10.07.2019

„KI bleibt Schlüsseltechnologie“

Interview über Möglichkeiten und Trends von Dokumenten-Management-Systemen

Maurice Grassau, CEO, Architrave GmbH
Maurice Grassau

Frage: Was werden anno 2019 die größten Trends im Bereich Dokumenten-Management sein? Was wird von den Marktteilnehmern angegangen und in den Fokus gerückt?
Maurice Grassau: Wir rechnen schon in diesem Jahr damit, dass sich der Fokus nach und nach weg von einer eigentlichen Dokumentenbearbeitung hin zu ausgewählten Datenfeldern verschieben wird. Sobald Sie Ihre gesamte Dokumentation in Ihrer ERP abgelegt haben, muss als zweiter Schritt die inhaltliche qualitative Analyse dieser Dokumente erfolgen. Hierzu erarbeiten die einzelnen Branchen die für sie wichtigen Datenfelder und vor allem auch die für den Austausch wichtigen Standards. Mit Architrave sind wir bereits seit 2018 dabei, die für die Immobilienwirtschaft relevanten Datenfelder zu definieren. 2019 rechnen wir hierbei mit einem raschen Vorankommen.

Frage: Welche Bedeutung wird wohl in diesem Jahr der Künstlichen Intelligenz (KI) allgemein zukommen?
Maurice Grassau: KI bleibt eine Schlüsseltechnologie und verknüpft sich nun mit Robotic Process Automation (RPA). KI-Roboter werden verstärkt zum Einsatz kommen und zahlreiche Routinen und Standardprozesse automatisiert abarbeiten. Die zunehmende Sensibilisierung für das Thema erleichtert es Technologieanbietern auch, an ausreichende Mengen Trainingsdaten zu kommen. Gut trainierte und dadurch verfeinerte Systeme werden dadurch auch zunehmend komplexere Dokumententypen bearbeiten und auslesen können.

Frage: Inwieweit lassen sich Dokumenten-Management-Systeme (DMS) mit KI verknüpfen?
Maurice Grassau: Das hängt stark von der Offenheit der Systeme ab. Architrave setzt in seiner Software-Architektur von Anfang an auf Schnittstellen. Unser KI-Roboter DELPHI beispielsweise ist nicht an unsere Plattform geknüpft und lässt sich ohne weiteren Aufwand an gängige DMS wie IBM FileNet oder SharePoint koppeln.

Frage: Welche Vorteile und Möglichkeiten bringt solch eine Verknüpfung? Können Sie mögliche/konkrete Anwendungsszenarien beschreiben, die gerade auch für mittelständische Unternehmen interessant sind?
Maurice Grassau: Je mehr Dokumente in einem Unternehmen anfallen, desto interessanter werden RPA-Lösungen auf KI-Basis. Unser KI-Roboter liest zum Beispiel 25.000 Dokumente in drei Minuten ein und sortiert sie automatisch den bestehenden Kategorien zu. Am Ende haben Sie Ihre Gesamtdokumentation sauber sortiert im DMS. Für die Immobilienwirtschaft beispielsweise, wo bei großen Unternehmen jährlich bis zu 500.000 Dokumente anfallen, ergibt sich eine massive Reduzierung an Arbeitsaufwand bei skalierbaren Prozessen. Wichtig ist dabei natürlich ein allgemein verbindlicher Dokumenten-Index, um auch die Austauschbarkeit von Daten sicherzustellen. Wir arbeiten daran mit führenden Immobilienunternehmen Deutschlands.

Frage: Wie groß ist bislang noch die Fehlerquote beim automatischen, KI-basierten Sortieren, Ablegen, Verknüpfen etc. von unstrukturierten und semi-strukturierten Informationen/Dokumenten?
Maurice Grassau: Wir erzielen je nach Dokumentenklasse bereits eine Trefferquote von 95 Prozent. Bei hochkomplexen Verträgen oder Plänen reduziert sich diese Trefferquote ein wenig. Fragliche Dokumente meldet unser KI-Roboter proaktiv dem Nutzer. Der kann dann in einer Qualitätssicherungsmaske die Ergebnisse der KI evaluieren, ggf. korrigieren und freigeben. Auf diese Weise lernt das System ständig dazu.

Frage: Was sind weitere Herausforderungen und Stolpersteine bei der Verknüpfung von DMS und KI?
Maurice Grassau: Es gilt bei den jeweiligen Unternehmen Überzeugungsarbeit zu leisten, um a) den gesamten Dokumentenbestand zu digitalisieren und b) branchenweite Kooperationen zu schließen, um besagte allgemeine Indizes und Datenfelder zu erreichen. Technisch ist also schon fast alles möglich, doch für die Implementierung bedarf es eines längeren Atems.
Welchen Einfluss übt die EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) auf den Einsatz von KI-basierten Dokumenten-Management-Lösungen aus?
Wir sehen keinen direkten Einfluss. Man muss auf Betreiberseite nur mehr dokumentieren. Dies umfasst eine Auftragsverarbeitung mit Datendienstleistern, mehr Protokolle für den Umgang mit Kundendaten und neue IT-Sicherheitsrichtlinien. Das mündet dann häufig in der notwendigen Bereitstellung erhöhter Serverkapazitäten.

Frage: Inwieweit müssen die DMS-Anwender selbst KI-Urteile und -Entscheidungen kontrollieren bzw. im Blick behalten, um Datenschutzkonformität beim Einsatz ihrer Lösungen sicherzustellen?
Maurice Grassau: Sobald Unternehmen Kundendaten verarbeiten, sind sie verpflichtet, mit diesen DSGVO-konform zu verfahren. Eine Auftragsverarbeitung mit ihren Dienstleistern für Datenverarbeitung entbindet sie nicht von ihrer Sorgfaltspflicht.

Frage: Worauf sollten Mittelständler zukünftig achten, wenn sie sich für eine DMS-Lösung entscheiden? Nach welchen Kriterien sollten sie eine entsprechende Lösung letztlich auswählen?
Maurice Grassau: Neben der Innovationskraft der DMS-Lösung, also der bereits genannten Kompatibilität mit KI-Lösungen, hoffen wir für immer mehr Branchen auf einheitliche Plattformen. Unternehmen sollten sich also für eine branchenweite DMS-Lösung entscheiden. Dies gilt besonders für Wirtschaftszweige mit hohem Datentransfer. Erst wenn die Daten leicht austauschbar sind, entfalten sie ihre ganze Wirkkraft.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von Architrave
Erstveröffentlichung: IT-Zoom.de vom April 2019 (https://www.it-zoom.de/it-mittelstand/e/ki-bleibt-schluesseltechnologie-22640/)

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