21.05.2024

Engpass bei klassischem Fremdkapital

Ein Gespräch über die Krise bei der Bankenfinanzierung und notleidende Projektentwicklungen

Alexander Lehnen, Partner, HEUSSEN Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Alexander Lehnen

Im Interview mit The Property Post spricht Alexander Lehnen, Partner bei der HEUSSEN Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, über die Herausforderungen bei der Übernahme notleidender Projektentwicklungen, die Krise bei der Bankenfinanzierung, seine Erwartungen für neue Fondsprodukte und warum der Run internationaler Investoren auf den deutschen Markt bisher ausgeblieben ist.

TPP: Lieber Alexander Lehnen, Sie sind zum 1.Janar 2024 als Partner bei HEUSSEN Rechtsanwälte Steuerberater eingetreten. Warum sind Sie dorthin gewechselt?  

Ich bin nicht allein gewechselt, wir sind im gesamten Team gewechselt. Eine wichtige Motivation war, dass es bei HEUSSEN ein auf die Immobilienwirtschaft fokussiertes Team gibt, dass sowohl bundesweit, aber insbesondere hier an unserem lokalen Standort in München stark vertreten ist.

TPP: Wo liegen aktuell die Schwerpunkte in Ihrer Beratung?

Aktuelle Themen sind vor allem die Restrukturierung und Refinanzierung von Projektentwicklern. In diesem Kontext werden viele Fragen an uns herangetragen. Ein Beispiel sind direkte Darlehen, die Institutionelle Gläubiger an Projektentwickler vergeben haben – diese reichen von Mezzanine-Finanzierungen über Senior-Loan- bis hin zu Whole-Loan-Strukturen. Wir waren selbst überrascht, in welchem Umfang das in den vergangenen Jahren erfolgte. Die Losgrößen liegen nicht selten im Bereich von 50 Millionen Euro. Im Vergleich zur Investition in Immobilienfonds fielen die Prüfungsprozesse bei der Mittelausreichung hierbei jedoch eher weniger aufwändig und detailliert aus. Von daher gibt es einen großen Restrukturierungsbedarf, der mit den Fragen verbunden ist, wie man angefangene Projekte weiter fortsetzen kann oder wie der Kauf aus Insolvenzen vollzogen werden kann. In Deutschland gibt es viele Projektentwickler – auch große Namen –, bei denen ähnliche Probleme bestehen und bei denen wir aktiv sind, entweder auf Gläubigerseite oder eben auf Projektentwicklerseite.

Parallel dazu führen wir derzeit viele Gespräche mit Fondsinitiatoren und machen uns gemeinsam Gedanken, mit welchen neuen Produkten man derzeit und in naher Zukunft Anleger erreichen kann.

TPP: Welche steuerrechtlichen Fragestellen ergeben sich bei der Übernahme einer notleidenden Immobiliengesellschaft oder Projektentwicklung. Welche üblichen Sanierungsinstrumente und deren steuerliche Auswirkungen auf Objekt-SPVs und Gläubiger sind zu beleuchten?

Wir wollen beispielsweise gerade für einen institutionellen Gläubiger ein Projektgrundstück aus der insolventen Struktur eines großen deutschen Projektentwicklers rausholen. Dabei stellt sich schon die Frage: „Wie mach ich das?“; insbesondere im Hinblick auf die Deal-Struktur.

Wenn ich die Immobilie im Rahmen eines Asset Deals herauskaufe, muss ich einerseits Grunderwerbsteuer abführen, aber ggf. erwartet der Insolvenzverwalter auch eine Freistellung von sog. Umsatzsteuer-Korrekturbeträgen aus der Vergangenheit.

Wenn man die Transaktion hingegen als Share Deal durchführt und entsprechend Anteile an der Projektgesellschaft erwirbt und einen Debt-To-Equity-Swap plant, muss man das sogenannte steuerliche Sanierungsprivileg beachten, um eine große Ertragssteuerbelastung zu vermeiden. Außerdem gestaltet es sich schwierig, eine Due Diligence für einen Share Deal zu machen, weil häufig die Mitarbeiter des (insolventen) operativen Projektentwicklers nicht mehr da sind, die Datenverfügbarkeit mäßig ist und damit eine gewisse rechtliche Unsicherheit einhergeht.

Eine wichtige Frage ist auch, ob ich mit dem Insolvenzverwalter einen freihändigen Verkauf hinbekomme oder ob ich über die Zwangsversteigerung gehen muss. Der freihändige Verkauf ist klar vorzuziehen, weil es schnell geht, aber auch hierbei sind die Themen der Vorbelastungen zu klären.

TPP: Im Moment gibt es ja kaum Kapitalzusagen für AIFs und wenige Immobilientransaktionen oder Neubaumaßnahmen. Sind wir noch in der Krise oder hat sich nach der langen Boomphase ein New Normal etabliert?

Ich sehe die aktuelle Situation am Transaktions- und Investmentmarkt nicht als neue Normalität. Wir befinden uns ganz klar noch in der Krise und diese wird auch sicherlich noch eine Zeit andauern, bis eine Bodenbildung bei den Preisen beziehungsweise eine Verlässlichkeit der Finanzierungskonditionen wieder eingesetzt hat. Besonders die klassische (Bank-)Finanzierung ist das große Thema im Moment. Es kommt dabei gar nicht auf die Höhe an, sondern überhaupt auf die Verfügbarkeit von Kapital. Die Verfügbarkeit von klassischem Fremdkapital tendiert derzeit gegen Null. Sie bekommen für fast gar nichts mehr eine Bankenfinanzierung. Das ist für mich eine Krisensituation, das hat nichts mit einer neuen Marktnormalität zu tun.

TTP: Was erwarten Sie, welche Fonds kommen 2024?

Logistik ist nach wie vor sehr gefragt. Darüber hinaus ist das klassische Wohnsegment aktuell spannend für Investoren.

Der dritte Bereich sind geschlossene Publikumsfonds. Hier haben wir drei Mandanten, die planen, in diesem Segment neue Fonds aufzulegen. Wir spielen mit dem Gedanken, das Vehikel eventuell als ELTIF auszugestalten, denn auf diese Weise könnte man es als geschlossenes Sondervermögen konzipieren, was im nationalen KAGB-Rahmen nicht möglich ist. Oder man könnte einen offenen Fonds in Form einer nicht-börsennotierten Investment-AG ausgestalten und dann Aktien vertrieben, was bisher nach dem KAGB-Rahmen ebenfalls nicht möglich ist. Insbesondere für den internationalen Vertrieb an private Investoren wäre das ein interessantes Produkt.

TPP: Sehen Sie aktuell schon neue, gegebenenfalls auch internationale antizyklische Investoren und Private-Equity-Investoren, die auf den deutschen Markt drängen?

Das Interesse ist da und wir führen viele Gespräche, zuletzt auch auf der MIPIM, aber es gibt bisher kaum Transaktionen. Grund dafür sind die unterschiedlichen Preisvorstellungen. Das Preisniveau in Deutschland liegt noch deutlich über der Erwartungshaltung ausländischer Investoren. Bei risikoreichen Projektentwicklungen besteht beispielweise eine Renditeerwartung, die schnell bei 20 Prozent plus X liegt.

TPP: Glauben Sie das im Laufe des Jahres Bewegung in die Sache kommen?

Das ist schwer zu antizipieren und kommt ganz darauf an, wie lange die Banken stillhalten. Sollten die Banken in größerer Zahl nervös werden und die Projekte wirklich in die Verwertung geben, dann wird das Preisniveau sinken. Ob das jedoch passieren wird, ist ungewiss. Das hängt sicherlich auch davon ab, inwiefern und wie stark deutsche Kreditfinanzierer von der US-Immobilienkrise betroffen sein werden.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von Alexander Lehnen, Partner bei der HEUSSEN Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Erstveröffentlichung: The Property Post vom 21.05.2024

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