27.02.2018

Shoppingcenter vs. Onlinehandel

Das Zeitalter der Shoppingcenter dauert an – Handlungsfelder für Investoren und Eigentümer

Martin Mörl, Geschäftsführer, Girlan Immobilien GmbH
Martin Mörl

Mymuesli, Cyberport und Amazon mit ersten eigenen stationären Buchläden. Dies sind perspektivisch alles potenzielle Mieter für Shopping Center, obwohl diese Unternehmen vor kurzem ausschließlich online tätig waren. Nun eröffnen Sie aber zunehmend neue stationäre Filialen. Das Beispiel zeigt, die Mieterzusammensetzung eines Shopping Centers mag sich zwar wandeln, aber das Shopping Center ist und bleibt attraktiv – auch im digitalen Zeitalter. Wenn das Shopping Center Management auf die richtigen Handlungsfelder achtet und die klassischen Standortfaktoren positiv sind, werden auch künftig Kundenfrequenz, Aufenthaltsdauer, Umsätze und Mieteinnahmen sich erhöhen.

Marktsättigung und Modernisierungsstau

Aktuell gibt es rund 480 größere Einkaufszentren in Deutschland. Die Shopping Center-Dichte hierzulande ist im europäischen Vergleich gering – dennoch ist der Markt aufgrund des intensiven stationären Wettbewerbs im deutschen Einzelhandel grundsätzlich gesättigt. In diesem Jahr wird nicht ein klassisches Shopping Center in Deutschland neu eröffnen. 2018 werden voraussichtlich acht neue Objekte mit einer Größe von mindestens 10.000 Quadratmetern fertiggestellt, unter anderem in Husum. Der Bestand ist darüber hinaus in die Jahre gekommen. Rund zwei Drittel aller deutschen Shopping Center wurden vor dem Jahr 2000 gebaut, weniger als 20 Prozent öffneten in den vergangenen zehn Jahren. Nach unseren Schätzungen haben mindestens 50 Prozent der deutschen Shopping Center einen deutlichen Modernisierungsrückstand - mit entsprechenden Folgen für die Attraktivität, Mieterstruktur und Umsätze.

Mangel an Rendite und Transaktionsobjekten

Das Transaktionsvolumen von deutschen Gewerbeimmobilien lag laut JLL 2016 bei 52,9 Milliarden Euro. Der Anteil von Shopping Centern betrug 3,6 Milliarden Euro. Im Jahr 2015 betrug das Transaktionsvolumen von Shopping Centern noch mehr als 5,5 Milliarden Euro. Die Spitzenrenditen sanken auf vier Prozent im Jahr 2016. Dem hohen Investoreninteresse steht als limitierender Faktor der Mangel an angebotenen Objekten gegenüber. Zum einen werden sehr wenige neue Shopping Center fertiggestellt. Zum anderen will kaum jemand sehr gute Core-Objekte verkaufen, weil einerseits viele Anleger gern Core-Objekte im Portfolio haben und andererseits nur wenige Möglichkeiten der Re-Investition bestehen. Unterhalb von Core-Objekten sind zahlreiche problematische Shopping Center auf dem deutschen Markt, von denen nicht viele ausreichend Value-Add-Potenzial besitzen und bei denen die Preiserwartungen von Verkäufern und Käufern häufig weit auseinander liegen. Zudem steigen gerade in schwächeren Shopping Centern die Leerstände, was zumeist direkten Einfluss auf das jeweilige Mietniveau hat.

Einzelhandelsmieten mit großem Spread

Die Einzelhandelsmieten in deutschen Shopping Centern sind in Bewegung – mit großen Unterschieden je nach Lage und Objekt. Einerseits steigen in guten und sehr guten Lagen die Mieten, weil Einzelhändler vorhandene Umsatzpotenziale heben wollen und auch bereit sind, entsprechende Mietniveaus zu akzeptieren. Andererseits sinken besonders in schwächeren Shopping Centern und Nebenlagen die Einzelhandelsmieten deutlich, weil Umsatzpotenziale schwinden. Dazu kommt: die Preissensibilität und Erwartungshaltung potenzieller Mieter in Einzelhandelsimmobilien nehmen tendenziell zu. Die Mieter sind anspruchsvoll, prüfen intensiv und haben sehr konkrete Vorstellungen beispielsweise über die Flächenzuschnitte und Shop-Fassaden. Die Verhandlungsdauer der Mietverträge nimmt zu, ebenso die Zahl der Verhandlungspunkte, wohingegen die Mietvertragsdauer tendenziell abnimmt.

Handlungsfelder für Investoren und Betreiber

In fünf Jahren wird es in Deutschland nicht mehr Shopping Center geben als heute. Mit Blick auf den veralteten Bestand und die geringe Neubautätigkeit ist in den kommenden Jahren deshalb von einer Marktbereinigung auszugehen. Neue Einkaufszentren an aussichtsreichen Standorten werden weiterhin entwickelt – zahlreiche schwache Objekte werden jedoch vom Markt verschwinden. Die notwendige Handlungsbereitschaft und günstige Fundamentaldaten vorausgesetzt, können fünf wesentliche Handlungsfelder (über Multichannel etc. hinaus) identifiziert werden:

Refurbishments

Das mit Abstand wichtigste Thema für Eigentümer, Center Manager und Betreiber ist das Refurbishment vorhandener Shopping Center. Der alte Gebäudebestand, die strukturellen Veränderungen im Einzelhandel sowie die kürzer werdenden Renovierungszyklen machen Refurbishments – verstanden als umfassende Anpassung eines bestehenden Objekts an aktuelle Anforderungen unter Beibehaltung der Nutzungsart – zu dem zentralen Handlungsfeld. Sowohl die Erwartungen der Mieter als auch die der Kunden an Shopping Center sind andere als vor fünf Jahren. Die Risiken ausbleibender Investitionen sind groß: eine sinkende Kundenfrequenz und damit Umsatzrückgang, Leerstand und Wertverlust für Eigentümer sind in den allermeisten Fällen die Folge. Demgegenüber können unrentable oder schwächere Objekte Ausgangspunkt einer Repositionierung sein, an dessen Ende zufriedene Investoren, Mieter, Besucher und Kommunen stehen.

Gastronomie

Der Anteil der Gastronomie in Shopping Centern wächst in Deutschland erkennbar. Die gastronomischen Angebote werden spezialisierter und sprechen klar definierte Zielgruppen in verschiedenen Preis- und Qualitätssegmenten an. Dabei wird Gastronomie von den Besucherinnen und Besuchern als Mehrwert und Bestandteil einer besonderen Aufenthaltsqualität empfunden und befriedigt den Wunsch nach sozialem Kontakt und Freizeitbeschäftigung. Betreiber profitieren dabei von einer höheren Kundenfrequenz und einer längeren Aufenthaltsdauer. Mittlerweile ist Gastronomie – mit einem Flächenanteil von inzwischen 10 bis 20 Prozent – ein potenzieller Ankermieter in Shopping Centern.

Mieter- und Branchenmix

Für den wirtschaftlichen Erfolg eines Shopping Centers ist ein standortgerechter, unverwechselbarer und möglichst online-resistenter Mieter- und Branchenmix mit gezielter Mieterauswahl wichtiger denn je. Denn er sorgt für die notwendige Kundenfrequenz und erhöht das Umsatzpotenzial für den gesamten Standort. Nach unserer Erfahrung ist eine ausgewogene, auf die lokale Situation und Nachfrage angepasste Mischung aus internationalen Marken, überregional bekannten Händlern und lokalen Angeboten erfolgversprechend. Besonderen Stellenwert sollten ein ausgeprägter Nahversorgungscharakter, eine weitgehende Integration in die Stadt sowie eine erkennbare lokale Verankerung einnehmen. Daneben wichtig: der Mieter- und Branchenmix muss kontinuierlich analysiert und optimiert werden, denn das stationäre und digitale Wettbewerbsumfeld verändert sich stetig.

Integration weiterer Nutzungsarten

In der Öffnung der Shopping Center für weitere, arrondierende Nutzungen liegen aus unserer Sicht enorme Chancen, die Attraktivität des Objekts und die Besucherfrequenz nachhaltig zu erhöhen und unterschiedliche, komplementäre Zielgruppen anzusprechen. Wenn entsprechende Rahmenbedingungen stimmen, sind insbesondere Hotels, Kindertagesstätten, Fitnessanbieter, Ärzte, Dienstleistungen und Kinos für eine Integration in Shopping Center geeignet. Mit Blick auf aktuelle Shopping Center-Projekte in Deutschland wird klar, dass der Trend zur Integration unterschiedlicher Nutzungen ein nachhaltiger sein wird.

Positionierung

Seit einigen Jahren sind die Themen Branding, Marketing und Positionierung von herausgehobener Bedeutung für den stationären Einzelhandel und insbesondere für Shopping Center. Ohne eine Positionierung durch Sortimentsschwerpunkte können Einkaufszentren nicht mehr am Markt bestehen. Zum Thema Positionierung zählt dabei die Gesamtheit aller Aspekte, die den Betrieb und das Management eines Einkaufszentrums ausmachen: der Branchen-, Dienstleistungs- und Mietermix mit erkennbarer Fokussierung, die Ausrichtung auf bestimmte Zielgruppen, eine Ausrichtung auf Convenience oder Erlebnis, aber auch das Branding, Events, das Interieur und das Außendesign.

Fazit: Gute Perspektiven in einem herausfordernden Umfeld

Deutschland ist und bleibt ein sehr attraktiver Einzelhandelsmarkt. Der Einzelhandelsumsatz lag im Jahr 2015 bei insgesamt 471,5 Milliarden Euro – Tendenz steigend. Der Online-Handel machte 8,7 Prozent Umsatzanteil bzw. fast 40 Milliarden Euro aus – mit inzwischen nur noch einstelligen Wachstumsraten. Aufgrund des Strukturwandels im Einzelhandel, des Mangels an Transaktionsobjekten, des veralteten Gebäudebestand und der veränderten Mietererwartungen muss der Fokus von Investoren und Betreibern deutlich stärker auf dem „Fitmachen“ bestehender Objekte liegen. Bei Value Add-Objekten können durch Refurbishments sehr große Miet- und damit Wertsteigerungspotenziale gehoben werden. Bei Core-Objekten kann eine gezielte Nachvermietung eine bereits gute Performance weiter verbessern. Mit Projektentwicklungen kann an besonderen Standorten nach wie vor gutes Geld verdient werden. Gerade die Lage sollten Investoren und Betreiber zukünftig viel intensiver prüfen: Standortqualität, Verkehrsanbindung, Kundenfrequenz, Kaufkraft, Einzugsgebiet, Wettbewerbssituation und nicht zuletzt die demografische und wirtschaftliche Entwicklung sind in Zukunft noch wichtiger für den Erfolg eines Assets. Eigentümer und Betreiber werden dann angemessene Renditen erwirtschaften, wenn die Umsatzpotenziale in einem Shopping Center stimmen und die Mieter hohe Umsätze generieren können.

Kurzüberblick 1: Herausforderungen für Investoren

  • Sinkende Spitzenrendite (nach JLL 4 Prozent in 2016)
  • Grundsätzliche Marktsättigung
  • Geringe Neubautätigkeit
  • Alter Gebäudebestand
  • Häufig Modernisierungsstau
  • Mangel an Transaktionsobjekten
  • Marktbereinigung zu erwarten
  • Anspruchsvolle Mieter

Kurzüberblick 2: Handlungsfelder für Eigentümer

  • „Fitmachen“
  • Refurbishments
  • Gastronomie mit neuen, zielgruppenspezifischen Konzepten
  • Mieter und Branchenmix mit gezielter Mieterauswahl
  • Integration arrondierender Nutzungen, wie z.B. Hotel oder Fitness
  • Positionierung durch Sortimentsschwerpunkte
  • Center ManagementKompetenz
  • Ziele: Steigerung von Frequenz, Aufenthaltsdauer, Umsatzerlösen, Mieteinnahmen

Kurzüberblick 3: Investitionskriterien für Shopping Center

  • Standortqualität
  • Verkehrsanbindung und Parkplatzsituation
  • Kundenfrequenz
  • Kaufkraft
  • Einzugsgebiet
  • Wettbewerbssituation
  • Ökonomische Perspektive
  • Demografische Perspektive

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von Prelios Immobilien Management GmbH
Erstveröffentlichung: Immobilien & Finanzierung 21/2017

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