14.04.2020

Die Mieten werden sinken

Im Interview mit Marcel Abel, Geschäftsführender Direktor und Niederlassungsleiter von JLL

Reiner Reichel, Redakteur, The Property Post

Eigentlich hätte The Property Post-Redakteur Reiner Reichel nach einer kurzen Fahrradtour JLL-Manager Marcel Abel im Düsseldorfer Büro zum Interview besuchen können. Doch das hat der heimtückische Corona-Virus verhindert. So sprach er mit ihm von Home-Office zu Home-Office am Telefon über den Gewerbeimmobilienmarkt nach der Corona-Krise.

TPP: Herr Abel, schauen wir zunächst auf den Einzelhandel. Wir merken gerade, dass wir auch ohne Innenstadtläden und Shoppingcenter auskommen. Selbst Online-Muffel lernen das Bestellen im Internet schnell. Warum sollen wir nach der Krise wieder unsere Einkäufe durch die Stadt schleppen und am Ende zweistellige Beträge in Parkhausautomaten einwerfen?
MA: Weil der Mensch ein geselliges Wesen ist. Er braucht wie zu seiner Frühzeit eine Feuerstelle als Treffpunkt. Diese Funktion haben Innenstädte und Einkaufszentren übernommen. Kaufen ist ein Erlebnis, das das Internet nicht ersetzen kann. Wir glauben an die Zukunft der Innenstädte.

TPP: Woher kommt diese Zuversicht? In vielen Innenstädten läuft Einkaufen genauso steril wie im Internet ab.
MA: Das mag sein. Umso mehr Besucher werden künftig die Innenstädte haben, die neben attraktiven Läden über ein breites Gastronomieangebot verfügen und so eine hohe Aufenthaltsqualität bieten. Genuss und sinnliches Erleben bietet nur der stationäre Handel. Doch dazu gehört eine gute Infrastruktur. Der Innenstadt-Shopper erwartet ausreichend leicht erreichbare Parkplätze in der City. Und Einkäufe schleppen muss er auch immer weniger. Viele Waren, die er in Innenstadtläden sieht und fühlt, wird er noch im Laden online bestellen und dann geliefert bekommen.

TPP: Sie geben das Stichwort: Gastronomie. Viele Restaurants, Bars, Bistros werden die Krise nicht überleben. Wie wollen Sie diese Lokale wiederbeleben?
MA: Die Jahre 2010 bis 2020 waren die goldene Dekade der Innenstadtgastronomie. Es hat fast jedes Konzept funktioniert. Diese Zeit ist nun vorbei. Die Pachten jenseits der Toplagen werden sinken und damit Chancen für neue Konzepte ermöglichen. Prinzipiell sehnen sich die Menschen aber nach Gastronomie – derzeit mehr denn je.

TPP: Gilt für die Mieten von Einzelhandelslokalen das gleiche?
MA: Ja, die Vermieter werden in manchen Lagen mit den Mieten heruntergehen müssen. Das wird man an den in den Reports veröffentlichten Nominalmieten nicht unbedingt sehen. Aber die Effektivmieten werden fallen, weil die Vermieter mehr Incentives bieten müssen, um Leerstand zu verhindern. Das können etwa längere mietfreie Zeiten oder höhere Beteiligungen an den Ausbaukosten sein – es wird also mehr Augenmerk auf den Incentives liegen.

TPP: Springen wir zu den Bürogebäuden. Home-Office funktioniert. Die Arbeitnehmer lernen, dass sie Zeit und Geld sparen, wenn der Weg zur Arbeit entfällt. Die Arbeitgeber stellen fest, dass sie mit weniger Raum auskommen, also durch Home-Office Kosten reduzieren. Was soll die Unternehmen davon abhalten, kleinere Räume anzumieten?
MA: Auch im Arbeitsalltag gilt: Menschen brauchen eine Feuerstelle. Auf Bürogebäude übertragen bedeutet dies, dass es Treffpunkte geben muss – Besprechungszimmer für kleine Teams und Konferenzräume für größere Gesprächsrunden. Solche Zusammenkünfte sind auch durch Video-Konferenzen aus häuslichen Arbeitszimmern nicht zu ersetzen.

TPP: Viele Unternehmen drosseln schon mit Großraumbüros ihren Flächenverbrauch und ihre Raumkosten. Warum sollten sie sich diese Chance entgehen lassen?
MA: Der Trend zum Großraumbüro und damit zur Verdichtung von Arbeitsplätzen lässt sich nicht mehr umkehren. Junge Menschen, die von Anfang an in Großraumbüros arbeiten, haben damit weniger Probleme als diejenigen, die ihre Einzelbüros aufgeben müssen.  Es wird aber häufiger vorkommen, dass sich Arbeitnehmer zeitversetzt einen Schreibtisch teilen.

TPP: Also brauchen wir in Zukunft doch weniger Fläche?
MA: Ja, davon ist auszugehen. Allerdings sind laufende Projekte davon noch nicht betroffen und mögliche Effekte werden erst mittelfristig sichtbar.

TPP: Inwieweit sind Co-Working-Räume aktuell nutzbar? Wie beurteilen Sie die Zukunft der Coworking-Spaces?
MA:
Das hängt vom Anteil der Individualbüros ab und der Möglichkeit, sich in dieser Fläche zu separieren. Die Dynamik aus der Vor-Corona-Zeit ist gebremst, aber Coworking hat sich bereits als Büroform etabliert.

TPP: Sie schauen alles in allem optimistisch in die Nach-Corona-Ära. Doch an einer Rezession kommt Deutschland nicht vorbei. Was bedeutet die für die Mietenwicklung?
MA
: Aus dem Vermietermarkt wird nach der Krise ein Mietermarkt werden. Es werden mehr Untermietflächen angeboten werden. Deshalb rechnen wir damit, dass die Durchschnittsmieten im Bürosektor in diesem Jahr vorrübergehend um einen einstelligen Prozentsatz zurückgehen werden. Auch nach der Krise 2008 haben wir ähnliche Strategien beobachtet. Im Übrigen zeigen die Ergebnisse unserer Branchenumfrage in der letzten März-Woche, dass die Vermieter die Zeichen der Zeit erkannt haben. Drei von vier denken, dass sie den Mietern Zugeständnisse machen müssen.

TPP: Und wie sieht es mit den Besitzwechseln aus, die einschließlich Wohnungsportfolios 2019 ein Volumen von 77 Milliarden Euro erreichten?
MA:
Wir werden ein geringeres Transaktionsvolumen sehen. Ob es um fünf oder zehn Prozent oder sogar noch stärker sinkt, lässt sich noch nicht absehen. Doch einen Absturz wie nach der Lehmann Pleite 2008 ist eher unwahrscheinlich. Damals stockte die Kreditvergabe abrupt und brachte das Neugeschäft zum Erliegen. Das ist in der Corona-Krise anders. Kapital ist weiterhin ausreichend vorhanden. Deshalb werden laufenden Projekte geordnet abgeschlossen. Viele für den April oder Mai geplante neue Transaktionen werden voraussichtlich aufgeschoben. Für die Unternehmen haben jetzt Mitarbeiterschutz und eine stabilen Technik-Infrastruktur Vorrang. Orientierung gewinnen wir auch hier durch unsere jüngst Umfrage. Danach will Stand Ende März noch die Hälfte der Investoren an ihren Transaktionsplänen für das laufende Jahr festhalten.

TPP: Senken nur verschobene Deals oder auch sinkende Preise das Transaktionsvolumen?
MA:
Welchen Anteil mögliche Preisnachlässe daran haben, kann ich noch nicht absehen. Einige Verkäufer kalkulieren noch mit den Preisen und Mietpreisfaktoren, die vor der Krise erzielt wurden. Sie setzen auf einen kurzen, kräftigen Abschwung und eine schnelle Erholung, so dass sie mit Ihren Preisvorstellungen über die Krise hinwegspringen können. Es bleibt abzuwarten, ob sie sich mit dieser Sichtweise durchsetzen.


TPP: Noch eine persönliche Frage zum Schluss. Die Liste Ihrer Aktivitäten in der Immobilienwirtschaft füllt locker eine DIN-A4-Seite. Haben Sie nur Immobilien im Kopf?
MA:
Nein, das wirkt nur so. Die Wochenenden gehören meiner Familie. Und auch unter der Woche, ist es mir wichtig, morgens und abends meine Familie zu sehen. Deshalb haben sich unter den aktuellen Reisebeschränkungen für mich auch weniger geändert als für viele andere. Nur eines vernachlässige ich zwangsläufig auch jetzt: Mein BMW-Motorrad in der Garage.
 

TPP: Herr Abel, vielen Dank für das Interview.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von JLL
Erstveröffentlichung: The Property Post, April 2020

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Reiner Reichel, Jahrgang 1956, war viele Jahre Immobilienredaktuer des Handelsblatts. Journalismus betreibt er, wie er Fußball spielt: hart aber fair.

Kurzvorstellung Marcel Abel:

Abel_Marcel_Lage_Lage_Lage.jpgMarcel Abel (44) ist Geschäftsführender Direktor und Niederlassungsleiter von JLL, sitzt im Prüfungsausschuss für Immobilienkaufleute und ist Mitglied in mehreren Gremien der Immobilienwirtschaft. Unter anderem leitet er den Ausschuss für Gewerbeimmobilienmakler beim ZIA. Der gebürtige Düsseldorfer ist fest in der Region verwurzelt und seit mehr als 20 Jahren bei JLL.


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