28.02.2022

Öffentliche Infrastruktur

Aufstrebende Assetklasse oder Nischenprodukt?

Erscheinungstermin: Februar 2022

Herausgeber: bulwiengesa AG, Barton Group, audere Gesellschaftimmobilien

Internationale Krisen, gestörte Lieferketten, strengere Regulierungen bei Ressourcen- und Energieverbauch und eine neue soziale Relevanz – vor dem Hintergrund neuer Herausforderungen für den Immobiliensektor suchen verstärkt nach nachhaltigen Anlagechancen, mit hoher Resilienz vor exogenen Einflussfaktoren und stabilen Cashflows. In diesem Zusammenhang stehen Immobilien der öffentlichen Infrastruktur mehr und mehr im Fokus und es stellt sich die Frage, ob sie eine entsprechende Alternative darstellen können. Die Thematik „öffentliche Infrastruktur“ ist sehr facettenreich und stellt in der immobilienwirtschaftlichen Betrachtung bis dato noch ein Nischenthema dar. Anahnd einer aktuellen Kurzstudie hat sich bulwiengesa im Auftrag der Barton Group und audere Gesellschaftsimmobilien diesem Feld genähert und versucht, das Verständnis für diese Assetklasse zu erhöhen, insbesondere mit Blick auf die Investmentfähigkeit. Dabei fokussiert sich die Studie auf Verwaltungsimmobilien, Immobilien der öffentlichen Sicherheit und Bildungsimmobilien.

In einem ersten Schritt stellt sich zunächst die Frage nach einer Begriffsdefinition von „öffentlicher Infrastruktur“. Was ist öffentliche Infrastruktur überhaupt und welche Aspekte sind dabei für die Immobilienbranche von besonderem Interesse? Meist werden damit Einrichtungen umschrieben, auf denen das tägliche Funktionieren des Verkehrs, des Warentransports und der Kommunikation beruhen. Es sind aber auch Systeme der Ver- und Entsorgung etwa mit Wasser und Energie oder von Müll damit gemeint. In einem erweiterten Sinne können zudem soziale Räume wie Schwimmbäder oder Bibliotheken, Bildungs, Kultur und Betreuungseinrichtungen als Infrastrukturen bezeichnet werden. Grundsätzlich gilt, dass Infrastruktur sowohl auf einer technischen (u. a. Verkehrsnetze) als auch auf sozialer Ebene (u. a. Schule, Kita, Verwaltung) dimensioniert ist.

Nicht zuletzt die angespannte Haushaltslage einer Vielzahl der Kommunen stellt diese zusehends vor große Herausforderungen, die lokalen Infrastrukturangebote und -einrichtungen aufrecht erhalten zu können. Doch im Sinne des Wirtschaftswachstums und der zukünftigen Stadtentwicklung sind Verwaltungen praktisch zum Ausgeben verdammt. So hat sich über die Jahre ein gewaltiger Schuldenberg von rd. 133 Mrd. Euro angesammelt. Hinzu kommt ein Investitionsstau von geschätzt rd. 150 Mrd. Euro. Es zeigen sich neben Investitionsrückständen bei der technischen Infrastruktur (u. a. Straße und Verkehr) insbesondere Lücken bei Schulen/Bildungseinrichtungen, öffentlichen Verwaltungsgebäuden und hinsichtlich des Brand- und Katastrophenschutzes. Marode Verwaltungs- und Schulgebäude sowie baufällige Feuerwachen stellen bereits einen Hemmschuh für eine funktionierende Wirtschaftsstruktur dar.

Behördenimmobilien

Oftmals am Büroimmobilienmarkt unbeachtet, verfügen öffentliche Nutzer über einen beachtlichen Anteil an der Bürobeschäftigung. Mit rd. 12 % verfügt der öffentliche Sektor nach dem produzierenden Gewerbe über die zweithöchste Zahl an Bürobeschäftigten in Deutschland und zählt nicht selten zu den größten Arbeitgebern einer Stadt. Hinzu kommen noch rd. 700.000 Beamte im Verwaltungsdienst, wodurch der Anteil des öffentlichen Sektors in etwa mit dem produzierenden Gewerbe gleichzusetzen ist. Daraus lässt sich die immense Bedeutung ableiten, die von der öffentlichen Hand für den Immobilienmarkt ausgeht. So sind bspw. in Berlin rd. 25 % der Büroflächen durch die öffentliche Hand besetzt.

Immobilien der öffentlichen Sicherheit

In Deutschland stehen eine Vielzahl an Institutionenund Behörden zur Verfügung, um die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu gewährleisten. Die konkrete Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung erfolgt durch die Ausübung des staatlichen Gewaltmonopols. Dabei gliedert sich die Behördenstruktur der föderalen Gliederung folgend auf Bundesbehörden sowie die 16 Landesbehörden. Insbesondere den Staatsanwaltschaften und Bundesbehörden können klassische Nachfragemuster von Büronutzern unterstellt werden, da deren Tätigkeiten regulär im Büro stattfinden. Dabei folgen die Institutionen keinem klaren Standortmuster und sind sowohl in zentralen als auch dezentralen Standortlagen zu finden, analog zu den bereits dargestellten Mustern von klassischen Behördenimmobilien. Zudem findet ein Großteil der Polizeiarbeit in gängigen Bürostrukturen statt. Auch hier sind die Standortpräferenzen breit gefächert. So finden sich Polizeiwachen neben innerstädtischen Lagen ebenso an Standorten in dezentralen Bereichen sowie an neuralgischen Verkehrspunkten (z. B. Bahnhof/Flughafen/Autobahn).

Bildungsimmobilien

Nach dem Kindergarten kommt die Schule. Und auch hier besteht ein dringender Handlungsbedarf. Deutschlands Schulen sind seit Jahren marode und vielerorts fehlt das Geld für die dringend nötigen Investitionen. Wie bereits dargestellt summiert sich der Investitionsstau im Schul- und Bildungswesen auf rd. 46,5 Milliarden Euro. Die deutsche Bildungslandschaft ist dabei sehr vielfältig. Das mehrgliedrige Bildungssystem verteilt die rd. 8,5 Mio. Schüler ausgehend von der Grundschule auf weiterführende Bildungseinrichtungen. Insgesamt liegt die Anzahl der allgemeinbildenden Schulen in Deutschland derzeit bei rd. 32.000. Dabei unterstreichen auch die prognostizierten Schülerzahlen in den kommenden Jahren den hohen Bedarf an Schulbauinvestitionen. So rechnet die Kultusministerkonferenz mit einem Schülerzuwachs von rd. 1 Mio. Schülern bis 2030. Nicht zuletzt der zukünftige Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung
für Grundschüler erhöht den Investitionsbedarf insbesondere in Grundschulen dabei zusätzlich. Neben den allgemeinbildenden Schulen findet sich in der Bildungslandschaft noch ein weitreichendes Spektrum an (Berufs-) Fachschulen/Ausbildungszentren sowie Weiterbildungseinrichtungen (bspw. Volkshochschulen).

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