14.10.2021

Nachhaltige Immobilieninvestments

Mit Projektentwicklungs-Know-How zu ESG-konformen Immobilienanlagen

Dr. Bernd Wieberneit, Geschäftsführer, FOM Invest GmbH
Dr. Bernd Wieberneit

Die europäische ESG-Regulierung ist noch nicht abgeschlossen, doch der Handlungsdruck in der Immobilienbranche ist enorm. Die Nachfrage nach nachhaltigen Immobilieninvestments steigt stetig. Wie sehen diese Produkte aus, wie unterscheiden sich Artikel-8-Fonds von Artikel-9-Fonds und wie kann es gelingen, nachhaltige Prozesse in der Immobilienbranche zu implementieren?

Spätestens seit März 2020 ist das Thema ESG (Environmental, Social, Governance) aus der Immobilienbranche nicht mehr wegzudenken. Zu diesem Zeitpunkt ist die Offenlegungsordnung in Kraft getreten, mit deren Hilfe die Ziele des Pariser Klimaabkommens erreicht werden sollen – mit fundamentalen Auswirkungen auf institutionelle Investoren, Asset Manager und Finanzierer. Lange Zeit herrschte Unsicherheit darüber, was dies in der Praxis genau bedeutet. Und noch immer liegt kein verbindliches Regelwerk für die Beurteilung der Nachhaltigkeit von Immobilien vor. Die Komplexität der Regulierung und das schrittweise Vorgehen des Gesetzgebers sind weitere Herausforderungen, die auch auf absehbare Zeit bestehen werden, denn viele Fragen sind nach wie vor nicht geklärt.

Drei Arten von Fonds: Artikel 6, 8 und 9

Die Taxonomie-Verordnung gilt für alle Fonds und unterscheidet drei Kategorien: Artikel-6-Fonds sind Produkte ohne formulierte Nachhaltigkeitsziele. In diesem Fall muss der Anbieter darüber informieren, dass sie nicht im Einklang mit der Taxonomie stehen. Dies steht nicht zwingend im Gegensatz zur Offenlegungsverordnung, denn diese verpflichtet lediglich zu Transparenz über nachhaltige Kriterien, die erfüllt werden – die Finanzprodukte selbst müssen nicht zwingend nachhaltig sein.

Sogenannte Impact-Fonds, also Fonds nach Artikel 9 der Offenlegungsverordnung, streben positive Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft an und sollen so aktiv zu mehr Nachhaltigkeit beitragen. Beispiele hierfür kann die Reduzierung des CO2-Ausstoßes oder im Fall von Wohnimmobilienfonds die Schaffung eines größeren Angebots an bezahlbarem Wohnraum sein. Ob Artikel-9-Anlageprodukte tatsächlich vollständig nachhaltig sein müssen, scheint noch nicht ganz klar, ebenso wie Vorgaben zu bestimmten Zielen durch die Taxonomie. Gleichzeitig dürfen für das Erreichen eines Nachhaltigkeitsziels in einem Bereich nicht nachhaltige Faktoren in einem anderen gemindert werden. Zur Veranschaulichung: Werden ehemalige Sozialwohnungen für viel Geld saniert und im Anschluss teuer wiedervermietet, wird zwar der CO2-Ausstoß reduziert, aber gleichzeitig auch bezahlbarer Wohnraum in hochpreisigen Wohnraum umgewandelt. Nachhaltigkeit muss folglich das übergeordnete Ziel von Impact-Fonds sein. Das macht sie zur Kür unter den nachhaltigen Fonds. Artikel-9-Fonds sind im Immobiliensektor für die meisten Akteure aber nur schwer umsetzbar.

Eine attraktive Lösung für diese Herausforderung sind Artikel-8-Fonds.  Artikel-8-Fonds berücksichtigen unter anderem ökologische, soziale oder gesellschaftliche Merkmale oder eine Kombination aus diesen und befassen sich z.B. mit dem Refurbishment und bzw. oder der Entwicklung werthaltiger Immobilien.

Nachhaltige Immobilienfonds

Für Immobilienfonds ist bisher nicht abschließend definiert, welche ökologischen und sozialen Merkmale in welchem Umfang herangezogen werden müssen, denn die finalen technischen Regulierungsstandards werden voraussichtlich erst im Juli 2022 in Kraft treten. Auf Fondsebene sollte zunächst eine Investmentstrategie formuliert werden, die Nachhaltigkeitsziele definiert und festlegt, wie der Fonds diese mit verschiedenen Maßnahmen erreichen kann. Wir haben uns zu diesem Zweck der Initiative "ESG Circle of Real Estate", kurz Ecore, angeschlossen. Gemeinsam wurde dort ein Scoring-Modell entwickelt, das als ganzheitlicher Kriterienkatalog ESG-Kriterien sowie erforderliche Taxonomie-Kriterien abbildet. Anhand des Scorings kann festgestellt werden, inwieweit eine Immobilie oder ein Portfolio die Ziele und Kriterien bereits erfüllt und welches operative Optimierungspotenzial vorliegt.

Auf der Produktebene gelten gemäß dem aktuellen Entwurf der EU zwei Arten von Immobilien als nachhaltig: Zum einen Immobilien, die vor Ende 2020 errichtet wurden und die über einen Energieausweis A verfügen oder hinsichtlich des Primärenergiebedarfs zu den besten 15 Prozent des regionalen Immobilienbestands gehören. Ebenfalls dazu zählen Neubauten, die den Standard für Niedrigstenergiegebäude um mindestens zehn Prozent unterschreiten.

Trotz bestehender Unklarheiten ist die Nachfrage nach nachhaltigen Immobilienfonds hoch, zugleich sind entsprechende Produkte bislang noch Mangelware. Erfahrene Asset Manager mit Know-how in der Projektentwicklung beschäftigen sich aktuell mit der Entwicklung von ESG-Fonds. Doch wie stellt man ein solches Produkt auf?

Nachhaltige Immobilienportfolios durch Flächen- und Gebäudeoptimierung

Um diese Frage zu beantworten, muss die nachhaltige Umwandlung von Bestandsobjekten in den Fokus rücken. Einerseits ist dieses Vorgehen im Vergleich zum Ankauf ESG-konformer Neubauten mit höheren Risiken verbunden. Andererseits geht eine erfolgreiche Transformation von Beständen in der Regel mit einer höheren Rendite einher. Das Potenzial an ESG-konform transformierbaren Beständen ist zudem ungleich höher als das Angebot an nachhaltigen Neubauten. Und, aus Rendite-Aspekten wesentlich: Das Angebot an „passenden“ Neubauten ist transparent und knapp zugleich, die Preise entsprechend hoch. Um entsprechende Potenziale im Bestand zu identifizieren und zu heben, ist hingegen eine spezielle Expertise erforderlich – das Upside ist deshalb deutlich höher.

Eine Möglichkeit zur nachhaltigen Umwandlung der Fondsimmobilien ergibt sich durch die optimierte Flächennutzung. Mittels Flächenkonversion können beispielsweise nicht mehr rentable Handelsimmobilien zu ESG-konformen Wohnquartieren werden. Durch die Ausnutzung von Bau- und Erweiterungsmöglichkeiten, Weiterveräußerung von Teilgrundstücken und Kooperationen mit Städten und Gemeinden sind innovative Quartiersentwicklungen möglich, die nicht nur nachhaltig sind, sondern auch das Fondsvolumen und den Wiederverkaufswert steigern. Aber schon eine Ebene darunter, im Bereich der einzelnen Gebäude, lässt sich durch Revitalisierung ein deutlicher Mehrwert schaffen. Auch aus Objekten mit beispielsweise einer unzureichenden Gebäudehülle und technischen Ausstattung lassen sich CO2-effiziente Gebäude mit hoher Aufenthaltsqualität schaffen. Flächen- und Gebäudeoptimierung trägt also aktiv dazu bei, den CO2-Fußabdruck des Portfolios zu mindern, da hier im Regelfall weniger Ressourcen zum Einsatz kommen als beim Neubau.

Gemeinsame, nachhaltige Strategien sind gefragt

Genaue Vorhersagen zur Entwicklung der ESG-Anforderungen in der Immobilienwirtschaft sind nach wie vor schwierig. Was aber allen Akteuren mittlerweile klar sein sollte: Wer ESG-Konformität des Portfolios künftig nicht nachweisen kann, riskiert die Minderung von Immobilienwerten. Es müssen dringend Strategien entwickelt werden, um die mit ESG verbundenen Umwelt- und Klimaschutzziele zu erreichen und den weitreichenden Anforderungen der Taxonomie-Verordnung zu entsprechen, die 2022 in Kraft treten werden. Im Alleingang wird das für die meisten Player am Markt kaum zu realisieren sein.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von FOM Real Estate
Erstveröffentlichung: Immobilienmanager, Oktober 2021

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