07.06.2018

Nachhaltigkeit messen

Wie der GRESB-Standard zur Nachhaltigkeitsbewertung von Immobilienportfolios funktioniert

Oliver Oser, Managing Director, Vistra Property Management GmbH
Oliver Oser

Nachhaltigkeit von Immobilien bedeutet nicht nur Zertifizierung. Viel wichtiger ist es für Investoren, die Nachhaltigkeit von ganzen Portfolios zu messen – inklusive nicht-zertifizierter Objekte. Für immer mehr institutionelle Investoren ist dies ein zentrales Investitionskriterium. Wie kann die Nachhaltigkeit gemessen und Portfolios vergleichbar gemacht werden? Eine Lösung bietet der GRESB-Standard (Global Real Estate Sustainability Benchmark) zur Bewertung der Nachhaltigkeit von Immobilienportfolios. Der Aufwand für das GRESB-Rating ist relativ hoch. Dem steht gegenüber, dass die Nachhaltigkeit des Portfolios transparent und das Portfolio damit aus Investorenperspektive zukunftsfähig wird.

LEED, BREAAM und DGNB: Nachhaltigkeit in der Immobilienbranche wird oft mit diesen gängigen Nachhaltigkeitslabeln gleichgesetzt. Diese Betrachtungsweise greift jedoch zu kurz. Denn zertifizierte Immobilien sind – gemessen am Gesamtbestand – immer noch eine kleine Nische. Vor allem wenn es darum geht, fundierte Aussagen über die Nachhaltigkeit von ganzen Portfolios zu treffen, helfen die Labels nicht weiter. Der bessere Ansatz ist daher, Kennzahlen für alle Objekte eines Portfolios zu erfassen.

Eine wichtige Orientierungshilfe bei der Messung und Steigerung der Nachhaltigkeit von Immobilienportfolios bietet GRESB (Global Real Estate Sustainability Benchmark). Dieses von Investoren initiierte Bewertungssystem soll die Nachhaltigkeitsperformance von Real Assets transparenter machen und steigern. Dazu wurde ein Standard zur Bewertung der Nachhaltigkeit von Immobilienportfolios weltweit entwickelt – unabhängig davon, ob die Objekte zertifiziert sind oder nicht. Es gibt neben GRESB auf dem Markt bisher kein vergleichbares Bewertungssystem. GRESB bewertet integrativ das Nachhaltigkeitsmanagement für ein Immobilienportfolio.

GRESB macht Portfolios vergleichbar

Keine Frage, eine Teilnahme an diesem Standard bedeutet zunächst großen Aufwand. Dies betrifft nicht nur den Fonds oder Asset Manager, sondern eine ganze Reihe weiterer beteiligter Akteure wie Property Manager, Facility Manager, Nutzer, Mieter, Dienstleister, Kommunen... Alle müssen Daten erheben, um das GRESB-Rating erfüllen zu können. Zum Stichwort Aufwand: Die aktuelle Fassung des Fragebogens umfasst allein 69 Seiten. Für die Beantwortung müssen große Mengen an Daten über das Portfolio erhoben werden. Dem Aufwand steht allerdings eine Reihe von Vorteilen gegenüber. Zunächst bekommen alle Beteiligten ein klares Bild von der Nachhaltigkeit eines Portfolios. Dies betrifft alle drei Dimensionen der Nachhaltigkeit – die wirtschaftliche, soziale und ökologische Dimension. Des Weiteren führt der Prozess des GRESB-Ratings dazu, dass neue Chancen und Einsparpotenziale im Zusammenhang mit der Nachhaltigkeit identifiziert werden – beispielsweise wenn Betriebskosten gesenkt werden können. Darüber hinaus werden Risiken im Zusammenhang mit Nachhaltigkeitsthemen früher sichtbar und damit besser gemanagt. Ein weiterer wichtiger Vorteil ist der direkt mögliche Vergleich mit der Peergroup. Ein Asset oder Property Manager kann sein Portfolio in Sachen Nachhaltigkeit direkt mit dem Wettbewerb vergleichen und bekommt eine Vorstellung, auf welchem Niveau er sich dabei bewegt.

GRESB-Standard macht Portfolios für viele institutionelle Investoren attraktiver

Darüber hinaus können Manager, die ein GRESB-Rating ihres Portfolios vorweisen können, anderen Marktakteuren gegenüber glaubhaft kommunizieren, dass Schritte zur Steigerung der Nachhaltigkeit des Portfolios unternommen werden. Dies führt direkt zum größten Vorteil einer Teilnahme an der GRESB-Benchmark: Kann ein Asset- oder Property Manager ein GRESB-Rating vorweisen, vergrößern sich damit seine potenziellen Kundengruppen. Er kann dann die wachsende Investorengruppe ansprechen, für die ein solches Rating zwingend erforderlich ist. Dies gilt insbesondere für angelsächsische institutionelle Investoren. Aktuell wird der Standard von mehr als 250 Investoren, darunter rund 60 Pensionsfonds, genutzt. Führen diese Fonds Investments durch, spielen Nachhaltigkeitskriterien eine entscheidende Rolle. Anders ausgedrückt: Asset- und Property Manager können für diese Investoren-Gruppe nur arbeiten, wenn sie den GRESB-Standard beherrschen.

Wie sieht das GRESB-Rating aus und wie wird es errechnet? Der Gesamt-GRESB-Score ist ein Wert zwischen Null und 100. Dieser Wert ist das zentrale Ergebnis des Berichts zu einer einzigen Kennzahl verdichtet. Dieses Rating-Ergebnis wird im Bericht aufgegliedert in drei Teilergebnisse – jeweils in den Bereichen ökologische, soziale und wirtschaftliche Nachhaltigkeit. Hier wird separat wieder ein Wert zwischen Null und 100 angegeben.

Sieben Kategorien gehen in den Gesamt-Score ein

Das Gesamt-Rating setzt sich aus insgesamt sieben Sub-Kategorien zusammen, die in unterschiedlicher Gewichtung in den Gesamt-Score eingerechnet werden. Auch hier wird pro Kategorie ein Wert zwischen Null und 100 vergeben.

Die sieben Kategorien sind:

  1. Management: Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit im Rahmen der Portfoliostrategie?
  2. Transparenz / Berichtswesen: Wie wird die Nachhaltigkeit im Unternehmen / Portfolio transparent gemacht?
  3. Risiken und Verbesserungsmöglichkeiten: Welche Maßnahmen ergreift das Unternehmen, um Risiken im Zusammenhang mit Korruption, Bestechung, Klimawandel und neuen Umweltregulierungen abzuwenden?
  4. Monitoring und Umweltmanagementsystem: Wird der Verbrauch von Ressourcen überwacht?
  5. Performance-Indikatoren: Hier werden die Daten zu Müllproduktion, Treibhausgasemission, Wasser- und Energie-Verbrauch erfasst.
  6. Gebäude-Zertifikate: Gibt es von unabhängigen Dritten erstellte Zertifikate zur Nachhaltigkeit von Einzelobjekten?
  7. Stakeholder-Engagement: Um die Nachhaltigkeit eines Portfolios zu steigern, ist die Kooperation von Mietern, Zulieferern und Mitarbeitern unerlässlich.    

Auch bei allen sieben Subkategorien wird ein Wert zwischen Null und 100 vergeben. Zudem wird als Referenz angegeben, wo der Durchschnitt der Peergroup in dieser Kategorie liegt. Damit ist sofort ersichtlich, ob ein Portfolio in diesem Segment unter- oder überdurchschnittlich abschneidet.

Problem: Vergleichbarkeit von Daten aufgrund regionaler Unterschiede

Ein Problem bei globalen Immobilienstandards wie GRESB ist die Vergleichbarkeit von Daten aus unterschiedlichen geografischen Regionen. Regionale Besonderheiten – seien sie klima- oder durch nationale Regulierungen bedingt – schmälern die Aussagekraft von Vergleichen. Diesem Problem trägt das Rating bei der Peergroup-Bildung Rechnung: Dabei werden regionale Besonderheiten und Spezifika berücksichtigt, damit die Einordnung eines Portfolios innerhalb der Peergroup aussagekräftig bleibt.   

Am Anfang stehen allgemeine Daten

Welche Daten müssen die Teilnehmer am GRESB-Rating nun genau liefern? Am Anfang stehen allgemeine Daten wie die Assets under Management, die Verteilung der Objekte auf die Nutzungsarten und Angaben darüber, wie das Thema Nachhaltigkeit organisatorisch und personell in das Unternehmen eingebunden ist. (Gibt es einen eigenen Nachhaltigkeitsbeauftragten oder ist das Thema der Geschäftsführung zugeordnet?)

Weitere Informationen müssen zum Berichtswesen geliefert werden. Wie sieht die Dokumentation und Kommunikation in Punkto Nachhaltigkeit aus? Ist sie Teil des Jahresberichts oder gibt es einen eigenen Nachhaltigkeitsbericht? Gibt es einen Nachhaltigkeitsbereich auf der Unternehmenswebseite? Findet das Thema Eingang in das Reporting an die Investoren? Gibt es eine Prüfung des Nachhaltigkeitsberichts von einem unabhängigen Dritten?

Einsparungen der letzten vier Jahre

Außerdem müssen Daten über die Maßnahmen eingereicht werden, die in den letzten vier Jahren umgesetzt wurden, um die Energie- und Wassereffizienz des Portfolios zu verbessern. Dazu muss angegeben werden, welchen Teil des Portfolios diese Maßnahmen betreffen und wieviel Kubikmeter Wasser sowie wie viele Megawattstunden Strom dadurch eingespart wurden.  

Beim Themenkomplex Monitoring muss dargestellt werden, welche Daten zum Ressourcenverbrauch erfasst werden: Werden Müllproduktion, Wasser und Energie-Verbrauch erfasst? Darüber hinaus müssen auch Angaben zum Ursprung der Daten gemacht werden. Wurden sie von einem Zähler abgelesen, wurden sie auf Basis von Rechnungen erhoben oder vom Mieter zur Verfügung gestellt?

Elektrizitäts-, Wärmeenergie- und Wasserverbrauch sowie Müll- und CO2-Produktion sind zentrale Kriterien

Die eigentlichen Verbrauchs- und Emissionsdaten müssen für die Kategorie „Performance-Indicators“ geliefert werden. Dazu zählt der Verbrauch an Elektrizität und Wärmeenergie in MWh. Dies muss aufgeschlüsselt werden in Gemeinschaftsflächen, für die der Vermieter verantwortlich ist, und die Mieterflächen, für die der Mieter Elektrizität und Heizung in Eigenregie bezieht. Auch der Ausstoß von Treibhausgasen wird – sofern dazu Daten erfasst werden – berücksichtigt. Dabei muss angegeben werden, wie viele Tonnen jährlich von den Immobilien in die Atmosphäre abgegeben werden, wie dieser Wert berechnet wird und auf welchen Teil der Gesamtfläche sich dieser Wert bezieht. Zudem muss der Wasserverbrauch in Kubikmetern angegeben werden – hier wieder getrennt nach Flächen, die dem Vermieter zuzuordnen sind, und Flächen, die auf den Mieter entfallen. Schließlich wird auch die Müll-Produktion erfasst. Wieviel Tonnen Sondermüll und wie viele Tonnen Restmüll wird produziert? Des Weiteren wird abgefragt, wie der Abfall entsorgt wird. Welcher Anteil des Mülls wird auf eine Deponie gebracht, welcher Teil verbrannt und welcher Teil weiterverwertet wird. 

Folgendes Beispiel soll die Angaben anschaulicher machen. Für einen rund 700 Mio. Euro schweren, europaweit investierenden Fonds, für den Vistra das Property Management übernimmt, sieht der GRESB-Report an dieser Stelle wie folgt aus: 2016 wurden 45.366 Megawattstunden Energie verbraucht. Dieser Wert bezieht sich auf 83 Prozent des Portfolios. Im gleichen Jahr wurden 4.794 Tonnen CO2 ausgestoßen (Basis hier: 100 Prozent der Flächen). Daneben wurden 79.045 Kubikmeter Wasser verbraucht und 2.319 Tonnen Müll produziert (Basis 100 Prozent bzw. 55 Prozent der Flächen).

Neben diesen konkreten Zahlen zu Energieverbrauch und Produktion von Müll und Treibhausgasen werden auch alle bestehenden Green-Building-Zertifikate und Energie-Ratings erfasst.

Alle Stakeholder müssen sich an Benchmarking beteiligen

Ein weiteres, wichtiges Anliegen des GRESB ist die Einbindung aller Stakeholder in das Nachhaltigkeits-Rating. Zu diesem Themenkomplex gehört zum Beispiel die Frage, ob es eine Mieterzufriedenheitsbefragung gibt und ob in den Standard-Mietverträgen Nachhaltigkeitsklauseln („grüne Mietverträge“) verwendet werden. Bei den grünen Mietverträgen muss genau angegeben werden, welche Themenbereiche von den Klauseln betroffen sind – beispielsweise Verbesserung der Arbeitsbedingungen, Energie-, Müll- und Wassermanagement, Monitoring etc.

Ebenfalls zum Themenkomplex Stakeholder gehört die Integration von Nachhaltigkeitsthemen in den Umgang mit Zulieferern und anderen externen Dienstleistern. Hier müssen die Teilnehmer am GRESB-Rating angeben, ob sie beim Thema Einkauf bestimmte Kriterien hinsichtlich der Auswahl der Geschäftspartner ansetzen. Dazu gehört die Frage, ob die Geschäftspartner Umweltstandards, Menschenrechtstandards, Gesundheitsstandards u.a. einhalten.  

 

Folgende Grafik zeigt die Ergebnisse des Portfolios (grüne Linie) sowie das der Peergroup (Grau) in den sieben Kategorien des GRESB-Standards

GRESB_Aspects.png

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Fazit: GRESB macht Portfolio durch Steigerung der Nachhaltigkeit und höhere Transparenz zukunftsfähig

Die umfangreichen Ausführungen zeigen: Die Teilnahme an GRESB ist mit hohem Aufwand verbunden. Es handelt es sich dabei nicht um eine einmalige Erfüllung der Vorgaben, sondern um einen kontinuierlichen, über mehrere Jahre dauernden Prozess. Im Rahmen dieses Prozesses steigt die Nachhaltigkeit eines Portfolios idealerweise kontinuierlich an. Dem hohen Aufwand steht gegenüber, dass das Portfolio dadurch für viele Investoren investierbar wird – nämlich für alle jene Institutionellen, die ihren Investments strikte Nachhaltigkeitskriterien zugrunde legen. Wenn der GRESB-Score dann noch überdurchschnittlich gut ist, wirkt sich dies auch positiv auf einen potenziellen Verkauf aus.

Die Hauptarbeit beim Umsetzen des GRESB -Standards entfällt auf den Property Manager. Er muss den Großteil der Daten in den Objekten erheben. Property Manager tun gut daran, sich mit dem GRESB-Standard zu befassen, da immer mehr internationale Investoren und Asset Manager diesen Standard vorgeben. Für Property Manager, die GRESB nicht umsetzen können, wird der Kundenkreis dagegen erheblich schrumpfen.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von Vistra Property Management
Erstveröffentlichung: Immobilien & Finanzierung, Ausgabe 2 / 2018

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