03.05.2017

Quereinstieg Immobilienbranche

Auf die Persönlichkeit und Motivation kommt es an

Peter Müller, Kommunikationsberater und Karrieretrainer, RUECKERCONSULT GmbH
Peter Müller

Die immobilienwirtschaftlichen Berufs- und Tätigkeitsprofile werden mit zunehmender Professionalisierung der Branche immer klarer und die Auswahl an immobilienwirtschaftlichen Ausbildungen und Studiengängen nimmt weiter zu. Gut ausgebildete Fachkräfte sind gefragt und wer sich dazu entscheidet, sich entsprechend weiterzubilden, wird kaum Schwierigkeiten haben, auf herkömmlichem Weg über Bewerbungen und Vorstellungsgespräche in einem Immobilienunternehmen beruflich Fuß zu fassen.

 

Was aber ist mit jenen, die sich für die Branche interessieren, deren Qualifikation aber nicht exakt auf die angestrebte Tätigkeit zugeschnitten ist? Hier einige Tipps, wie ein Quereinstieg gelingt – auch wenn Sie zu alt, zu jung, über- oder unterqualifiziert, zu dick oder zu dünn sind:

 

1. Informieren

Informieren Sie sich über die Branche und ihre vielfältigen Tätigkeitsfelder. Legen Sie zwei, maximal drei spezielle immobilienwirtschaftliche Themenbereiche fest, die Sie besonders interessieren oder interessieren könnten. Vertrauen Sie dabei auf Ihre Intuition: Was sich auf den ersten Blick für Sie spannend anhört, lohnt sich, näher untersucht zu werden.

 

Beschränken Sie sich bei der Informationssuche nicht nur auf Ihren Schreibtisch bzw. Bildschirm. Nehmen Sie Kontakt zu Menschen auf, die mit Ihren Themen beruflich zu tun haben. Begründen Sie Ihre Kontaktaufnahme mit dem persönlichen Interesse am Thema und einer kurzen Beschreibung Ihrer aktuellen Situation. Fragen Sie um Rat und bitten Sie um Unterstützung. Fragen Sie nach dem Werdegang Ihrer Gesprächspartner, nach den Vor- und Nachteilen einer Tätigkeit in diesem Bereich, nach den zukünftigen Entwicklungen und Trends. Fragen Sie nach Kontakten, die Ihnen ebenfalls etwas zu Ihrem Thema sagen können. Fragen Sie nicht nach einer Stelle, sondern konzentrieren Sie sich auf Informationen rund um die Frage, wie es ist, in diesem Bereich zu arbeiten! Führen Sie Folgegespräche mit jenen, die Ihnen von Gesprächspartnern empfohlen wurden, bei denen Sie ein gutes Gefühl hatten. Nach einigen Gesprächen wird klar sein, auf welches Thema Sie sich weiter konzentrieren werden und die Auswahl Ihrer Gesprächspartner wird sich auf jene konzentrieren, bei denen die Chemie stimmt.

 

2. Auswerten

Werten Sie die Ergebnisse Ihrer Gespräche aus und halten Sie fest, über welche Fähigkeiten Sie verfügen, die es Ihnen erlauben, z.B. Engpässe zu beseitigen oder zukünftige Entwicklungen im Sinne des Unternehmens zu nutzen. Beachten Sie dabei, dass die meisten Fähigkeiten übertragbar sind. Wenn Sie ein Organisationstalent sind, haben Sie diese Fähigkeit zwar möglicherweise in einer vollkommen anderen Branche oder sogar in Ihrer Freizeit erworben, aber Sie können sie auf ein beliebiges Tätigkeitsfeld übertragen und dort einsetzen.

 

3. Auswählen

Je mehr Gespräche Sie führen, desto eher werden Sie dazu in der Lage sein, mindestens drei Unternehmen benennen zu können, von denen Sie wissen, dass diese einen bestimmten Bedarf haben, den Sie als zukünftiger Mitarbeiter decken können und decken wollen. Dieses haben Sie in den Gesprächen deutlich herausgehört oder man hat Ihnen bereits deutliche Signale gegeben, jemanden für bestimmte Aufgabenbereiche zu suchen. Wählen Sie drei Unternehmen aus, bei denen Sie ohne zu zögern anfangen würden.

 

4. Mitarbeit anbieten

Vereinbaren Sie nun je einen Gesprächstermin mit denjenigen in Ihren drei ausgewählten Unternehmen, die das letzte Wort über eine Einstellung haben. Das ist im Normalfall niemand aus der Personalabteilung, sondern Ihr späterer Fachvorgesetzter oder die Unternehmensführung. Beschreiben Sie beim Termin kurz, was Sie bisher unternommen haben, bieten Sie unverbindlich an, den Bedarf, den Sie ermittelt haben, als zukünftiger Mitarbeiter zu decken. Beschreiben Sie in diesem Zusammenhang auch die (übertragbaren) Fähigkeiten, die Sie dabei einsetzen möchten. Machen Sie ruhig deutlich, dass Sie dieses Angebot auch zwei weiteren Unternehmen unterbreiten werden. Man wird Sie in absehbarer Zeit kontaktieren.

 

Einige Hintergründe, um zu verstehen, warum diese Vorgehensweise funktioniert. Bei herkömmlichen Stellenbesetzungsverfahren werden folgende Punkte der Reihe nach geprüft:

 

1. Liegen die formellen Voraussetzungen wie Qualifikation und Berufserfahrung vor?

2. Verfügt der Kandidat über die nötigen Fähigkeiten?

3. Ist er für die Sache motiviert?

4. Passt seine Persönlichkeit?

 

Es ist klar, dass hier Menschen mit einem aalglatten Lebenslauf die besten Chancen haben, während Quereinsteiger bereits an den ersten beiden Punkten scheitern. Der Nachteil aus Arbeitgeberperspektive ist, dass vor allem die letzten beiden Punkte über eine erfolgreiche Zusammenarbeit entscheiden und nicht die ersten beiden. Zu den häufigsten Ursachen, warum Arbeitsverhältnisse scheitern, zählen persönliche Differenzen zwischen Vorgesetzten und Kollegen sowie eine mangelnde Motivation für die Sache und somit eine unzureichende Identifikation mit den Unternehmenszielen. Innerhalb des Stellenbesetzungsverfahrens können solche Defizite kaum ermittelt werden. Sie stellen sich häufig erst nach Ablauf der Probezeit heraus.

 

Bei der zuvor beschriebenen pro-aktiven Vorgehensweise ist von Anfang an sichergestellt, dass die Fragen nach der Motivation und der persönlichen Passgenauigkeit mit einem eindeutigen Ja beantwortet sind. Anderenfalls hätte der Kandidat seine Mitarbeit von sich aus gar nicht erst angeboten. Frage 2 ist durch die Benennung der übertragbaren Fähigkeiten positiv beantwortet. Frage 1 spielt eine untergeordnete Rolle, wenn alle anderen Fragen bereits geklärt sind. Selbst wenn Defizite bei Erfahrung, Qualifikation und Fähigkeiten vorliegen, kann aufgrund der Motivation für die Sache und der persönlichen Eignung und Passgenauigkeit davon ausgegangen werden, dass der Kandidat das, was er an Fähigkeiten benötigt, sehr schnell bei der Einarbeitung und/oder on the job erlernt.

 

Diese Vorgehensweise ist auf den ersten Blick absolut ungewöhnlich. Aber nur im Bereich Arbeit und Beruf. In allen anderen Lebensbereichen – bei einer größeren Reise oder Anschaffung, selbst bei der Wahl des Partners –, ist es das Normalste der Welt, vorher Informationen einzuholen, diese auszuwerten und zu vergleichen und sich abschließend zu entscheiden.

 

Sie glauben nicht, dass es funktioniert? Probieren Sie es aus. Und schreiben Sie Ihre Erfahrungen, Fragen und Bedenken in den Kommentarbereich.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von Peter Müller
Erstveröffentlichung: The Property Post, Mai 2017

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