23.11.2017

20 Jahre Gebäudetechnik

Effizienter und umweltfreundlicher

Dr. Ulrich Nagel, Senior Kommunikationsberater / Redakteur The Property Post, RUECKERCONSULT GmbH
Dr. Ulrich Nagel

Die maßgeblichen Entwicklungen in der jüngeren Geschichte der Gebäudetechnik lassen sich mit den beiden Trends Zentralität und Vernetzung resümieren. Strom- und Wärmeversorgung haben sich an einen zentralen Ort innerhalb der Immobilie verlagert, mittels Sensorik können genaue Verbrauchskonzepte für einzelne Räume formuliert werden. Bei diesem Prozess hin zu mehr umweltschonender und effizienter Technik spielte ein Akteur eine nicht zu unterschätzende Rolle: der Gesetzgeber.

Der Potsdamer Platz in Berlin feiert im kommenden Jahr den 20. Jahrestag seiner Neugestaltung. Es gibt einiges zu feiern, da die von Daimler-Benz angestoßene Neubebauung den Wüstenei-Status des Platzes im Mauerstreifen beseitigte und den Grundstein zu einem urbanen Musterquartier legte. Im Mittelpunkt der damaligen Überlegungen zur Erschließung stand der Gedanke einer höchsteffizienten Energieversorgung – sowohl nutzerfreundlich als auch umweltschonend. Daher schloss man die Heizungssysteme der Büro- und Einzelhandelsflächen an das Fernwärmenetz an, die Klimatisierung funktioniert analog dazu über Fernkälte. Die Fassadengestaltung und Dämmung erfolgte nach der Maßgabe einer möglichst hohen Wärmerückgewinnung, Zisternen sammeln Regenwasser und lassen es direkt in das Sanitärsystem einfließen.

Einer der damals maßgeblich beteiligten Akteure in der technischen Gebäudeausstattung war das Berliner Bauunternehmen UNDKRAUSS. Heute sagt Jens Roggelin, leitender Gebäudetechniker bei UNDKRAUSS: „Bei allen Komponenten stand damals die Frage im Raum: Was kann ich wiederverwenden? Recycling, vorher nur auf Abfälle bezogen, übertrug sich nun auf Strom, Wärme und Wasser.“ Die Fokussierung auf mehr Effizienz und Nachhaltigkeit in der Gebäudetechnik wurde neben einzelnen innovativen Unternehmen durch den Gesetzgeber maßgeblich gefördert. Bereits vor Unterzeichnung des Kyoto-Protokolls zur weltweiten Reduzierung des CO2-Ausstoßes im Jahr 1997 legte eine EG-Richtlinie 1993 die gesetzliche Pflicht zur regelmäßigen Anlageninspektion und Energieberatung fest. Neun Jahre später führte die europäische Gebäudeenergierichtlinie zur Einführung des Energieausweises für Immobilien und zu festen Verbrauchs- und Effizienzvorgaben in der Gebäudetechnik. Das EG-Regelwerk mündete in Deutschland 2002 in die erste Fassung der noch heute heiß diskutierten Energieeinsparverordnung (EnEV). Ihr wesentlicher Kern ist die neue Bilanzierung der Verbrauchswerte, die sich nun an der Primärenergie richtet, die die bei der Erzeugung, Verteilung und Speicherung zusätzlich aufgebrachten Energiemengen berücksichtigt. Der deutsche Gesetzgeber ging in vielen Fällen noch über die europäischen Vorgaben hinaus. So wurde die 2007 formulierte europäische Maßgabe zum Ausbau regenerativer Energien um 20 Prozent vom Stand 1990 bis 2020 hierzulande auf 40 Prozent verdoppelt. Der 2008 eingeführte obligatorische Energieausweis gilt in Deutschland für alle Bauten über 50 Quadratmeter Nutzfläche ohne Denkmalstatus. Ohne vorliegenden Ausweis drohen Bußgelder von 15.000 Euro an.

Mehr Komfort gefragt

Doch nicht nur die gesetzlichen Vorgaben weiteten sich aus, sondern auch die Nutzerbedürfnisse. „Der Komfortanspruch von Büronutzern ist in den letzten 20 Jahren extrem gestiegen. Wo früher die Stoßlüftung und das Heizungsrad reichten, werden heute exakte Temperaturen und genaue Luftzuflüsse nachgefragt“, stellt Hans-Jörg Frieauff, Geschäftsführer von Goldbeck Nord, fest. „Die gezielte Energieversorgung einzelner Zonen innerhalb derselben Etage ist in den letzten Jahren zur größten Herausforderung der Gebäudetechnik geworden.“ Die Ursache hierfür liegt in einer verstärkten Flächendifferenzierung von Büroimmobilien. Während in den 1990er Jahren noch die klassische Aufteilung nach Arbeitsplatz, Besprechungsraum und Teeküche vorherrschte, kamen in den Folgejahren Freizeitflächen, Lounges oder Einzelkabinen zum konzentrierten Arbeiten und Telefonieren hinzu. Jede Teilfläche hat entsprechend unterschiedliche Anforderungen hinsichtlich Klimatisierung, Luftzufuhr oder Beleuchtung.

Dass die Ansprüche innerhalb kurzer Zeit in diesem Maße gestiegen sind, ist die unmittelbare Folge technischer Errungenschaften. „Viele Zweck-, Geschäfts- und Wirtschaftsbauten konnten erst durch innovative Konzepte der Gebäudetechnik realisiert und sinnvoll nutzbar gemacht werden“, sagt Günther Mertz, Hauptgeschäftsführer des Bundesindustrieverbands Technische Gebäudeausrüstung (BTGA). Einen wesentlichen Impuls hierzu gab die moderne Sensorik, die in den vergangenen 20 Jahren zu einer Verzehnfachung der verfügbaren Daten geführt hat. „Sensoren geben die Messdaten an die Gebäudeautomation weiter und sorgen so für eine bedarfsgerechte Versorgung einzelner Gebäudeteile“, erklärt Frieauff. Neben den Einsparungen durch die rein bedarfsorientierte Energieaufbereitung sind weitere Effizienzgewinne durch die Fortentwicklung der einzelnen Geräte erzielt worden. In der Kältetechnik sind hermetische Anlagen auf den Markt gekommen, die kaum noch Energie entweichen lassen. Die dazugehörigen Kältemittel setzen verstärkt auf eine natürliche Basis, die erforderlichen Füllmengen haben sich signifikant reduziert. Für die Heizversorgung haben sich Lösungen über Kraft-Wärme-Kopplungen wie Gas-Brennwertkessel oder Blockheizkraftwerke durchgesetzt. Abwärme aus der Stromerzeugung wird dabei zur Wärmeenergie für die Heizung. Besonders durch die staatliche Förderung ab Jahresbeginn 2009 erfolgte eine erhebliche Ausweitung dieser Heizsysteme. Vielerorts ist eine Anbindung an das lokale Fernwärmenetz gegeben, um austretende Energie an anderer Stelle wieder verfügbar zu machen. Moderne Vier-Leiter-Systeme mit gekoppeltem Vor- und Rücklauf für die Wärme- und Kälteversorgung sind wesentliche Komponenten in der bedarfsgerechten Energieaufbereitung für einzelne Räume und Etagen.

Integrierte TGA-Konzepte auf dem Vormarsch

Durch die digitalisierte Geräteinformation ist eine Fernwartung in vielen Bereichen der Gebäudetechnik möglich geworden. Die einzelnen Komponenten sind dann in das IT-System des Immobiliennutzers integriert, der zuständige TGA-Techniker schaltet sich über einen Remote Connection Service hinzu. Das Berufsbild des Gebäudetechnikers hat sich dementsprechend weiterentwickelt: „Sie müssen heute Fähigkeiten im Umgang mit IT im Allgemeinen und Spezialsoftware im Besonderen sowie auch betriebswirtschaftliches Verständnis zusätzlich mitbringen“, erklärt Torsten Hannusch, Geschäftsführer der GIG Technologie- und Gebäudemanagement. Ebenso bedeutsam wie die nachgelagerte Expertise ist die verstärkte Kooperation zwischen den Parteien in der frühen Phase der Gebäudekonzeption. „Der Architekt, der alleine in seiner Kammer ein Gebäude plant, ist Vergangenheit“, sagt Roggelin von UNDKRAUSS. „Von Beginn an sind Plattformen geboten, die Architekten, technische Planer und das Bauteam im Hoch- und Ausbau zusammenführen.“ Das Berliner Bauunternehmen gliederte seinen Fachbereich Gebäudetechnik aufgrund der zunehmenden Komplexität der Aufträge sogar in eine eigene Gesellschaft aus. Auf diese Weise haben auch Contracting-Modelle Einzug in die Gebäudetechnik gehalten: Sie umfassen Vertragspartnerschaften vom Planungsbeginn an über die gesamte Betriebsphase der Immobilie. Zusätzlichen Antrieb erfährt dieser Trend zur Vereinheitlichung und vertieften Kooperation durch Building Information Modeling (BIM). Die 2003 erstmalig in der Praxis gezeigte Arbeitsmethode mit einem digitalen und verknüpfbaren Gebäudemodell wird aller Voraussicht nach in den kommenden 20 Jahren das maßgebliche Thema in der Gebäudetechnik sein.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von Rueckerconsult GmbH
Erstveröffentlichung: Die Immobilienwirtschaft, September 2017

Konversation wird geladen