06.03.2015

Chance für die Stadtentwicklung

Die steigende Wohnraumnachfrage rückt die Flächen- und Baulandpolitik der Kommunen in den Fokus.

Klaus Göttsche, Präsident der BVLEG, Geschäftsführer, LEG Entwicklung GmbH
Klaus Göttsche

Die steigende Wohnraumnachfrage in den Ballungsräumen rückt die Flächen- und Baulandpolitik der Kommunen immer weiter in den Fokus. Neben offensichtlichen Potenzialen bieten sich mitunter auch für Grundstücke in weniger prominenten Lagen Entwicklungsmöglichkeiten.

Nach Schätzungen des IFO-Instituts werden in diesem Jahr 115.000 neue Wohnungen im Geschossbau errichtet. Im Vergleich zu 2010 ist das eine Verdopplung. Die Zahl der neu entstehenden Ein- und Zweifamilienhäuser wird mit 110.000 angegeben. Zudem steigt die Zahl der Baugenehmigungen weiter an, was für das kommende Jahr auch einen weiteren Anstieg bei den Baufertigstellungen erwarten lässt.

Dem steht eine gestiegene Nachfrage gegenüber, die insbesondere auf den anhaltenden Trend der Singularisierung wie auch der Reurbanisierung zurückgeht. Der Anteil der Singlehaushalte nimmt seit den 70er Jahren von bundesweit 25 Prozent kontinuierlich auf knapp über 40 Prozent im Jahr 2011 zu und wird 2030 bei über 43 Prozent erwartet. In den Großstädten liegt der Anteil der Singlehaushalte vielfach über 50 Prozent. Ein knappes Wohnraumangebot und steigende Preise treffen auf ein günstiges Finanzierungsangebot für Investoren. Dies bringt Bewegung in die Stadtentwicklung und Chancen für bislang unrentierliche Flächen.

Mobilisierung bislang kaum nachgefragter Standorte

Viele Kommunen stehen vor der Aufgabe, die zusätzliche Nachfrage auf den Wohnungsmärkten planerisch zu bewältigen. Zwar mag auch in zentralen Lagen noch die eine oder andere Baulücke bisher übersehen worden sein und je nach örtlicher Begebenheit bleibt es richtig, untergenutzte Grundstücke zu bebauen bzw. Blockinnenbereiche behutsam zu verdichten und somit die Innenentwicklung zu stärken.

Doch sind die Potenziale, die sich etwa durch den Ausbau von Dachgeschossen oder weitere Nachverdichtung ergäben, vielfach bereits ausgeschöpft. Gleiches gilt für die Entwicklung von innenstadtnahen Konversionsflächen. Und so rückt eine Reihe von Standorten in den Vordergrund, die bislang weniger im Fokus von Investoren und der örtlichen Planung standen.

Großes Potenzial schlummert beispielsweise in den Siedlungen aus den 1950er und 1960er Jahren. Diese Quartiere wurden seinerzeit nach dem Leitbild der gegliederten und aufgelockerten Stadt errichtet, womit sie zumindest teilweise in Widerspruch zu der heute üblichen kompakten Bauweise stehen. Viele Immobilien aus der Zeit des Wiederaufbaus weisen einen erheblichen Substanzverlust und folglich eklatante energetische Mängel auf. Die notwendigen Sanierungen wären so umfangreich, dass eine Lösung oftmals nur noch im Abriss und direkten Neubau liegen kann. Folglich ließen sich dann moderne Quartiere nach dem heutigen Stand der Technik entwickeln, in denen durch eine höhere Dichte auch mehr Wohnraum bereitgestellt werden könnte.

Weitere Chancen bieten Konversionsflächen in integrierten Stadtrandlagen. Hierbei handelt es sich meist um (vormals) militärisch genutzte Flächen, die aufgrund der Umstrukturierungen innerhalb der Bundeswehr oder anderer Streitkräfte einer neuen Nutzung zugeführt werden können. Auch für alte Gewerbestandorte eröffnen sich immer wieder neue Entwicklungspotenziale, da es aufgrund des ökonomischen Strukturwandels nicht selten zu Betriebsverlagerungen oder gar -schließungen kommt.

Restriktionen und langfristige Tragfähigkeit im Blick behalten

Die Planungen in diesen Bereichen der Stadt können jedoch auch einigen lageabhängigen Restriktionen unterliegen. Verkehrstrassen und umliegende Gewerbebetriebe können die sensible Wohnnutzung beeinträchtigen, weshalb hohe emissionsschutzrechtliche Auflagen zu erfüllen sind. Zudem können sich auch Altlasten im Boden befinden, die eine aufwendige Sanierung notwendig machen. In beiden Fällen werden die Entwicklungskosten nach oben getrieben. Dieser Effekt wird im Gegenzug jedoch durch höhere Preise, die aufgrund der Wohnungsknappheit erzielt werden können, wieder aufgefangen. Denn genau aus diesem Grund werden die schwieriger zu entwickelnden Flächen nun interessant.

Jedes Projekt sollte jedoch nüchtern betrachtet und solide kalkuliert sein. Schließlich wirft der demografische Wandel bereits seine Schatten voraus. Vor diesem Hintergrund muss bei der Entwicklung neuer Wohnstandorte stets untersucht werden, ob die Nachfrage langfristig trägt. Andernfalls drohen die bislang minder attraktiven Lagen zu den Problemstandorten der Zukunft zu werden. Diesem Umstand sollte auch die Verwendung von Fördergeldern, mit denen die Errichtung neuer Immobilien verbunden ist, stets Rechnung tragen.

Besonders wichtig für den Erfolg der Projekte ist die Integration in das bereits bestehende Stadtgefüge. Vorteilhaft ist es, wenn die technische und soziale Infrastruktur bereits vorhanden oder in der Nähe ist. Versorgungsmöglichkeiten sollten ebenso bedacht werden wie die verkehrliche Anbindung der Quartiere. Zwar kann dies alles auch hergestellt werden, soweit es nicht vorhanden ist. Doch wegen der damit verbundenen Kosten ist gerade dann die langfristige Tragfähigkeit der Gebiete unabdingbar.

Chance für die Stadtentwicklung nutzen

Ohne Zweifel sind die Aussichten für die Entwicklung bislang kaum nachgefragter Standorte derzeit besonders gut. Positiv ist in diesem Zusammenhang, dass die öffentliche Hand immer öfter dazu übergeht, bei der Vergabe eigener Grundstücke die Konzeptqualität und nicht den erzielbaren Preis in den Vordergrund zu stellen. Mit klugen, differenzierten Konzepten haben Gemeinden und Investoren nun die Möglichkeit, bisher vernachlässigte Gebiete in unseren Städten gemeinsam zu lebenswerten Quartieren zu entwickeln. Wir sollten diese Chance nutzen.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von ZIA Zentraler Immobilien Ausschuss e.V.
Erstveröffentlichung: ZIA Geschäftsbericht 2013/2014

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