07.04.2020

Liquiditätseinbuße trifft alle

Im Interview mit Uwe Bottermann, Rechtsanwalt und Partner, Bottermann Khorrami LLP

Reiner Reichel, Redakteur, The Property Post

Die Bundesregierung hat während der Corona-Krise im Eiltempo das „Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht“ verabschiedet. Es soll auch Mieter schützen. Die Interpretationen über den Inhalt gehen so weit auseinander, wie die Aussagen über die Wirkung von Atemschutzmasken. Uwe Bottermann, Mitgründer der auf Immobilienrecht spezialisierten Berliner Kanzlei Bottermann Khorrami LLP, sagt im Interview mit The Property Post, was Wohnungsmietern und Vermietern nun erlaubt ist.

TPP: Herr Bottermann, wie hilft das Gesetz Wohnungsmietern?
UB:
Es schützt die Mieterinnen und Mieter, die aufgrund der COVID-19-Pandemie im Zeitraum von April bis Juni 2020 ihre Miete nicht oder nicht vollständig zahlen können. Dieser Schutz reicht bis Ende Juni 2022. Wichtig ist: Der Mieter ist vor der Kündigung wegen Zahlungsverzug geschützt, muss aber die Miete bis Juni 2022 nachzahlen. Danach gilt wieder das Mietrecht im Bürgerlichen Gesetzbuch, so dass Mietern, die mit zwei Monatsmieten im Rückstand sind, gekündigt werden darf.

TPP: Mieterbundpräsident Siebenkotten fordert die Bundesregierung auf klarzustellen, dass dieses Kündigungsverbot für fristlose wie auch ordentliche Kündigungen gilt. Wie interpretieren Sie das Gesetz?
UB:
Nach zutreffender Lesart, unterscheidet das Corona-Gesetz nicht zwischen außerordentlichen und ordentlichen Kündigungen. Das Gesetz schließt lediglich den Sachverhalt Mietrückstand als Rechtfertigung für einen Kündigungsgrund aus.

TPP: Fällt, wer die Miete in dieser Periode nicht mehr zahlen kann, automatisch unter den Schutzschirm des neuen Gesetzes?
UB:
Nein, ganz gewiss nicht. Der Mieter muss den Zusammenhang mit der Pandemie gegenüber dem Vermieter glaubhaft machen. Das kann er, indem er zum Beispiel eine eidesstattliche Versicherung abgibt. Nachweise können zudem die Kündigung der Arbeitsstelle oder der Bescheid über Kurzarbeit sein. Wer sich etwa mit den Leasingraten für das neue Auto übernommen hat und deshalb die Miete nicht mehr zahlen kann, ist von dem neuen Gesetz nicht geschützt.

TPP: Gerade wurde verkündet, dass die Kontaktsperre bis nach Ostern anhalten wird. Viele Menschen werden sich länger finanziell einschränken müssen, als zunächst erwartet. Sind drei Monate als Referenzzeitraum für den Kündigungsschutz ausreichend?
UB:
Das lässt sich aktuell noch nicht beurteilen. Die Bundesregierung kann den Referenzzeitraum für den Kündigungsausschluss bis Ende September dieses Jahres verlängern. Über eine solche Verlängerung wird aber vermutlich erst kurz vor Ende der ursprünglichen Frist, also Mitte Ende Juni entschieden werden.

TPP: Wohnungsmieter müssen ihre Mietschulden plus Zinsen von fünf Prozent über dem Basiszinssatz zahlen. Nach Abzug des aktuell negativen Basiszinssatzes würden Vermieter noch gut vier Prozent Zinsen kassieren. Ist das nicht ein gutes Geschäft für Vermieter?
UB:
Grundsätzlich könnte man denken, dass das ein gutes Geschäft ist. Allerdings ist der Vermieter ja keine Bank. Vielmehr ist der Mieter mit der Hauptschuld im Verzug. Für den Vermieter ist es in aller Regel wichtiger, zeitnah die Mieteinnahmen zu erhalten, damit er seine eigenen Verbindlichkeiten erfüllen kann. Die Verzugszinsen wären da allenfalls ein geringer Ausgleich für drohende Verluste und eine Möglichkeit, der Forderung Nachdruck zu verleihen. Ob ein Vermieter sie in dieser speziellen Situation geltend machen möchte oder muss, ist keine juristische Frage.

TPP: Was raten Sie Mietern, die ihre Miete nicht mehr zahlen können?
UB:
Es ist sicherlich sinnvoll, wenn sich Mieter in der derzeitigen Situation mit ihren Vermietern in Verbindung setzen, um eine gemeinsame Lösung zu finden. Darüber hinaus kann ich Mietern nur raten, sich um zur Verfügung stehende staatliche Förderung zu bemühen. Sie sollten prüfen, ob ihnen Wohngeld zusteht. Mit den Bemühungen um staatliche Unterstützung dokumentiert der Mieter auch gegenüber dem Vermieter, dass er alles tut, um seiner Pflicht zur Mietzahlung nachzukommen.

TPP: Große Vermieter signalisieren Mietern Entgegenkommen. So wird etwa auf Mieterhöhungen verzichtet oder bestimmten Personengruppen Mietrabatt gewährt. Marketing-Gag oder soziale Verantwortung?
UB:
Diese Frage würde ich so nicht stellen wollen. Vielmehr ist es doch so, dass das Entgegenkommen der Vermieter Mietern in der derzeitigen Situation hilft. Dennoch sollte jeder Mieter oder Mietinteressent die Angebote genau prüfen und bewerten, ob sie sinnvoll sind. Jetzt ist aber ohnehin nicht die Zeit der Mieterhöhungen, in wirtschaftlicher Hinsicht so wenig wie in rechtlicher, wie ein Blick auf das Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin, das sogenannte MietenWoG Bln, zeigt.

TPP: Welche Gruppe von Vermietern treffen Ihrer Meinung nach Mietausfälle am stärksten -  die großen, börsennotierten Bestandshalter, private Vermieter oder die Eigentümer von ein bis zwei Anlegerwohnungen, die mit den Mieteinnahmen ihre Einkünfte aufbessern wollen?
UB:
Die Liquiditätseinbuße trifft sie alle. Wenn Mieter die Bruttomiete inklusive Nebenkosten schuldig bleiben, muss der Vermieter aber die Energierechnungen und städtischen Abgaben weiter begleichen. Die größte Gefahr, selbst in finanzielle Bedrängnis zu kommen, besteht für Eigentümer, die ihr Immobilienvermögen am wenigsten gestreut haben, also für Vermieter von einer oder wenigen Eigentumswohnungen.    

TPP: Ein Thema, dass das neue Gesetz nicht regelt: Umzüge. Nicht irrelevant, schließlich wechselt statistisch betrachtet pro Jahr jeder zehnte Großstadtbewohner seine Wohnung. Sind Umzüge in der Corona-Krise noch möglich?
UB:
Sie sind zumindest nicht verboten. Umzugsunternehmen dürfen noch arbeiten. Wer mit privaten Helfern umzieht, muss sich an das in seinem Bundesland gültige Kontaktverbot halten. Im Zweifel sollte mit dem örtlichen Ordnungsamt geklärt werden, was erlaubt ist. Klar ist: Wer unter Quarantäne steht, darf nicht umziehen, weil er sein Haus nicht verlassen darf. Die finanziellen Folgen, etwa doppelte Mietzahlungen, muss der Mieter tragen. Dies dürfte auch dann gelten, wenn aufgrund einer weiteren Verschärfung der Kontaktsperre keine Umzüge mehr stattfinden können.

TPP: Was bewegt Sie in der Krise persönlich?
UB:
Zunächst, wie wohl alle Menschen, die Sorge um die Gesundheit meiner Familie, meiner Kollegen und Freunde. Ich beobachte aber auch die Auswirkungen auf die Gesellschaft. Besonders kritisch finde ich die Tendenz, in dieser Notsituation verfassungsrechtliche Grundsätze aufzuweichen. Dies gilt zum Beispiel für angedachte Verschiebungen von Kompetenzen auf die Bundesebene. Das gefährdet den Föderalismus in Deutschland. Es gilt aber auch für die in dem neuen Gesetz vorgesehene Möglichkeit, dass durch Verordnung, also ohne Beteiligung des Parlaments, erhebliche Beschränkungen der Bürgerrechte verlängert oder intensiviert werden können.

TPP: Herr Bottermann, vielen Dank für das Interview.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von Bottermann Khorrami LLP
Erstveröffentlichung: The Property Post, April 2020

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Reiner Reichel, Jahrgang 1956, war viele Jahre Immobilienredaktuer des Handelsblatts. Journalismus betreibt er, wie er Fußball spielt: hart aber fair.

2020_Uwe Bottermann_copyright BK Law_325x325.jpgUwe Bottermann (47) studierte Jura in Berlin und Otago/Neuseeland. Dort entdeckte er den Rugby-Sport für sich – zunächst als Spieler, inzwischen als leidenschaftlicher Zuschauer. Nach beruflichen Zwischenstopps in Kanada und Berlin gründete er 2007 mit Partner Dr. Esfandiar Khorrami die Rechts- und Steuerberatungskanzlei Bottermann Khorrami LLP.


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