16.08.2017

Catella Market Tracker 04/2017

Assetklassen Senior Housing und Healthcare-Immobilien im Investorenfokus

Dr. Thomas Beyerle, Managing Director, Catella Property Valuation GmbH
Dr. Thomas Beyerle

Der demografische Wandel hin zu einer strukturell älter werdenden europäischen Gesellschaft gerät in den letzten Jahren immer stärker in den Fokus von Politik und Kapitalmärkten. Dabei werden besonders die negativen Auswirkungen auf die Sozialsysteme, die Altersarmut und der sog. „Asset Meltdown“-Effekt als die größten Herausforderungen für die Zukunft in Europa identifiziert. Allerdings sind etliche in der Vergangenheit eindimensional definierte und oftmals linear fortgeschriebene Prognosen teilweise überholt. Die Gleichung „Alternde Gesellschaft“ gleich „steigende Nachfrage nach Sozialimmobilien“ ist jedoch bedeutend zu kurz gegriffen – zwar mag es eine Korrelation geben, aber nur mittelbar eine Kausalität. Es bedarf nicht zuletzt eines externen Schocks („extreme Bildungsanforderungen an die jüngere Generation“) wie wir es z. B. seit Jahren in der aufstrebenden Assetklasse „Student Housing“ gesehen haben. Allein bei der Begriffsdefinition scheinen sich zwei Säulen zu identifizieren: hier das sog. „Senior Housing“, dort das Segment „Healthcare-Immobilien“.

Beide beschreiben die Extrempunkte eines Spektrums innerhalb des Marktes der sog. Sozialimmobilien. Doch wo verläuft die Grenze zwischen den beiden Immobilientypen? Eine eindeutige Trennung ist dabei nicht immer möglich, da die Formen aktuell ineinander verlaufen können – ein untrügliches Zeichen, dass sich der Markt hier noch nicht länderübergreifend gefunden hat bzw. keine klaren Marktprofile, geschweige denn Standards entwickelt hat. Allgemeingültig ist jedoch, dass sowohl Senior Housing, als auch Healthcare-Immobilien mit ihren jeweiligen Objektspezifika die Assetklasse „Sozialimmobilien“ definieren. Eine grundsätzliche Unterscheidung der dazugehörigen Einrichtungen wird in Tabelle 1 vorgenommen.
 


 

Healthcare-Immobilien zeichnen sich, verglichen mit Senior Housing- Immobilien, insbesondere durch die zum Pflegepersonal zusätzliche Präsenz von Ärzten und durch andere juristische Rahmenbedingungen aus. Zudem gehören bei Healthcare-Immobilien nicht nur Senioren zur Zielgruppe, sondern auch alle anderen Altersklassen mit gesundheitlichen Schwierigkeiten. Dennoch bilden Senioren die strukturell größte und eben am schnellsten wachsende Gruppe.

Senior Housing-Immobilien sind im Gegensatz zu Healthcare-Immobilien meist auf einen längerfristigen Aufenthalt ausgelegt und daher auf ein höheres Niveau an Wohnkomfort ausgerichtet. Hinzu kommt der zwischenmenschliche bzw. gruppenspezifische Aspekt in dieser Wohnform. Wird in der Zukunft also die Anzahl von Senioren- und Gesundheitsimmobilien durch eine alternde Bevölkerung automatisch steigen? Liegt in den Wachstumsprognosen das große Potential dieser neuen Assetklassen?

Silver Society – wir altern, aber anders als früher
Unsere Gesellschaft wird immer älter. Dieser Trend liegt an der steigenden Lebenserwartung der Bevölkerung und dem daraus abzuleitenden wachsenden Anteil der älteren Menschen an der Bevölkerung. Die Entwicklung der Lebenserwartung in Europa seit 2006 wird in Abbildung 1 dargestellt. Diese steigt seit zehn Jahren kontinuierlich und wird auch Prognosen zufolge immer weiter steigen, 2030 beispielsweise auf einen Wert von 84,7 Jahre. Doch nicht nur die Lebenserwartung und das Durchschnittsalter der Gesellschaft verändern sich, sondern auch das Altern generell. Während man sich in der Vergangenheit nach dem Arbeitsleben ausruhte, sich sprichwörtlich zur Ruhe setzte, beginnt heute für viele nach dem Beruf ein deutlich aktiverer Lebensabschnitt. Die Senioren von heute (und von morgen) möchten ihre neugewonnene Zeit nutzen, um neuen oder alten Hobbys nachzugehen, um zu reisen, um etwas zu erleben und bilden damit eine aktive Konsumentengruppe. Hinzu kommt, dass der Bruch zwischen Berufsleben und Rente immer fließender von Statten geht, bzw. viele Senioren sogar weiterhin aktiv im Berufsleben beteiligt sind (Silverpreneure). Dieser Trend, auch im höheren Alter noch berufstätig zu sein, sei es auch in einem geringeren Maße, wird für die weitere gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung zukunftsweisend sein.
 


 

Das neue Bild des „Alterns“ sieht die Zeit nach dem Berufsleben, als einen neuen aktiven, produktiven und erlebnisreichen Lebensabschnitt, in welchem auch entsprechend hohe Ansprüche gestellt werden dürfen, mit klaren Positionen zur Immobile, zum Standort, zur Infrastruktur und zu der Ausstattung.

Diese Entwicklung beeinflusst auch die Gesundheitsindustrie auf allen Ebenen. Neue Technologien aufgrund zunehmender Digitalisierung, aber auch Trends wie beispielsweise Medizintourismus zeigen den Wandel des Healthcare-Sektors. Die konkrete Auswirkung auf Senior Housing-Immobilien insbesondere kann nicht allgemeingültig gemessen werden, allerdings nehmen die Ansprüche bezüglich Faktoren wie Lage oder Qualität von Pflege- und Gesundheitseinrichtungen zu. Das Beibehalten des individuellen Lebensstils wird auch im fortgeschrittenen Alter ein Thema bleiben, sodass die gute Erreichbarkeit der Immobilien und ein Spielraum für die Individualisierung des Wohnraumes in Zukunft Einfluss auf die Gestaltung sowohl von Senior Housing- als auch von Healthcare-Immobilien haben werden. Investoren bilden gerade diese Aspekte in ihren Marktprognosen ab. Erschwerend gestaltet sich gleichwohl die Marktforschung zwischen rationaler Entscheidung für ein solches Objekt und der psychologisch nachwirkenden Verdrängung des Umzugswillens („Nur wenn es nicht mehr geht“). Mit anderen Worten: die Entscheidung wird oftmals nicht von den zukünftigen Bewohnern getroffen sondern von den – wenn vorhanden – Kindern oder der Enkelgeneration. Im ungünstigsten Fall von Behörden.

Die Bauweise und das Design dieser Objekte sind allerdings auch an rechtliche Rahmenbedingungen gebunden. Je nach Einrichtung und Zielpublikum – Seniorenresidenz oder spezifische Pflegeheime – bestehen verschiedene Anforderungen, welche die Behandlung und den Heilungsprozess neben der Bequemlichkeit der Einrichtung fördern sollen. Die Individualisierung von Senior Housing und auch Healthcare-Immobilien anhand von physischen und persönlichen Notwendigkeiten erleichtert zudem durch die Erfassung individueller Datenprofile für die Pfleger und Mitarbeiter die Zusammenarbeit mit Bewohnern und erhöht zusätzlich den Wohnkomfort für die Bewohner.

Bezüglich der Pflegeheime und Seniorenresidenzen, muss weiterhin – ähnlich wie bei Studentenwohnheimen – zwischen verschiedenen Trägern unterschieden werden. Gemeinnützige und kirchliche Träger stehen privaten Senior Housing- und Healthcare-Immobilien gegenüber, die für höhere Preise hochwertigere Ausstattungen und ein Potential zur Personalisierung anbieten. Aufgrund dessen ist fast ausschließlich diese Art von Sozialimmobilien für Investoren von Interesse.

Heterogenität der Marktsituation in Europa
Der Markt für Senior Housing- und Healthcare-Immobilien ist im europäischen Raum – verglichen mit Nordamerika, Japan oder Südafrika noch in der Startphase. Besonders im Vergleich zu den USA sind die bisherigen Investitionen und Transaktionen noch gering. Jedoch lässt sich ein eindeutiges Wachstum in den letzten Jahren verzeichnen.

Catella Scoringmodell „Marktchancen Europa“
In unserem Catella Scoringmodell „Marktchancen in Europa anhand ausgewählter Faktoren“ (Abbildung 2) werden verschiedene Faktoren, welche die Marktchancen für Senior Housing- und Healthcare-Immobilien beeinflussen, zusammengefasst dargestellt. Betrachtet wurde dabei zum einen die
- aktuelle Qualität des Gesundheitssystems, aber auch
– die Entwicklung dessen in den letzten zehn Jahren.
– Zum anderen wurden demografische Faktoren mit einbezogen, beispielsweise
die Höhe des Anteils der Senioren an der Gesamtbevölkerung,
die Veränderung dessen in der Vergangenheit und in der Zukunft
(laut Prognosen)
– sowie die erwarteten gesunden Lebensjahre der Zielgruppe.
 
Ausgewählte Faktoren und der Scoringwert für die einzelnen Länder werden in Tabelle 2 aufgeschlüsselt. Die zugrundeliegende Annahme geht von einem weiter entwickelten Markt für Senior Housing und Healthcare- Immobilien aus, wenn der Gesundheitssektor des jeweiligen Landes ebenfalls schon stark entwickelt ist (Qualität) und bereits Investitionen getätigt wurden, da die notwendigen Investitionsbedingungen gegeben sind. Zudem ist die Größe der Zielgruppe (Quantität) ein entscheidender Faktor für Investoren. Folgende Ergebnisse liefert unser Scoringmodell: Die positive Einschätzung für Österreich und Deutschland erklärt sich durch das starke Gesundheitssystem und die strukturell ältere Bevölkerung. Deutschland hat mit 821 Betten auf 100.000 Einwohner die höchste Zahl an Krankenhausbetten Europas, Österreich folgt auf Platz zwei mit 759. Außerdem ist in Deutschland der Anteil 65 bis 79 Jähriger mit 15,4 Prozent am höchsten. Den mit Abstand geringsten Anteil älterer Menschen hat Irland mit 9,9 Prozent, dicht gefolgt von Luxemburg mit 10,2. Österreich ist europäischer Spitzenreiter was die Ärztedichte betrifft. Hier kommen auf 100.000 Einwohner ca. 500 Ärzte. Dahinter liegen Norwegen (431), Litauen (428) und Schweden (412). Eine extrem niedrige Ärztedichte existiert in Polen (224), Irland (269) und Großbritannien (277). Die höchsten Gesundheitsausgaben, gemessen am BIP, werden in der Schweiz, den Niederlanden, Deutschland und Schweden getätigt (ca. 11 Prozent des BIP).

Wachstum und Dynamik für die Zukunft
Die Gleichung „Eine alternde Gesellschaft bedeutet eine steigende Nachfrage nach Sozialimmobilien“ lässt sich nicht ohne Einschränkungen verifizieren. Zwar wird die Zielgruppe dieser Immobilien auch in Zukunft weiterhin stetig wachsen, was durchaus ein großes Potential dieser Assetklassen ausmacht, jedoch wird die effektive Nachfrage nicht unbedingt synchron dazu steigen. Der Trend „Silver Society“ wird einerseits den Nachfrageanstieg leicht bremsen, da die Gesellschaft auch im Alter noch aktiv und relativ gesund sein wird. Andererseits wachsen die Ansprüche an die Qualität der Immobilien durch diesen Trend, was wirtschaftliche Vorteile für Investoren bieten kann. Senior Housing bietet auf den ersten Blick aufgrund der stärkeren Quantifizierbarkeit der zukünftigen Zielgruppe eine interessante Marktentwicklung mit sich. Allerdings definiert diese neue Zielgruppe auch einen Strukturwandel innerhalb der Sozialimmobilien. Einfacher formuliert: ein gänzlich neues Marktsegment entsteht in Europa. Für Healthcare wie erum wird die Nachfrage nichtsdestotrotz weiter in großem Maße bestehen bleiben. Bezüglich interessanter Märkte bieten Österreich und Deutschland zurzeit die besten Investitionsbedingungen. Märkte wie Großbritannien oder Irland sind in ihrer Entwicklung noch nicht so weit, was beispielsweise das wenig entwickelte Gesundheitssystem zeigt. Dennoch können sich diese bisher weniger entwickelten Healthcare-Märkte in eigentlich starken Immobilienmärkten in diesem dynamischen Marktgeschehen in den kommenden Jahren schnell verändern.

Autoren: Sean Nolan und Dr. Thomas Beyerle, Catella Property Valuation GmbH


 

Hier geht es zum PDF-Dokument des Catella Market Tracker April 2017 - „Senior Housing und Healthcare Immobilien“

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von Catella Property Valuation GmbH
Erstveröffentlichung: Catella Website, April 2017

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