02.04.2019

Versteckte Bewertungsrisiken

Dr. Christian Reibis, Partner, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Baker Tilly GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
Dr. Christian Reibis

Publikumsfonds, die in Sachwerte investieren, müssen Vermögensgegenstände vor dem Ankauf und danach regelmäßig bewerten. In manchen Fällen müssen auch die Objektgesellschaften bewertet werden. Dabei gibt es große Unterschiede zwischen den Asset-Klassen.

„Jede Bewertung ist dehnbar“, sagte der Steuerberater Hubert Joost einmal und brachte damit das Dilemma, vor dem Bewerter in ihrem Berufsalltag regelmäßig stehen, auf den Punkt. Die Wertermittlung von Vermögensgegenständen wie Immobilien, Private Equity oder Erneuerbare-Energien-Anlagen ist komplex und kann unterschiedlich ausfallen. Die Bewertung wird noch komplizierter, wenn Immobilien nicht direkt, sondern indirekt, das heißt über Objektgesellschaften, erworben werden.

Um zu möglichst realitätsnahe Bewertungen zu kommen, hat der Gesetzgeber mit dem Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) ein umfassendes Bewertungsregime für alle Publikums-AIF eingeführt. Dieses tangiert nicht nur direkt erworbene Assets, sondern auch indirekt gehaltene Investments. Das heißt: Eine Objektgesellschaft muss vor dem Ankauf und in der Folge jährlich – bei offenen Immobilien-Publikumsfonds sogar quartalsweise – bewertet werden.

Immobilien: Verkehrswertgutachten gibt Orientierung

Wie sehen diese Bewertungen bei Immobilien aus? Will ein Fonds eine Objektgesellschaft ankaufen, muss der Nettovermögenswert dieser Gesellschaft ermittelt werden. Wichtigster Bestandteil dabei ist ein von einem Immobiliensachverständigen erstelltes Verkehrswertgutachten für die Immobilie.

Zu diesem ermittelten Wert werden die übrigen Vermögenswerte der Gesellschaft, wie beispielsweise Forderungen und liquide Mittel, addiert. Anschließend werden sämtliche Schulden der Gesellschaft – in der Regel die Bankfinanzierung und sonstige Verbindlichkeiten – abgezogen. Dieses Verfahren klingt zunächst sehr simpel. Der Teufel steckt jedoch auch hier im Detail.

Anschaffungsnebenkosten: Aktivieren oder nicht?

Eine der Detailfragen ist zum Beispiel der Umgang mit den Anschaffungsnebenkosten. Bei Immobilien sind das in der Regel die Grunderwerbsteuer, Notarkosten, Beratungskosten und Maklerkosten. Wird eine Immobilie direkt gekauft, dürfen diese Kosten aktiviert und über die voraussichtliche Dauer der Zugehörigkeit der Immobilie, maximal über zehn Jahre, abgeschrieben werden. Sie erhöhen also zunächst den Wert der Immobilie.

Bei einem indirekten Ankauf ist die Situation bei geschlossenen Fonds gesetzlich nicht klar geregelt. Nur ein Teil der Bewerter geht dabei analog zum Direkterwerb vor. Das Problem dabei: Allein die Grunderwerbsteuer beläuft sich in Deutschland auf bis zu 6,5 Prozent des Verkehrswertes. Die Frage, ob diese Kosten werterhöhend berücksichtigt werden, macht einen großen Unterschied beim Verkehrswert und wirkt sich damit natürlich auch auf den Nettoinventarwert eines Fonds aus, der den Anlegern regelmäßig mitgeteilt werden muss.

Latente Steuern – ein latentes Risiko

Eine andere Frage, auf die die Antworten nicht einheitlich sind, ist der Umgang mit latenten Steuern bei direkten Ankäufen. Kauft ein Fonds eine Objektgesellschaft und ist die gehaltene Immobilie schon weit abgeschrieben, ist regelmäßig davon auszugehen, dass Marktwert und Buchwert deutlich auseinanderfallen. Beim Ankauf der Anteile entstehen dadurch zunächst keine Steuern, denn die stillen Reserven werden nicht aufgedeckt.

Das Risiko für den Fonds besteht jedoch darin, dass die Immobilie nicht als Share Deal, sondern als Asset Deal wieder verkauft wird. Dann würden nämlich hohe Steuern anfallen. Aktuell müssen diese latenten Steuern bei der Bewertung nach dem Wortlaut der einschlägigen Verordnung nur bei ausländischen Immobilien berücksichtigt werden, bei inländischen Immobilien gibt es hingegen Interpretationsspielraum.

Wenn die spätere Veräußerung als Asset Deal wesentlich wahrscheinlicher ist als ein Share Deal, muss bei der Ankaufsbewertung die volle latente Steuerlast wertmindernd angesetzt werden. Ist dagegen ein Verkauf via Share Deal wahrscheinlicher, muss bei der Ankaufsbewertung ebenfalls ein Abschlag gemacht werden. Dieser Abschlag trägt der Tatsache Rechnung, dass der künftige Share-Deal-Käufer erneut das Risiko der latenten Steuern in der Gesellschaft übernimmt.

Die Höhe des Abschlags orientiert sich an der erwarteten Kaufpreisreduzierung aufgrund der latenten Steuern. In der Praxis ist dieser Abschlag jedoch regelmäßig geringer als die volle Höhe der latenten Steuern. Das Problem dabei: Es ist häufig überhaupt nicht vorhersagbar, ob eine Immobilie künftig via Asset Deal oder via Share Deal verkauft wird.

Ebenso ist die Höhe der Kaufpreisminderung infolge der latenten Steuerlasten schwierig vorhersehbar und eröffnet einen Ermessensspielraum. Aus den latenten Steuern ergibt sich ein zentrales Problem: Werden die Steuern voll angesetzt, kann es sein, dass im Ankaufsfall der Wert der Gesellschaft niedriger als der vereinbarte Kaufpreis ist. Dann darf gar nicht angekauft werden.  

Bewertungen in der Asset-Klasse Private Equity sind subjektiv

Während im Immobilienbereich immer ein Verkehrswertgutachten vorliegt, das Orientierung bei der Bewertung einer Objektgesellschaft bietet, ist die Bewertung in der Asset-Klasse Private Equity deutlich schwieriger. Private-Equity-Fonds investieren entweder direkt in Unternehmen oder indirekt via Zielfonds. Bei den direkten Investments muss ein operativ tätiges Unternehmen bewertet werden.

Diese Bewertung wird regelmäßig gemäß den Vorgaben des Wirtschaftsprüfer-Standards IDW S1 vorgenommen. Kernbestandteil ist das Ertragswert- oder ein Discounted-Cash-Flow-Verfahren, in deren Rahmen die künftigen Einzahlungsüberschüsse ermittelt und auf den heutigen Tag abgezinst werden. Die Schwierigkeit dabei: Häufig wird in Startups oder junge Unternehmen investiert. Ihnen mangelt es teilweise an fertigen Produkte und regelmäßigen Einnahmen.

Käufer können sich nur an Prognosen orientieren. Diese sind – was in der Natur der Sache liegt – mit sehr großer Unsicherheit behaftet. Der Bewerter hat also einen gewissen Ermessensspielraum. In der Praxis orientieren sich Wirtschaftsprüfer an den Planrechnungen der Unternehmen. Sie unterziehen diese einer kritischen Prüfung und nehmen dann gegebenenfalls erforderliche Anpassungen vor.

Investieren Private-Equity-Fonds nicht direkt, sondern in Zielfonds, muss der Nettovermögenswert des Zielfonds ermittelt werden. Das Problem in der Praxis ist hierbei oft, an die für eine Bewertung erforderlichen Informationen zu gelangen. So liegt zum Beispiel bei Zielfonds teilweise noch kein geprüfter Jahresabschluss vor, oder eine nur relativ geringe Beteiligung am Zielfonds erschwert die Möglichkeiten der Informationsbeschaffung. Der Wirtschaftsprüfer muss hier im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben pragmatische Wege finden, um eine ordnungsgemäße Bewertung sicherzustellen.

Erneuerbare Energien: Höhere Prognosesicherheit durch feste Vergütungen

In der Asset-Klasse Erneuerbare Energien muss ebenfalls ein operativ tätiges Unternehmen bewertet werden, das eine Energieanlage betreibt. Die Unsicherheit bei der Bewertung ist in der Regel kleiner als im Private-Equity-Bereich, da es bei Investitionen in Erneuerbare-Energien-Anlagen in Deutschland eine gesetzlich geregelte Einspeisevergütung gibt, die die Vergütung teilweise über einen Zeitraum von 20 Jahren festlegt sowie langfristige Wartungsverträge bestehen. Mit einem Ertragswertverfahren werden hier die prognostizieren Überschüsse abgezinst und so der Wert der Gesellschaft errechnet.

Fazit: Externe Bewertungen grundsätzlich sinnvoll

Die Pflicht zur Bewertung von Objektgesellschaften für AIF ist noch relativ neu. Sie wurde mit dem KAGB im Sommer 2013 für Publikumsfonds eingeführt. Zuvor gab es im Bereich der geschlossenen Fonds keine Pflichtbewertungen und auch keine externe Bewertung für Anteile an Gesellschaften.

Bei Spezialfonds sind Ankaufsbewertungen nicht zwingend vorgeschrieben, viele Kapitalverwaltungsgesellschaften (KVGen) führen sie aber aus Haftungsgründen dennoch durch. Wir stufen das Bewertungsregime mit der vorgeschriebenen externen Begutachtung vor Ankauf als grundsätzlich sinnvoll ein. Man muss sich jedoch bewusst sein, dass Bewertungen oft einen hohen Ermessensspielraum eröffnen und es den einen richtigen Wert häufig nicht gibt.

Eine unabhängige Bewertung kann jedoch verhindern, dass die KVGen zu teuer einkaufen. Oft genügt es schon, wenn die KVG in dem Bewusstsein agiert, dass ein externer Bewerter dem Kaufpreisangebot eine eigene Wertermittlung gegenüberstellt. Dies verhindert, dass zu hohe Preise geboten werden.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von Baker Tilly GmbH & Co. KG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
Erstveröffentlichung: private-banking-magazin.de, März 2019

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