05.12.2022

ESG in der Umsetzung

Transformation der Immobilienwirtschaft zu mehr Nachhaltigkeit

Erscheinungstermin: September 2022

Herausgeber: Deutsche Hypo – NORD/LB Real Estate Finance

Die Dekarbonisierung von Immobilien ist ein zentraler Baustein, um die Klima­ziele der Bundesregierung (Klimaneutralität bis 2045) zu erreichen. Fortwährende regulatorische Initiativen, wie die EU-Taxonomie- und Offen­legungsverordnung, begleiten die Transformation der Immobilienwirtschaft zu mehr Nachhaltigkeit. Der Umwandlungsprozess gewinnt aber auch durch das aktuell herausfordernde Marktumfeld, insbesondere durch die steigenden Energiepreise, an Fahrt. Die neue Studie der Deutschen Hypo – NORD/LB Real Estate Finance zeigt die wesentlichen Herausforderungen, mit denen die Akteure der Immobilienwirtschaft bei der Umsetzung der regulatorischen Rahmenbedingungen im Bereich Nachhaltigkeit konfrontiert sind. Neben ausgewählten Lösungsansätzen zur ESG-Optimierung werden die Märkte für Green Buildings und Green Bonds betrachtet.

Aufgrund der Energie-Krise und der stark gestiegenen Preise für fossile Energieträger müssen sich Marktteilnehmer mit einem deutlich höheren Niveau an Energiekosten auseinandersetzen. Der Immobilienmarkt dürfte sich weiter ausdifferenzieren. Verkäufer nicht ESG-konformer Immobilien dürften mittel- bis langfristig Wertabschläge in Kauf nehmen müssen. Im Extremfall kann es dazu kommen, dass Objekte nicht mehr handelbar sind und zu Stranded Assets werden. Begleitet wird dies durch fortwährende regulatorische Initiativen zur Erreichung der Nachhaltigkeitsziele der EU in den Bereichen Environment, Social und Governance (ESG). So wird die EU-Taxonomie- und Offenlegungs-Verordnung kontinuierlich ergänzt und weiterentwickelt. Ab Januar 2023 findet beispielsweise der zweite delegierte Rechtsakt Anwendung, in dem technische Bewertungskriterien für die Umweltziele „Wasser“, „Circular Economy“, „Umweltverschmutzung“ und „Biodiversität“ festgelegt sind. Ebenso wird an einem einheitlichen EU Green Bond Standard (EU GBS) gearbeitet.

Der gegenwärtige Transformationsprozess der Bau- und Immobilienwirtschaft hin zu mehr Nachhaltigkeit hat durch die Weiterentwicklung der regulatorischen Rahmenbedingungen sowie angesichts des aktuellen Marktumfeldes somit zusätzlich an Fahrt gewonnen. Es wird noch einige Jahre dauern, bis alle Maßnahmen der verschiedenen Initiativen des EU-Aktionsplans zur Finanzierung nachhaltiger Wirtschaftsaktivitäten implementiert sein werden. Die Wirtschaft sowie die Finanzmarktakteure bewegen sich daher in einem sehr dynamischen Umfeld, in dem sie sich stetig auf Veränderungen einstellen müssen. Sollte der Gebäudesektor in den nächsten Jahren seine Klimaziele, wie in den beiden vergangenen Jahren, erneut verfehlen, dürfte die EU-Taxonomie noch anspruchsvoller werden. Für die Reputation und Glaubwürdigkeit ist insbesondere auch wichtig, dass das Risiko des „Green Washings“ durch transparente, einheitliche und nachvollziehbare gesetzliche Rahmenbedingungen vermieden wird.

Noch ist die Umsetzung von ESG aus verschiedensten Blickwinkeln mit Unsicherheit verbunden. Unter dem Druck der ESG-Regulatorik und der gesellschaftlichen Verantwortung ist es jedoch unumgänglich, sich den Herausforderungen von ESG zu stellen und neue Lösungsansätze zu entwickeln. Eine zentrale Herausforderung im Immobiliensektor stellt die Sanierung des Immobilienbestandes verbunden mit einer unzureichenden Datenbasis dar. Hierfür bedarf es auf der einen Seite der Anreize durch die öffentliche Hand und auf der anderen Seite eines regulatorischen Rahmens, der dies wirtschaftlich lohnenswert macht. Ein wichtiger Hebel bei der Erreichung der Klimaziele ist der in der Taxonomie fest verankerte Wandel hin zu einer kreislauffähigen Bau- und Immobilienwirtschaft. Zirkuläre Konzepte wie Cradle-to-Cradle in Kombination mit digitalen Plattformen und Tools wie das Online-Rohstoffregister Madaster, welches das Erstellen eines webbasierten Material-Gebäudepasses ermöglicht, oder Concular, ein Start-up Unternehmen, das Material in den Wirtschaftskreislauf zurückführt, leisten hierbei einen wesentlichen Beitrag. Gebäude werden somit immer mehr zu Rohstoffdepots, deren Wert angesichts der sich verschärfenden Rohstoffknappheit kontinuierlich steigen kann. Der Übergang zu einer Circular Economy erfordert neben dem richtigen Mindset auch gezielte politische Unterstützungsmaßnahmen (Anreize und Förderprogramme) sowie die interdisziplinäre Zusammenarbeit neuer sowie bestehender Marktteilnehmer entlang der gesamten Wertschöpfungskette.

Es ist essenziell, die beiden Megatrends Nachhaltigkeit und Digitalisierung zusammen zu betrachten. Zur Bewertung der Gebäudeeffizienz ist eine umfangreiche Datenbasis unumgänglich, die ausgewertet werden muss. Diese Flut an Daten kann letztendlich nur mit Hilfe digitaler Lösungen bewältigt werden. Daten, Sensorik, Smart Buildings und Analytics spielen dabei eine große Rolle, um langfristig eine nachhaltige und ökologische Bewirtschaftung von Gebäuden zu garantieren. Sie Digitalisierung stellt daher eine große Nachhaltigkeitschance für die Immobilienwirtschaft dar.

Der Markt für Green Buildings wächst kontinuierlich. Nicht nur die Anzahl zertifizierter Gebäude in Deutschland hat sich in den letzten Jahren äußerst dynamisch entwickelt, auch am Investmentmarkt konnten im vergangenen Jahr neue Rekordwerte verbucht werden. In Zukunft dürfte sich die positive Marktentwicklung von Green Buildings weiter fortsetzen. Hierzu dürften auch die teils noch uneinheitlichen bzw. nicht abschließend ausdefinierten regulatorischen Rahmenbedingungen beitragen. Auch im Segment der Green Bonds wächst die Investorennachfrage stetig. Das Green-Finance-Potenzial ist insbesondere bei der energieeffizienten Sanierung des Gebäudebestandes erheblich. Hinsichtlich des regulatorischen Rahmens ist es entscheidend, dass Detailvorschriften nicht die Dynamik bremsen, Kapital in klimafreundliche Projekte zu lenken. Damit Immobilien bzw. Produkte nachhaltig sind, müssen neben den Umweltzielen auch die anderen beiden Nachhaltigkeitsdimensionen (Soziales, Governance) gesetzlich geregelt werden. Dies würde die Unsicherheit der Marktteilnehmer reduzieren und Immobilienprojekte mit sozialer Komponente noch stärker in den Fokus rücken. Die große Transformation hin zu einem nachhaltigen Wirtschaften kann nur mit einem einheitlichen Branchenstandard gelingen.

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