22.06.2021

Digital ist nicht gleich digital

Marc Mockwitz, Geschäftsführender Gesellschafter, Cloudbrixx GmbH
Marc Mockwitz

Marc Mockwitz, Geschäftsführender Gesellschafter von Cloudbrixx, spricht im Interview über Datenmigration als ersten Schritt der Digitalisierung, welche Hindernisse dabei auftreten können und wie viel Zeit solch ein Prozess in Anspruch nimmt.

The Property Post: Herr Mockwitz, wozu braucht es einen Migrationsprozess von Daten und was muss man sich darunter vorstellen?
Marc Mockwitz: Die Datenüberführung von einem Quell- in ein Zielsystem ist immer dann notwendig, wenn ein altes System durch ein neues abgelöst werden soll. Die Daten müssen quasi von A nach B umziehen. Gründe dafür, ein neues System aufzusetzen, können eine inadäquate bestehende Datenbankstruktur, nur noch schwer wartbare Anwendungssysteme, die Zusammenführung mehrerer Datenbanken zu einem Datenbanksystem oder der Aufbau einer neuen, zukunftssicheren Datenbank sein.

TPP: Wie sieht denn die aktuelle Datenlage in der Immobilienwirtschaft aus?
MM:
Eine der größten Herausforderungen ist, dass viele Daten in der Regel dezentral gespeichert sind und in verschiedenen Systemen und Medien vorliegen. Informationen analog auf Papier und in Aktenordnern abgeheftet, Informationen in PDF-, Excel und Word-Dateien. Es gibt häufig eine doppelte Datenhaltung mit vielen Inkonsistenzen. Die Daten sind unvollständig und haben leider viel zu oft eine mangelnde Qualität. Der Zugriff ist ungeregelt. Es gibt verschiedene Datenversionen und es herrscht Unklarheit über den korrekten oder aktuellen Stand. Einige Marktteilnehmer sind schon digitaler unterwegs und nutzen verschiedene Insellösungen. Diese produzieren wiederum Daten, die erst zusammengeführt werden müssen, sofern die Insellösungen nicht miteinander über Schnittstellen verbunden sind. Erst Schnittstellen ermöglichen einen durchgängigen Datenfluss.

TPP: Wie läuft solch ein Migrationsprozess ab?
MM:
Der größte Arbeitsaufwand liegt beim Projektstart. Hier findet die Erstbefüllung der Software statt und auf dieser Basis können dann weitere Einrichtungsarbeiten stattfinden, um schließlich die Software für den Live-Betrieb einzusetzen.
Die Datenmigration selbst wird mit Hilfe von Importskripten durchgeführt. Unsere IT-Experten definieren dabei, welche Alt-Daten in welches Datenfeld der neuen Datenbank überführt werden sollen. Das geschriebene Skript wird dann getestet und wenn es einwandfrei funktioniert, kann der Umschluss der Systeme stattfinden.
Darüber hinaus können auch „externe Daten“ existieren, die nicht in der alten Datenbank, sondern in einzelnen Excel- oder CSV-Dateien abliegen und ebenfalls in das neue System eingespielt werden sollen. Die können entweder mit importfähigen Vorlagen eingeladen werden oder ebenfalls mittels eines Importskriptes.
Zudem können auch manuelle Eingaben erforderlich sein, dies ist aber aufgrund des hohen zeitlichen Aufwands nur bei kleinen Projekten sinnvoll.

TPP: Sie sagen „Digital ist nicht gleich digital“. Was meinen Sie damit?
MM:
Digitalisierung wird häufig missverstanden. Bloß weil Daten in PDF-Dokumenten vorliegen, heißt das nicht, das sie digitalisiert sind. Das ist zwar eine gute Voraussetzung. Aber den höchsten Wert hat der Informationsgehalt und der liegt bei einem PDF innerhalb des Dokuments. Um diesen Informationsgehalt aber verwerten zu können, muss er aus dem Dokument herausgeholt werden. Sind diese Informationen in einer Datenbank hinterlegt, kann ohne Schwierigkeiten von allen Berechtigten darauf zugegriffen werden. Das System kann die Informationen in einen durchgängigen, digitalen Workflow integrieren. Die Informationen stehen ohne großen Aufwand für Auswertungen zur Verfügung. Ist beispielweise die Laufzeit eines Vertrags im System hinterlegt, kann das System den User automatisch vor Vertragsende erinnern und er kann aktiv werden.

TPP: Was sind die Herausforderungen bei einer Datenmigration?
MM:
Aus der Erfahrung zählen zu den größten Hürden:
•    eine schlechte Datenqualität
•    ungenügende Vorbereitungszeit der eigenen Teams
•    ungenügende Ausstattung des Migrationsprozesses mit technischer Ausstattung und personellen Ressourcen
•    Unklarheiten bzgl. der Data-Governance-Richtlinien
•    unerwartete Auswirkungen migrierter Daten auf bestehende Daten
•    ungenügendes Testing vor dem Going-Live aus Zeitgründen
•    Probleme mit Zugängen und Zugriffsrechten

Es gibt zudem eine hohe Erwartungshaltung an Projekte wie eine Datenmigration und einen Systemwechsel, denn sie sind sehr wichtig für Unternehmen, um sich für die Zukunft aufzustellen und einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Dabei fallen nicht nur Kosten für einen externen Dienstleister an, sondern es werden auch intern personelle Ressourcen gebunden. Der Druck, ein solches Projekte möglichst schnell durchzuführen, kommt dann meist aus der Führungsetage, die Ergebnisse sehen will. Wir beraten an dieser Stelle und geben eine Einschätzung aus unserer Erfahrung, inwiefern ein selbst gesteckter Zeitplan realistisch zu erfüllen ist.

TPP: Was halten sie denn erfahrungsgemäß für einen realistischen Zeitrahmen für eine Datenmigration?
MM:
Man kann den Zeitaufwand grob in drei Kundensegmente einteilen. Es gibt die kleinen Kunden, das mittelständische Unternehmen und den Konzern. Der kleinere Kunde ist in der Regel nach in einem Zeitraum zwischen zwei Wochen und zwei Monaten ongeboardet. Beim Mittelständler kann es etwas komplexer werden. Hier liegen die Onboarding-Zeiten zwischen drei und neun Monaten. Bei den Konzernkunden dauert das Onboarding selten unter einem Jahr.

TPP: Was wären Ihre Empfehlungen an Unternehmen, die eine Datenmigration in Betracht ziehen?
MM:
Meine Empfehlungen wären folgende:
•    Stellen Sie ein geeignetes Projektteam zusammen
•    Wählen Sie einen Integrationspartner, der Sie mit Rat und Tat begleitet und diesen Prozess bereits mehrfach erfolgreich vollzogen hat
•    Identifizieren Sie die richtigen Ansprechpartner, sowohl intern als auch extern
•    Entwickeln Sie ein gutes Verständnis Ihrer Daten
•    Bereiten Sie die Daten und Systeme gut vor
•    Führen Sie eine Testmigration durch und validieren Sie die Daten
•    Klammern Sie sich nicht an einen einmal fixierten Zeitplan, planen Sie Pufferzeit mit ein
•    Nutzen Sie die Chance Ihre Daten einmal richtig zu bereinigen
•    Unterschätzen Sie nicht die personellen Ressourcen

Vielen Dank für das Gespräch.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von Cloudbrixx
Erstveröffentlichung: The Property Post, Juni 2021

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