07.12.2016

BIM und Recht

Neue Vertrags- und Versicherungsmodelle erforderlich

Prof. Dr. Antje Boldt, Equity Partner, ARNECKE SIBETH DABELSTEIN Rechtsanwälte Steuerberater Partnerschaftsgesellschaft mbB
Prof. Dr. Antje Boldt

Ein neues Thema bewegt seit geraumer Zeit alle, die mit Bauen zu tun haben: BIM, die vernetzte Planung von Objekt- und Fachplanern in speziellen 3D-Planungsprogrammen. Mit dieser Planung ist man in der Lage die unmittelbaren Folgen von Änderungen nicht nur optisch am Gebäudemodell sichtbar zu machen, sondern auch die Auswirkungen auf Termine (4D) und Kosten (5D) darzustellen. Die Vorteile, die sich hieraus ergeben, sind nicht nur für Bauherren, die jederzeit einen tagesgenauen Überblick über ihre Baustelle haben, offensichtlich. Auch Planer profitieren, weil sie haftungsträchtige Fehler durch übersehene Schnittstellen zu anderen Planern, die in der Bauausführung zu Mängeln und notwendigen Änderungen führen, vermeiden. Es ist daher nicht verwunderlich, dass immer mehr Bauherren den Einsatz dieser digitalen Planungsmethode fordern.

Multi-Risk- und Datenversicherung

Ein bislang in Deutschland kaum beleuchteter Aspekt ist jedoch die Frage der Versicherbarkeit der mit der vernetzten Planung verbundenen Risiken. Seit einigen Jahren wird für komplexe Bauvorhaben eine sogenannte Multi-Risk-Versicherung angeboten, durch die verschiedene Versicherungsverträge, wie z.B. die Haftpflichtversicherungen der Planer und ausführenden Unternehmen sowie die Sach-, Bauleistungs- und Betriebsunterbrechungsversicherungen des Bauherrn gebündelt werden. Für BIM-basierte Projekte wird diese Versicherung weiter an Bedeutung gewinnen. Hierfür gibt es verschiedene Gründe. Da die einzelnen Baubeteiligten und damit auch Haftungsverantwortlichen sehr eng in einem virtuellen System oder mittels konstanter Vernetzung in einem Datenraum zusammen arbeiten, ist eine Zuordnung etwaiger Fehler schwierig.Auch die Beantwortung von haftungs- und deckungsrechtlichen Fragen im Rahmen von Einzelverträgen wird schwerer möglich. Die Versicherungswirtschaft muss daher Lösungen liefern, die dem Bauherrn mühsame Sachverständigenanalysen ersparen.

Durch die vernetzte Planung und die damit verbundene Ansammlung riesiger Datenmengen ergeben sich für die Versicherungswirtschaft weitere spannende neue Tätigkeitsfelder:So wird zukünftig der Abschluss von Cyber-Versicherungen zum Schutz der gesammelten Daten auch im Zusammenhang mit großen Bauvorhaben an Bedeutung gewinnen. Außerdem wird es der Versicherungswirtschaft letztlich sicherlich gelingen, dank des Einsatzes von BIM auch Bauzeitverzögerungen oder gar Kostenüberschreitungen versicherbar zu machen. In jedem Fall wird BIM die Versicherungswirtschaft in den nächsten Jahren intensiv beschäftigen.

Planungsmitverantwortung des Bauunternehmers

Wenig Beachtung findet momentan in Deutschland noch ein weiterer entscheidender Vorteil von BIM: Das Planungstool ermöglicht es dem Auftraggeber den Generalunternehmer oder die wesentlichen bauausführenden Firmen frühzeitig in die Planung mit einzubinden. Hierdurch wird nicht nur sichergestellt, dass die spätere Bauaufgabe vollkommen transparent und in Ihrem genauen Leistungsumfang seitens der Baufirmen verstanden wird, sondern es können vor allem das Know how und die Innovationskraft der Unternehmer ausgeschöpft werden. Es liegt auf der Hand, dass es so zu weniger Kosten wegen Nachtragsleistungen und zu einer größeren Terminsicherheit kommt. In anderen Ländern, wie z.B. England oder Australien wird dies bereits erfolgreich und nahezu flächendeckend praktiziert und auch in Deutschland werden die Rufe nach einem echten „Partnering“- Vertrag immer lauter.

Lückenloses Facility Management

Durch die Übertragung aller digitalen Daten an den Facility- oder Immobilienmanager erübrigt sich die Übergabe der Projektunterlagen in Papierform, die erfahrungsgemäß zudem meist unvollständig ist. Obwohl ca. 90 Prozent der Gesamtkosten während der Lebensdauer eines Gebäudes auf die Gebäudeinstandhaltung und –verwaltung entfallen, ist dieser Vorteil noch nicht wirklich ausgeschöpft worden. Durch die Schaffung eines digitalen Gebäudemodells, welches neben sämtlichen Materialangaben auch deren örtlichen Bezug, technische Dokumentationen, Kosten- und Verkaufsdaten enthält wird sichergestellt, dass bei Übergabe des Projekts vom Entwurfs- und Bauteam an den Gebäudeeigentümer oder ‑verwalter keine Daten verloren gehen. Dadurch kostet die Verwaltung während des gesamten Lebenszyklus des Gebäudes bis hin zum Rückbau weniger Zeit und Geld.

Besonderheiten in der Vertragsgestaltung

Unter rechtlichen Gesichtspunkten stellt BIM allerdings eine Herausforderung dar: Da alle Baubeteiligten gemeinsam in einem Gebäudemodell arbeiten, muss vertraglich exakt geregelt werden, wer welche Aufgabe hat und wer für welche Fehler verantwortlich ist. Außerdem müssen Zugriffsrechte auf die Software festgeschrieben werden, damit Änderungen nur von demjenigen vorgenommen werden können, der die entsprechende Planungskompetenz besitzt. Da ein digitales Gebäudemodell entsteht, stellen sich auch neue Fragen zum Urheberrecht und der Verwendung und gegebenenfalls Änderung der BIM-Daten durch den Bauherren oder Dritte. Schließlich sind Honorarfragen zu regeln, die den Mehr- aber auch Minderaufwand durch BIM sowohl beim Planer aber auch bei der Baufirma abbilden.

Alles in allem wird sich das Bauen zukünftig verändern. Insbesondere der Bauherr wird eine wesentlich größere Sicherheit für die von ihm getätigte Investition in eine neue oder zu sanierende Immobilie gewinnen.

Prof. Dr. Antje Boldt ist Fachanwältin für Bau- und Architektenrecht und im Vorstand des Deutschen Baugerichtstages. Sie leitet dort den Arbeitskreis BIM, der sich mit den rechtlichen Fragestellungen beschäftigt, die die vernetzte Zusammenarbeit aller am Bau Beteiligten mit sich bringt.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von ARNECKE SIBETH Rechtsanwälte Steuerberater
Erstveröffentlichung: Facility Manager, Juli/August 2016