07.12.2020

Grenzenloser Datenfluss

Digitales Ökosystem statt Datensilos

Christian Umbach, Co-Founder und Geschäftsführer, Xapix Inc
Stefan Rath, Teamleiter Real Estate und Investment Management Applications, INTREAL Solutions GmbH
Christian Umbach

Silos werden in der Regel zum Speichern von Zement, Getreide und ähnlichem verwendet. Doch auch Daten werden - zumindest virtuell - in Silos gelagert. Was bei Realgütern Sinn macht, ist aber bei virtuellen Daten oft gar nicht erwünscht. Warum das so ist und wie solche Datensilos vermieden werden, darüber sprechen Stefan Rath, Teamleiter Real Estate und Investment Management Applications bei INTREAL Solutions und Christian Umbach, Co-Founder und Geschäftsführer von Xapix im Interview.

The Property Post (TPP): Herr Umbach, Sie wollen mit Ihrem Unternehmen das Ende von Datensilos einläuten? Was kann man darunter verstehen?
Christian Umbach (CU):
Daten sind im 21. Jahrhundert die neue Goldwährung, zumindest wenn man sie zu nutzen weiß. Aber große Datenmengen, die in Silos stecken, können dort ihren Wert nur begrenzt entfalten. Das liegt daran, dass sie – bildlich ausgedrückt – eine Sprache sprechen, die nur dort verstanden wird. Unser Ansatz ist es, diese Daten zu befreien, indem die unterschiedlichen Software-Systeme miteinander verknüpft werden. Wir bieten eine Plattform zum Erstellen und Verwalten von Programmschnittstellen an, sogenannte APIs, die Programmen den Zugriff auf Daten und Echtzeitdatenströme ermöglichen.

TPP: Das klingt alles sehr abstrakt, haben Sie dazu ein Praxisbeispiel?
CU:
Ja, wir sind schon länger in der Automobilbranche aktiv. Mithilfe von API-Adaptern können Automobilunternehmen Verknüpfungen zwischen unterschiedlichen Systemen herstellen – und das innerhalb weniger Tage im Vergleich zu mehreren Monaten bei herkömmlichen Ansätzen. Das heißt konkret: Wir erleichtern es Autoherstellern, Daten zu teilen. Das vereinfacht den Ausbau digitaler Dienste – zum Beispiel beim Entwickeln von Infotainment-Systemen, die auf zahlreiche Datenquellen zugreifen müssen. Zum Beispiel muss der Bordcomputer des Autos auf die Kontakte des Smartphones zugreifen können. Auch im Umfeld der Produktion ist die Komplexität enorm: verschiedene Anlagen innerhalb der Fabrik müssen untereinander vernetzt werden und Daten in Echtzeit mit unternehmensübergreifenden Systemen austauschen - das schafft zunächst Transparenz, später Automatisierung.

TPP: Herr Rath, Xapix arbeitet vorrangig mit mittelständischen Industrieunternehmen und Automobilherstellern. Was kann die Immobilienbranche von dem Maschinen- und Anlagenbau lernen, die in Sachen Industrie 4.0 schon weiter fortgeschritten sind?
Stefan Rath (SR):
Auch in der Immobilienbranche muss der Austausch immer schneller an immer mehr Empfänger mit gestiegenem Datenvolumen und höherem Schnittstellenaufgebot erfolgen. Sei es bei Transaktionen, in der Vermietung oder im Vertrieb. Nicht zuletzt werden Regulierungsreformen und ESG-Kriterien ganz neue Anforderungen beim Reporting, Risikomanagement und im Asset Management an Datenverfügbarkeit und Datenqualität stellen. Immer  mehr Daten, die in Echtzeit anfallen und übertragen werden müssen, z.B. von Sensoren oder Smart Metern, finden den Weg in unsere Datenwelt. Dabei ist es enorm wichtig, auf robuste Schnittstellen zu setzen. Nur damit können Daten frei fließen und ein Reporting komplett automatisiert ablaufen. Ziel ist es, in absehbarer Zukunft von jedem Gebäude einen sogenannten digitalen Zwilling zu schaffen, um alle relevanten Parameter einer Immobilie abrufen zu können.

Unserer Ansicht nach ist der richtige Weg im Digitalisierungsprozess ein digitales Ökosystem mit mehreren Softwarelösungen. Denn eine monolithische Softwarelösung, die alle relevanten Prozesse umfassend abbildet, wird es unserer Ansicht nach für die Immobilienbranche nicht geben. Für ein effizient arbeitendes Ökosystem sind moderne und stabil funktionierende Schnittstellen essenziell.

TPP: Warum ist das Management von Schnittstellen so komplex?
SR:
Eine große Herausforderung ist, dass die Schnittstellen der einzelnen Softwarelösungen miteinander harmonieren müssen. Wenn eine Komponente ein Update erhält, kann es dazu führen, dass die Kompatibilität zu den APIs der anderen Plattformen nicht mehr gegeben ist. Auch beim Onboarding von neuen Partnern wurde das Thema “APIs” erst am Ende eines Projektes geklärt. Aktuell kooperieren wir mit einem halben Dutzend PropTechs und Anbietern von Softwarelösungen. Tendenz steigend. Je mehr Partner wir anbinden, desto komplexer wird das Ökosystem und desto höher ist  die Ausfallwahrscheinlichkeit der Schnittstellen. Dass dies eine Achillesferse der digitalen Ökosysteme ist, belegt auch eine Umfrage des Datenraumanbieters Drooms. Viele  befragte Immobilienprofis äußern den Wunsch nach Verbesserungen in diesem Bereich. Damit dies für unseren Digitalisierungsprozess nicht zum Stolperstein wird, haben wir uns in der HIH-Gruppe entschlossen, einen API Integration Layer zu nutzen, der in Form einer umfangreichen Plattform bereitgestellt wird. Diese Plattform von Xapix erleichtert das Zusammenspiel aller Applikationen, orchestriert APIs und erlaubt uns die schnellere und sichere Anbindung von neuen Partnern. Denkbar ist, dass wir in einem zweiten Schritt selbst eine oder mehrere APIs anbieten, die dann von anderen Applikationen genutzt werden können.

TPP: Gab es ähnliche Erfahrungen mit Transformation aus anderen Branchen, zum Beispiel aus dem Finanzwesen?
CU:
Die Vorreiter für die verbundenen Ökosysteme sind Unternehmen wie Apple, Google und Facebook, die mit Ihren Schnittstellen eine Vielzahl an Einstiegspunkte für neue Geschäftsmodelle gefunden haben. Aber auch traditionelle Industrien stehen dem in nichts nach: Im Finanzsektor sorgte 2015 die Payment Service Directive 2 (PSD2) für eine Öffnung von Schnittstellen, im Luftverkehrssektor ist die Initiative von Airlines unter dem Namen New Distribution Capabilities (NDC), und im Automobilsektor ist es das durch den Verband der Automobilwirtschaft (VDA) getriebene Nevada Konzept, das den Austausch von Daten regelt. Daneben gibt es eine Reihe an Initiativen wie bspw. FIWARE und die International Data Space Association, die dem ganzen auch für weitere Industriebereiche einen koordinierenden Rahmen geben.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von INTREAL Solutions, Xapix
Erstveröffentlichung: The Property Post, Dezember 2020

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