08.09.2019

Update: „Berliner Mietendeckel"

Referentenentwurf der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung

Dr. Christian Schede, Managing Partner und Leiter der Branchengruppe Immobilien, Greenberg Traurig Germany, LLP
Dr. Johann-Frederik Schuldt, Associate, Greenberg Traurig Germany, LLP
Dr. Christian Schede

Die Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen hat am Abend des 2. September 2019 den Referentenentwurf für ein Landesgesetz zur Einführung eines Berliner Mietendeckels veröffentlicht. Der Entwurf basiert auf den vom Senat am 18. Juni 2019 beschlossenen Eckpunkten zum Mietendeckel (siehe unseren Newsalert vom Juli 2019). Er berücksichtigt zudem den Kompromiss der Koalitionsparteien zum Mietendeckel von Ende vergangener Woche. Nächste Woche findet die Anhörung der Verbände statt. Nach weiterer Abstimmung mit den beteiligten Ressorts soll der Senat bis Mitte Oktober den Gesetzentwurf verabschieden und an das Abgeordnetenhaus zur Beratung und Beschlussfassung weiterleiten. Das neue Gesetz soll Anfang Januar 2020 in Kraft treten.
 
Die Regelungen des Gesetzentwurfs

Der Referentenentwurf entspricht im Wesentlichen den Eckpunkten des Senatsbeschlusses vom 18. Juni 2019. Er enthält jedoch einige Präzisierungen und Ergänzungen. Nach dem Entwurf soll der Mietendeckel wie folgt ausgestaltet sein:

  • Der Mietendeckel soll in ganz Berlin für eine Dauer von fünf Jahren gelten. Er erfasst sämtliche Wohnraummietverhältnisse, also auch umfassend modernisierte und möblierte Wohnungen sowie Kurzzeit-Mietmodelle. Ausgenommen sind lediglich
    • seit dem 1. Januar 2014 fertiggestellte Neubauten (sowohl hinsichtlich der Erstvermietung als auch hinsichtlich sämtlicher Anschlussvermietungen)
    • öffentlich geförderte Wohnungen sowie
    • Wohnheime.
  • Mit Inkrafttreten des Gesetzes soll ein Mietenstopp für Bestandsmieten gelten. Die Mieten werden auf dem Stand vom 18. Juni 2019 eingefroren. Der Mietenstopp erfasst auch vereinbarte Index- und Staffelmieten.
  • Zusätzlich sollen Mietobergrenzen eingeführt werden, deren Höhe von der Baualtersklasse und Ausstattung der Wohnung (mit/ohne Sammelheizung, mit/ohne Bad) abhängt. Der Entwurf definiert insgesamt 12 Mietobergrenzen, die zwischen 3,92 und 9,80 Euro pro Quadratmeter liegen.
    • Eine Differenzierung nach der Lage der Wohnung oder sonstigen Ausstattungsmerkmalen findet nicht statt.
    • Die Mietobergrenze schließt Mobiliar und Ausstattungsgegenstände bereits ein. Zuschläge dürfen dafür nicht erhoben werden.
    • Die Mietobergrenze kann sich um maximal 10 Prozent erhöhen, wenn die Wohnung eine von maximal zwei Wohnungen in einem Gebäude ist.
    • Wurde die Wohnung in den letzten 15 Jahren modernisiert, kann die bisherige Modernisierungsumlage weiterhin erhoben werden – allerdings nur bis maximal 1,40 Euro pro Quadratmeter; bei Modernisierungen nach Inkrafttreten des Gesetzes bei maximal 1 Euro pro Quadratmeter
    • Die jeweils geltende Mietobergrenze darf bei der Wiedervermietung und bei der erstmaligen Vermietung (z.B. von zuvor gewerblich genutzten Räumen) nicht überschritten werden.
  • Liegt die Miete in laufenden Mietverhältnissen bereits über der Mietobergrenze, soll der Mieter beim Bezirksamt einen Antrag auf Absenkung der Miete auf die Mietobergrenze stellen können, wenn seine bisherige Nettokaltmiete 30 Prozent seines Haushaltseinkommens übersteigt. Bei der Berechnung der Mietbelastung wird unabhängig von der konkreten Wohnungsgröße allerdings nur der Teil der Miete berücksichtigt, der auf die nach Sozialrechtsstandards grundsätzlich angemessene Wohnfläche entfällt:
    • 50 Quadratmeter bei Ein-Personenhaushalten
    • 65 Quadratmeter bei Zwei-Personenhaushalten
    • 80 Quadratmeter bei Drei-Personenhaushalten
    • 90 Quadratmeter bei Vier-Personenhaushalten sowie
    • 12 Quadratmeter für jede weitere zum Haushalt gehörende Person.
  • Solange die Mietobergrenze in laufenden Mietverhältnissen nicht überschritten ist, sollen Mietsteigerungen von jährlich bis zu 1,3 Prozent zulässig sein ("atmender Mietendeckel").
  • Vermieter sollen verpflichtet werden, Mietern vor Abschluss eines neuen Mietvertrages unaufgefordert Auskunft über die für die jeweilige Wohnung zum 18. Juni 2019 geltende Miete zu erteilen sowie den Mietern Auskunft über die für die Berechnung der Mietobergrenze relevanten Alters- und Ausstattungskriterien zu geben. Diese Informationspflicht soll auch in laufenden Mietverhältnissen während der ersten zwei Monate ab Inkrafttreten des Gesetzes gelten.
  • Modernisierungen, die zu einer Mietsteigerung von bis zu 1 Euro pro Quadratmeter führen, müssen beim Bezirksamt lediglich angezeigt werden. Nur Modernisierungen, die zu einer höheren Mietsteigerung führen bedürfen der Genehmigung. Die Erteilung einer Genehmigung setzt voraus, dass die Kosten für die Maßnahme angemessen und unabweisbar waren. Ferner setzt sie voraus, dass
    • eine gesetzliche Verpflichtung zur Modernisierung besteht,
    • die Modernisierung zur Erreichung von Klimaschutzzielen erforderlich ist,
    • die Modernisierung der Beseitigung oder Verminderung von Barrieren dient oder
    • die Modernisierung zur Behebung erheblicher Ausstattungsdefizite erforderlich ist.
  • Bei wirtschaftlichen Härtefällen soll das Bezirksamt auf Antrag des Vermieters eine höhere Miete genehmigen können. Ein Härtefall liegt vor, wenn eine nach dem Mietendeckel-Gesetz maximal zulässige Miethöhe auf Dauer zu Verlusten oder zu einer Substanzgefährdung der Wohnung führen würde.
  • Das Einfordern von höheren Mieten als nach dem Mietendeckel-Gesetz zulässig soll mit einer Geldbuße bis zu 500.000 Euro geahndet werden können. Das Gleiche gilt, wenn der Vermieter seine Auskunftsverpflichtungen gegenüber dem Mieter nicht erfüllt.

Unsere rechtliche Beurteilung
Auch wenn der Referentenentwurf im Vergleich zu den in den vergangenen Monaten diskutierten Vorschlägen etwas abgeschwächt wurde, verstoßen die vorgesehenen Regelungen nach unserer Auffassung für die privaten, freifinanzierten Wohnungsbestände gegen das Grundgesetz.

Dem Land Berlin fehlt die erforderliche Gesetzgebungskompetenz. Die Senatsverwaltung liefert dazu keine Begründung. Sie verweist nur generell darauf, dass sie das Mietendeckel-Gesetz als öffentlich-rechtliches Mietpreisrecht auf die Gesetzgebungsbefugnis für das Wohnungswesen stütze. Die vorgesehenen Mietendeckel-Regelungen greifen jedoch direkt in das Vertragsverhältnis zwischen Mieter und Vermieter ein. Konkret soll die Anwendung der heute geltenden Mietpreisbestimmungen des BGB verboten werden. So sollen etwa nach dem 18. Juni 2019 vorgenommene Mieterhöhungen in laufenden Mietverhältnissen ab dem Inkrafttreten des Mietendeckel-Gesetzes unwirksam sein. Damit wird die vom Bund abschließend ausgeübte Gesetzgebungskompetenz für das Bürgerliche Recht ausgehebelt.

Zudem nimmt der Referentenentwurf zahlreiche willkürliche Differenzierungen vor – insbesondere bei der Festsetzung der Mietobergrenzen. Dies dürfte in vielen Fällen das verfassungsrechtliche Gleichheitsgebot verletzen. Darüber hinaus dürften die jetzt konkretisierten Mietabsenkungen mit Bußgeldbewehrung einen Eingriff in die verfassungsrechtlich geschützten Eigentümerrechte darstellen.

Ausblick

Angesichts der konkretisierten Regelungsvorschläge erwarten wir, dass der Berliner Mietendeckel vor den Verfassungsgerichten auf Bundes- oder Landesebene angegriffen wird. Das wird jedoch erst nach dem Inkrafttreten Anfang 2020 möglich sein.

Nach dem derzeitigen Stand des Gesetzentwurfes sehen wir Ansatzpunkte, die Anwendbarkeit des Gesetzes im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes bis zur Klärung der Verfassungsmäßigkeit außer Kraft zu setzen.

Unsere Experten im Verfassungs- und Mietpreisrecht haben schon vor Monaten die ersten kritischen Stellungnahmen zu den Mietendeckelplänen veröffentlicht. Mit dieser Expertise stehen wir Ihnen auch weiterhin zur Verfügung. Sprechen Sie uns gerne an.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von Greenberg Traurig, LLP.
Erstveröffentlichung: Unternehmenseigener Blog und Newsletter, September 2019

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