02.06.2020

Die Neue Art zu arbeiten

„Die Angst vor Veränderung ist manchmal größer als die Bereitschaft, sich zu verändern.“

Richard Gerritsen, Senior Director, Yardi Systems GmbH
Richard Gerritsen

Der Ausbruch des Coronavirus liefert uns einen gewichtigen Grund, die Digitalisierung zahlreicher Arbeitsprozesse auf die nächste Stufe zu heben. „Angesichts der sozialen Distanzierung besteht sowohl ein Bedarf als auch der Wunsch nach Onlinediensten für die Wohnungsvermarktung“, sagt Richard Gerritsen, Regionalvertriebsdirektor für Europa bei Yardi. Die dafür erforderlichen technischen Tools sind bereits verfügbar.

Laut Gerritsen wird der technologische Wandel in der Immobilienbranche selten strategisch betrachtet. „Kunden wollen operative Lösungen. Die Anbieter reagieren darauf, indem sie Apps für ganz bestimmte Zwecke zur Verfügung stellen. Der Einsatz solcher Tools bietet zweifellos einen Mehrwert, ändert aber nicht die Art, wie wir arbeiten. Ob Objektverwalter, Assetmanager oder Fondsmanager: Ich bin fest davon überzeugt, dass der Einsatz von Technologie Teil Ihrer Geschäftsstrategie sein sollte. Oft mangelt es an einer grundlegenderen Betrachtung des Potenzials von Proptech, aber aktuell besteht ein beispielloser Anreiz, dies zu ändern.“

Alte Gewohnheiten lassen sich nur schwer ablegen
Gerritsen bezieht sich auf Geschäftspraktiken, die seit Jahrzehnten bestehen. Sie mögen bequem und vertraut sein, sind aber keine Best Practices. „Technologie verändert unsere Art zu leben auf drastische Weise. Das Coronavirus hat dazu geführt, dass wir uns an neue Arten der Kommunikation gewöhnt haben. In der Immobilienbranche scheinen die Veränderungen aber nicht angekommen zu sein. Wir müssen jetzt strategische Entscheidungen treffen, um für die Zukunft gerüstet zu sein.“

Dennoch ist Gerritsen der Ansicht, dass die Technologie, die das Management von Wohn- und anderen Immobilien revolutionieren kann, bereits verfügbar ist. Er verweist auf die USA, wo es zu jeder Tageszeit möglich ist, ein Objekt zu besichtigen – auch ohne einen Immobilienmakler. Stattdessen führt Alexa die Besichtigung durch. „Derzeit müssen wir eineinhalb Meter Abstand zu allen halten, die nicht in unserem Haushalt leben. Technologien wie diese könnten in der Zeit der sozialen Distanzierung sehr hilfreich sein.“

Neue Art zu arbeiten
Gerritsen umreißt, wie eine Besichtigung aussehen könnte: Der potenzielle Mieter vereinbart online einen Termin und besichtigt dann das Objekt. Zugang erhält er mit einem Smart-Lock-Code. Der potenzielle Mieter wird von Alexa begrüßt, die ihm alle relevanten Informationen über das Objekt zur Verfügung stellen und Fragen beantworten kann. „Bereits existierende Technologie kann genutzt werden, Besichtigungen auf eine ganz andere Art und Weise durchzuführen“, erklärt Gerritsen.

Auch der Vermietungsprozess, der den Austausch von Dokumenten und andere Prozesse beinhaltet, könnte neu gedacht werden. „Es ist absolut normal, ein Hotelzimmer über eine App zu buchen. Ein Mietvertrag könnte auf ähnliche Weise über ein Selbstbedienungssystem, einschließlich der Möglichkeit, digital zu unterschreiben, vereinbart werden. Die Schlüsselübergabe könnte auch darin bestehen, den Code für das Smart Lock zur Verfügung zu stellen. Ähnlich könnten auch Inspektionen ganz einfach über eine App oder als Selbstbedienungsservice auf einem Smartphone oder Tablet durchgeführt werden, ohne dass ein Makler oder Objektverwalter anwesend sein muss. In den USA ist das schon gängige Praxis. Dort ist der Makler nur virtuell präsent und bietet Unterstützung, ein persönlicher Kontakt mit dem Mieter besteht aber nicht.“

Technologie könnte sich auch für das tägliche Management als nützlich erweisen. Fragen zu Zahlungen, die Meldung von Ausfällen oder Beschwerden könnten in einem bequemen, schlanken Prozess digital geklärt beziehungsweise abgewickelt werden. Dadurch müssten nicht mehr Berge von Formularen bearbeitet werden, sodass sich Mitarbeiter und Immobilienmakler auf die eigentliche Dienstleistung konzentrieren könnten.

Das würde auch die Buchführung erleichtern, meint Gerritsen. „Alle Informationen über einen Mieter und das Mietobjekt können am selben Ort aufbewahrt werden.“ Der logische nächste Schritt wäre es, die vorhandenen Daten zu nutzen, um Einblicke in die Leistung eines Wohnkomplexes zu gewinnen.
„Wenn ein Komplex über intelligente Thermostate verfügt, ließen sich mithilfe der Daten aus diesen Geräten Einblicke in den Energieverbrauch gewinnen. Auf dieser Grundlage könnte der Vermieter Möglichkeiten zur Kostensenkung empfehlen. Oder er könnte analysieren, wie effizient ein Komplex ist.“

Hohe Volumina
Gerritsen führt die neuen Möglichkeiten, Besichtigungen durchzuführen und Vermietungen zu verwalten, wegen der enormen Volumina als Beispiel an. „Es gibt Millionen von Wohnobjekten in ganz Europa. Daraus ergibt sich eine beträchtliche Anzahl von Transaktionen, die mit einem enormen Aufwand für Wohnungsbaugesellschaften und Immobilienmakler verbunden sind. Es gibt also viel zu gewinnen, wenn der Service modernisiert wird. Wir sprechen hier von bewährten und erprobten Funktionalitäten, die bereits verfügbar sind.“

Warum geschieht dies also nicht bereits in größerem Umfang? Das liegt unter anderem an den unterschiedlichen Erwartungen verschiedener Generationen. „Die jüngere Generation ist es bereits gewohnt, für alles Apps zu nutzen. Tatsächlich sind sie eher überrascht, wenn sie Formulare auf Papier ausfüllen sollen. Diese Ausfüllerei bringt keinen Mehrwert.“ Einen weiteren Stolperstein sieht Gerritsen in der Angst vor Veränderungen.
„Kleinere Änderungen zur Optimierung werden in der Regel angenommen. Aber die Angst vor Veränderung ist manchmal größer als die Bereitschaft, sich zu verändern. Wenn von einem kompletten Überdenken der Prozesse bei der Wohnungsvergabe und -vermietung die Rede ist, regt sich bald Widerstand. Einige werden sagen, dass die Mieter nicht in der Lage sein werden, mit solch tiefgreifenden Veränderungen umzugehen. Das ist zweifellos eine absolut menschliche Reaktion. Aber dann gibt es immer einen Grund, etwas nicht zu tun.“

 

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von Yardi Systems GmbH
Erstveröffentlichung: Vastgoedmarkt, Mai 2020

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