Die Büroflächennachfrage in Deutschland wird sich deutlich ausdifferenzieren – regional und branchenspezifisch
Die Zukunft des Büroflächenmarktes wird kontrovers diskutiert. Pessimisten verweisen auf die zurückgehende Anzahl der Erwerbsfähigen, die zunehmende Flächeneffizienz und den steigenden Homeoffice-Anteil und erwarten auf breiter Front eine sinkende Büroflächennachfrage. Optimisten halten dagegen und begründen ihre Zuversicht mit noch unerschlossenen Arbeitskräftepotenzialen und einer Zunahme wissensbasierter und wertschöpfungsstarker Dienstleistungen, die die Büroimmobilie für eine kreative und dialogintensive Zusammenarbeit auch in Zukunft unverzichtbar macht.
In der Studie „Perspektive Büroflächenmarkt Deutschland 2014“ hat sich Wüest & Partner gemeinsam mit dem Beratungsunternehmen Ottenströer den Fragen angenommen, wo anhand von Daten und Fakten kurz- bis mittelfristig Büroarbeitsplätze entstehen werden und welche Auswirkungen auf die Immobilienmärkte zu erwarten sind.
Beschäftigungsentwicklung und Erwerbspotenzial
Kurz- bis mittelfristig ist im Rückblick auf die vergangenen fünf bis zehn Jahre von einem weiteren Anstieg der Bürobeschäftigung auszugehen. Die Voraussetzung ist, dass die ökonomischen Rahmenbedingungen mit einem durchschnittlichen Wachstum des Bruttoinlandprodukts von plus 1,3 Prozent seit 2003 konstant bleiben. Die Büroflächennachfrage hängt von der Entwicklung der Beschäftigten in den Dienstleistungsbranchen ab, die ein überdurchschnittlich hohes Wachstum erwarten lässt.
Die Zahl der Erwerbsfähigen wird nach Prognosen des Statistischen Bundesamtes insgesamt abnehmen, wonach Rückgänge von 2013 bis 2020 um 3,5 Prozent, bis 2030 um 12,4 Prozent und bis 2050 sogar um 22 Prozent zu erwarten sind. Die demografischen Risiken bestehen demnach weniger in der kurzfristigen Perspektive, wohl aber auf lange Sicht.
Ob und wie sich der Bevölkerungsrückgang in der Büroflächennachfrage niederschlagen wird, hängt davon ab, ob zusätzliche Arbeitskräftepotenziale aktiviert werden. Die verstärkte Zuwanderung nach Europa und Deutschland ist dabei ein Aspekt, der mehr und mehr an Bedeutung gewinnt. Auch eine höhere Erwerbsbeteiligung von Frauen und insbesondere Müttern sowie die Steigerung der Erwerbsquote älterer Menschen sind gangbare Wege, um Arbeitskräftepotenziale zu heben. Zusätzliche Nachfrage nach Büroflächen entsteht außerdem bei einem weiteren Rückgang der Arbeitslosigkeit und voranschreitender Qualifizierung. Zuguterletzt führen auch verkürzte Ausbildungszeiten zu einem früheren Eintritt ins Erwerbsleben und damit einer steigenden Zahl an Erwerbsfähigen. Verschiedene Wirtschaftsinstitute gehen davon aus, dass die Aktivierung dieser Potenziale den Rückgang der Zahl der Erwerbsfähigen bis 2035/40 kompensieren wird. Kurz- bis mittelfristig (bis 2020) sind demnach keine signifikanten negativen Auswirkungen auf die Büroflächennachfrage zu erwarten.
Entwicklung nachfragerelevanter Faktoren
Die Homeoffice-Tätigkeit steigt und die Büroflächennachfrage sinkt deswegen – so eine weit verbreitete Annahme. Die Daten und Fakten zeichnen ein anderes Bild: Laut Statistischem Bundesamt arbeitete 1996 ein Anteil von 8,8 Prozent aller abhängig beschäftigten Erwerbstätigen hauptsächlich oder manchmal von zu Hause aus. Dieser Wert stieg bis 2008 auf 9,7 Prozent und sank seitdem auf 7,7 Prozent.
Der Büroflächenbedarf pro Mitarbeiter wirkt sich ebenfalls kaum auf die Nachfrage aus. Jones Lang LaSalle befragte 2009 dazu 220 Unternehmen. Zwischen 2001 und 2009 blieb der Flächenbedarf pro Mitarbeiter konstant bzw. er stieg sogar leicht an auf durchschnittlich 33,2 Quadratmeter. Eine vielfach erwartete Erhöhung der Flächeneffizienz durch eine sinkende Bürofläche pro Mitarbeiter ist demnach nicht eingetreten.
Die für die Unternehmen entscheidenden Raumkosten pro Arbeitsplatz liegen trotz vergleichsweise großer Büros im europäischen Mittelfeld und die fortschreitende Verschiebung zu wertschöpfungsintensiven Dienstleistungen lässt den Büroflächenbedarf pro Arbeitsplatz eher ansteigen als absinken. Die kleiner bemessenen Arbeitsplätze in Großraumbüros werden meist mit Sozialräumen und Begegnungszonen kompensiert. Wenn überhaupt, dann ist in Deutschland nur mit leicht sinkenden Büroflächen pro Arbeitsplatz zu rechnen.
Regionale Verteilung der Büroflächennachfrage
Für eine fundierte Einschätzung der Entwicklung der Nachfrage nach Büroflächen sind der regionale Branchenbesatz in Verbindung mit den branchenspezifischen Entwicklungsperspektiven und den Büroflächenquoten zu betrachten.
Prognose der Büroflächennachfrage bis 2020
Für die Prognose der Entwicklung der Bürobeschäftigten bis 2020 wurde mit nur 50 Prozent der branchenspezifischen Steigerungsraten der Vorjahre ein positives, aber schwächeres Wirtschafts- und Beschäftigungswachstum im Vergleich zu den vergangenen fünf Jahren angenommen. Im Durchschnitt ist in diesem Szenario bis 2020 jährlich eine zusätzliche Zahl von 80.000 Bürobeschäftigten mit entsprechender Büroflächennachfrage zu erwarten. In einem linearen Szenario mit identischen Wirtschafts- und Beschäftigungswachstum wie in den vergangenen 5 Jahren wäre die Zahl der zusätzlichen Bürobeschäftigten pro Jahr doppelt so hoch.
Die zusätzliche Büroflächennachfrage wird hauptsächlich von den Dienstleistungsbereichen ausgehen. Schwerpunkte sind die freiberuflichen, wissenschaftlichen und technischen Dienstleistungen, das Gesundheits- und Sozialwesen und die sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen.
Die konservative Trendfortschreibung ergibt eine durchschnittliche jährliche Zusatznachfrage von rund 2 Millionen Quadratmeter Gesamtfläche. Bei der Berechnung wurden die branchenspezifischen Flächenbedarfe pro Büroarbeitsplatz und ein Abschlag um 25 Prozent aufgrund einer potenziellen Flächeneffizienzsteigerung bei der Zusatznachfrage berücksichtigt.
Zukünftige Zielgruppen für Büroflächen
In der Studie wurden in einem Scoring aufbauend auf vier Bewertungskriterien die Branchen ermittelt, die Büroflächen zukünftig am stärksten nachfragen werden. Die freiberuflichen und wissenschaftlichen und technischen Dienstleistungen sind die zukünftig stärkste Nachfragergruppe. Es folgen das Gesundheits- und Sozialwesen, die Informations- und Kommunikationsbranche, das verarbeitende Gewerbe, das Finanz- und Versicherungsgewerbe und die Öffentliche Verwaltung.
Fazit
Finanzdienstleiser und Versicherungen waren bis zum Ausbruch der Finanz- und Staatskrisen für Büroanbieter eine der wichtigen und durch ihren Repräsentationsanspruch zahlungsbereitesten Nachfragergruppen mit einem großvolumigen Flächenbedarf. Ob sie wieder auf alte Wachstumspfade zurückfinden werden, ist noch offen. Bestandshalter, Investoren und Projektentwickler können mit einer steigenden Nachfrage durch Branchen rechnen, die zwar in der Summe hohe Flächenvolumina benötigen, deren Zahlungsbereitschaft und -fähigkeit aber tendenziell geringer ist und die kleinteilig anzumietende und flexibel nutzbare Büroflächen benötigen.
Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von Wüest & Partner W&P Immobilienberatung
Erstveröffentlichung: 15.09.2014, Immobilien & Finanzierung - Der Langfristige Kredit