31.01.2022

„Parkhäuser werden Mobilitätshubs“

City-Entwicklung: Autos raus, Parkhäuser überflüssig? Nein, sagt Herwig Lieb.

Reiner Reichel, Redakteur, The Property Post

The Property Post: Herr Lieb, seit Jahren werden auf dem Immobilienmarkt neue Nischen für Investoren eröffnet. Eine solche sind die Parkhäuser. Wie groß ist der Markt?
Herwig Lieb
: Gemessen an den kleinen, aber etablierten Immobilieninvestmentprodukten wie Hotel und Logistik ist der Investmentumsatz mit Parkhäusern gering. Ich schätze, dass es in den vergangenen fünf Jahren etwa 25 bis 30 Transaktionen gegeben hat. Klassische Käufer sind etwa Catella und Quantum, die für ihre Fonds kaufen. Das Transaktionsvolumen in den letzten fünf Jahren bewegt sich insgesamt im mittleren dreistelligen Millionenbereich.

TPP: Mit welchen Renditen können Parkhaus-Käufer rechnen?
HL:
Vor Einsetzen der Corona-Pandemie wurde zwischen dem Vierzehn- und dem Achtzehnfachen der Jahrespacht bezahlt. Heute sind Parkhäuser teurer, kosten das Zwanzigfache und in der Spitze das Fünfundzwanzigfache, bringen also zwischen vier und fünf Prozent Ankaufsrendite. Aber so hohe Preise erzielen nur Parkhäuser in sehr guter Lage, in unmittelbarer Nähe von Frequenzbringern und die Bonität des Pächters muss einwandfrei sein.

TPP: Was spielt bei der Bewertung noch eine Rolle?
HL:
Etwa die Betriebsdauer – beträgt sie 18 oder 24 Stunden? Parkdecks und Treppenhäuser sollten gut ausgeleuchtet und freundlich gestrichen sein. Auch die Bodenbeschichtung ist von Bedeutung. Und auf die Art der Pacht kommt es an.

TPP: Wieso ist die Bodenbeschichtung von Bedeutung?
HL:
Eine gute Beschichtung schützt die aus Beton bestehenden Parkdecks vor einsickerndem Chlorid, das die Fahrzeuge im Winter mit anhaftendem Auftausalz in Parkhäuser bringen. Dringt Chlorid in den Beton ein, beginnt die Armierung zu rosten und schwächt die Tragfähigkeit der Parkdecks. Reparaturen sind kostspielig.

TPP: Von der Bautechnik zu den Finanzen. Welche Pachtmodelle gibt es?
HL:
Typisch ist eine Kombination aus Fest- und Umsatzpacht. Je höher der Anteil der Festpacht ist, desto positiver fällt die Bewertung aus. Die Festpacht ist in der Regel inflationsindexiert.

TPP: Das müsste Parkhäuser bei Teuerungsraten von aktuell mehr als fünf Prozent doch noch attraktiver machen?
HL:
Im Prinzip ja. Aber: Mehr als Einnahmesteigerungen dank Indexierung bewegt Parkhaus-Investoren das Thema Stadtentwicklung. Sie fragen sich angesichts der Pläne, den CO2-Ausstoß zu verringern, ob Menschen in Zukunft überhaupt noch in die Stadt fahren dürfen.

TPP: Und zu welchen Antworten kommen die Investoren?
HL:
Ich habe den Eindruck, dass sie noch keine Antwort gefunden haben.

TPP: Glauben Sie, dass wir in Zukunft noch innerstädtische Parkhäuser brauchen?
HL:
Ja!

TPP: Wieso?
TB:
Weil wir uns keinen Gefallen tun, wenn wir das Auto komplett aus den Innenstädten verbannen. Schon die Diskussion darüber schadet dem Einzelhandel, der ohnehin seit zwei Jahren wegen der Covid-19-Pandemie Kunden und Einnahmen verliert. Wir werden in Zukunft in den Innenstädten einen Verkehrsmittelmix aus Fahrrad, Öffentlichem Personennahverkehr, Taxen und individuellem Autoverkehr haben.

TPP: Wenn dem Einzelhandel wegen der Pandemie Kunden fehlen, dann müsste dies auch für die Parkhäuser gelten. Und der Nachfrageausfall dürfte anhalten, weil die Pandemie den Niedergang des innerstädtischen Einzelhandels beschleunigt. Jetzt wird über die Umwandlung von Ladenlokalen in Wohnraum nachgedacht.
HL:
Die Realität ist anders. Die Innenstadtparkhäuser sind auch in der Pandemie voll. Zwar ist die Zahl der Innenstadtbesucher geringer als in den Jahren vor der Pandemie. Aber es kommen mehr Menschen mit dem Auto, weil sie in der aktuellen Situation öffentliche Verkehrsmittel meiden. Auch langfristig erwarte ich eine hohe Nachfrage nach Parkhaus-Stellplätzen.

TPP: Woher soll die kommen?
HL:
Die Städte verknappen ihr Parkraumangebot immer weiter. Anwohnerparkplätze werden gestrichen. Menschen, die in der Innenstadt wohnen oder in verwaiste Ladenlokale einziehen und regelmäßig Auto fahren, werden feste Stellplätze in Parkhäusern mieten.

TPP: Aber der Anteil des Autoverkehrs am innerstädtischen Verkehrsmittelmix wird niedriger sein. Widersprechen Sie mir, wenn ich davon ausgehe, dass weniger Stellplätze benötigt werden?
HL:
Nein, Stellplätze für einpendelnde Autos werden weniger nötig sein. Aber die steigende Nachfrage nach festen Stellplätzen ist nicht der einzige positive Effekt. Parkhäuser werden Mobilitätshubs werden, in denen Kunden die Batterie ihres E-Autos aufladen, Roller und Fahrräder leihen und ihr Car-Sharing-Fahrzeug abholen. So ausgestattete Parkhäuser in guter Lage werden von der Mobilitätswende profitieren.

TPP: Deutschlands Großstädten fehlt Wohnraum, vor allem in den zentralen Lagen. Manches Parkhaus steht in einer guten Wohnlage. Was geschieht mit diesen Häusern?
HL:
Tatsächlich gibt es in den von Ihnen beschriebenen Lagen häufig Häuser, die nicht mehr auf der Höhe der Zeit sind und sich auch nicht mehr an die neuen Bedürfnisse anpassen lassen. Die werden sicherlich abgerissen werden.

TPP: Herr Lieb, vielen Dank für das Interview.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von The Property Post
Erstveröffentlichung: The Property Post, Januar 2022

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Reiner Reichel, Jahrgang 1956, war viele Jahre Immobilienredaktuer des Handelsblatts. Journalismus betreibt er, wie er Fußball spielt: hart aber fair.

Herwig_Lieb_187_150.jpg  Für Herwig Lieb (45) ist „draußen  
  sein, ein wunderbarer Ausgleich 
  zum anstrengenden Job“ als
  Regional Manager NRW bei
  Colliers. Der „extrem
  leidenschaftliche Koch“, so seine
  Selbsteinschätzung, liebt
  Wanderungen mit dem Hund im Wald und auf Wiesen. Beeren, Pilze und Kräuter kommen anschließend frisch verarbeitet auf den Tisch. Was Wald und Flur nicht hergeben, wächst im eigenen Gemüse- und Kräutergarten. Die im Keller eingelagerten Äpfel seien ebenso selbst geerntet, berichtet Lieb stolz. Von Haus aus Dipl. Kaufmann mit Schwerpunkt Steuerrecht bekam er Kontakt zum Düsseldorfer Maklerhaus Trombello Kölbel, das zu den Mitgründern von Colliers Deutschland zählt. Heute ist er nicht nur für das Colliers-Geschäft in Nordrhein-Westfalen verantwortlich, sondern darüber hinaus der Spezialist des Hauses für innenstädtische Entwicklung und Umnutzungen. Weil der Erfolg des City-Einzelhandels nach wir vor auch vom Parkplatzangebot abhängt, wurde Lieb zwangsläufig zum Parkhaus-Experten.

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