12.04.2017

Effizientes Frühwarnsystem

Bankencontrolling schützt Entwickler vor negativen Überraschungen

Dr. Michael Grünwald, Equity Partner, ARNECKE SIBETH DABELSTEIN Rechtsanwälte Steuerberater Partnerschaftsgesellschaft mbB
Dr. Michael Grünwald

Im Interview mit TPP erläutert Dr. Michael Grünwald, Rechtsanwalt und Partner der ARNECKE SIBETH Rechtsanwälte Steuerberater Partnerschaftsgesellschaft mbB, welche Rolle Baumonitoring beziehungsweise Bankencontrolling nicht nur für die finanzierenden Banken, sondern auch für Projektentwickler spielen kann. Die Funktion als Frühwarnsystem für die Kapitalgeber wird dabei ebenso thematisiert wie die sich verändernde Sichtweise der Entwickler auf das Thema.

The Property Post: Herr Dr. Grünwald, das Thema Baumonitoring wird in der Immobilienbranche derzeit viel diskutiert. Was ist der Grund dafür?

Dr. Michael Grünwald: Eigentlich ist das Thema nicht wirklich neu. Neu ist vor allem der Begriff, denn was heute unter Baumonitoring verstanden wird, wird im Prinzip schon seit etwa zehn bis fünfzehn Jahren unter der Bezeichnung Bankencontrolling praktiziert. Was sich allerdings geändert hat, sind die Sichtweise der Beteiligten auf das Thema und die praktische Umsetzung.

TPP: Welche Rolle spielte das Bankencontrolling bisher?

M.G.: Ursprünglich handelte es sich um eine Dienstleistung für Banken, die Bauprojekte finanzieren. Die Bank hat natürlich ein Interesse daran, den Fortschritt des von ihr finanzierten Projekts sowie die Einhaltung der Budgets und Zeitpläne zu überwachen. Dafür nutzen sie in der Regel die Expertise eines Dritten, - des sogenannten Bankencontrollers. Der Entwickler nahm das oftmals mehr oder weniger widerwillig hin, denn ihm wird ein Dritter – vorsichtig gesagt – zur Seite gestellt, der Einblick in sein Projekt besitzt und dessen Kosten er der Bank erstatten soll. Die Kostenerstattung läuft in der Regel auf Basis einer Pauschale, kann aber auch auf Nachweis geschehen oder sie wird bei der Kalkulation der Finanzierung in die Marge inkludiert.

TPP: Was hat sich inzwischen verändert? Inwiefern gehen die Beteiligten heute anders mit dem Thema um?

M.G.: Auch heute herrscht beim Kick-off-Termin mit dem Bankencontroller anfangs oft noch eine etwas unterkühlte Atmosphäre. Die Erfahrung zeigt aber, dass der Nutzen eines guten Bankencontrollings auch für den Projektentwickler selbst immer deutlicher sichtbar wird. Der Bankencontroller stellt ja nicht grundsätzlich alles infrage, aber er fragt häufig ergänzende Informationen ab, die wiederum auch für den Entwickler selbst hilfreich sind. Er bekommt also zusätzlich die neutrale Sicht eines fachkundigen Dritten auf das Projekt – und damit häufig wichtige Hinweise, wo sich noch etwas optimieren lässt oder wo sich eine Abweichung von den Ausgangsdaten ankündigt.

TPP: Wie läuft das in der Praxis und worauf kommt es im Detail an?

M.G.: Die Bank erwartet kontinuierlich Kosten- und Statusberichte. Der Bankencontroller muss aber in jedem Fall auch selbst vor Ort auf der Baustelle präsent sein, das ist das A und O. Bewährt haben sich Vor-Ort-Termine in Abständen von etwa vier bis maximal sechs Wochen, die gemeinsam mit dem verantwortlichen Bauleiter durchgeführt werden. Dabei wird dann jeweils die Kostenentwicklung auf Grundlage der anstehenden oder erfolgten Vergaben mit dem Budget und der Baufortschritt vor Ort mit dem Rahmenterminplan abgeglichen. Der Fokus liegt dabei ganz klar auf der Einhaltung des budgetierten Kostenrahmens und der festgelegten Termine. Dazu muss der Controller Einblick in alle relevanten Unterlagen wie zum Beispiel Ausschreibungen, bepreiste Leistungsverzeichnisse oder eingegangene Angebote erhalten. Er lässt sich bei seiner Arbeit immer von der Frage leiten: Ist die Kalkulation realistisch?

TPP: Was geschieht, wenn es zu Abweichungen kommt?

M.G.: Das hängt vom Kontext ab. Wenn es beispielsweise schon bei den ersten Vergabeeinheiten erhebliche Ausreißer nach oben gibt, liegt der Verdacht nahe, dass die Kalkulation des Projekts insgesamt nicht tragfähig genug ist und einer näheren Überprüfung bedarf. Ein erfahrener Bankencontroller sieht auch auf den ersten Blick, dass eine Terminplanung für ein Projekt im Oberallgäu nicht realistisch sein kann, wenn sie davon ausgeht, dass auch während der Wintermonate fast durchgehend gebaut wird. Umgekehrt können Sie bei einem Projekt in Darmstadt oder in Freiburg davon ausgehen, dass Sie die Bauarbeiten auch in den Wintermonaten nur relativ selten unterbrechen müssen. Grundsätzlich sind Abweichungen von den geplanten Terminen und Budgets immer Anlass, sich zusammenzusetzen und gemeinsam zu überlegen, was optimiert werden kann. Manchmal kann es auch durchaus gerechtfertigt sein, wenn ein Bau etwas teurer wird als geplant. Das gilt zum Beispiel dann, wenn eine etwas aufwendigere Ausstattung eine Vermietung zu einem höheren Preis ermöglicht, als in der ursprünglichen Kalkulation angenommen. Wenn ein Gutachter zu dem Schluss kommt, dass der höhere Mietertrag nachhaltig ist, dann schlägt sich das natürlich auch in einem entsprechend höheren Wert der Immobilie nieder. Für die Bank ist es dann gegebenenfalls sinnvoller, mit dem Kunden über eine Nachfinanzierung zu sprechen als die Notbremse zu ziehen.

TPP: Inwiefern hat sich das Zusammenspiel der Beteiligten und das Selbstverständnis der Bankencontroller verändert?

M.G.: Das Bankencontrolling dient in erster Linie zur Wahrung der Interessen der Bank. Inzwischen setzt sich aber immer mehr die Erkenntnis durch, dass es letztlich ein Frühwarnsystem ist, das nicht nur die Bank, sondern auch alle anderen Beteiligten einschließlich des Entwicklers und der Eigenkapitalgeber vor unangenehmen Überraschungen bewahren kann. Insofern wird das Bankencontrolling beziehungsweise das Baumonitoring immer weniger als eine Kontroll- sondern mehr als Reflektionsinstanz wahrgenommen. Damit geht ein neues Leistungsbild einher. Bisher war das Thema eher nachfragegetrieben – von Bankenseite –, inzwischen hat sich, vergleichbar der Entwicklung von Leistungsbildern für die Projektsteuerung vor einigen Jahrzehnten, ein Leistungsbild entwickelt, das seitens der Anbieter dank der deutlich weiterentwickelten Möglichkeiten im Bereich der EDV-Systeme auch stärker standardisiert werden kann.

 

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von ARNECKE SIBETH Rechtsanwälte Steuerberater Partnerschaftsgesellschaft mbB
Erstveröffentlichung: The Property Post, April 2017

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