebaulichen Vertrag verpflichten. Durch konkrete Vorgaben bezüglich der baulichen Gestaltung und der Nutzungsanteile ist eine Einbettung in die Gesamtstrategie der Stadtentwicklung garantiert. Die Vereinbarkeit klar definierter Vorstellungen zwischen Kommune, Bürgerschaft und Investor ist die wichtigste Bedingung für eine erfolgreiche Quartiersentwicklung. Bevölkerung, Politik, Verwaltung und Immobilienwirtschaft müssen an einem Strang ziehen, damit die Stadt attraktiver Lebensraum bleibt.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von Entwicklungsgesellschaft der Stadt Mönchengladbach und Catella Project Management
Erstveröffentlichung: Immobilien & Finanzierung, Oktober 2019

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