20.05.2015

Dauerbrenner des Steuerrechts

Übergang der Steuerschuldnerschaft für Bauleistungen – Reaktionen auf geänderte BFH-Rechtsprechung.

Rolf Künemann, Partner, Deloitte & Touche GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
Rolf Künemann

In Ausgabe 04/2013 unserer Real Estate News hatten wir über die aktuelle Rechtsprechungsentwicklung (BFH-Urteil vom 22.08.2013, Az.: V R 37/10) zu diesem „Dauerbrenner“ des Immobiliensteuerrechts sowie deren zu erwartende weitreichende Konsequenzen berichtet. Zwischenzeitlich hat die Finanzverwaltung in zwei BMF-Schreiben hierzu Stellung genommen, mindestens ein Weiteres ist bereits angekündigt. Eine Gesetzesänderung wird ebenso zeitnah erwartet. Mit BMF-Schreiben vom 05. Februar 2014 (BStBl. I 2014, 233) hat die Finanzverwaltung sich den Rechtsgrundsätzen des BFH-Urteils vom 22.08.2013 angeschlossen.

Mit BMF- Schreiben vom 08. Mai 2014 (BStBl. I 2014, 823) hat sie dem dringenden Verlangen der Praxis nach einer Übergangsregelung hinsichtlich möglicher Abrechnungsmodalitäten Rechnung getragen. Zu der in ihrer wirtschaftlichen Tragweite bedeutsamsten Frage nach der Liquiditätswirkung dieser Rechtsprechung für die Vergangenheit hat die Finanzverwaltung bislang nicht Stellung genommen, hierzu aber ein weiteres BMF-Schreiben angekündigt.

BMF-Schreiben vom 05. Februar 2014
Die Finanzverwaltung hat sich in folgenden Punkten der BFH-Rechtsprechung angeschlossen:

Für den Übergang der Steuerschuldnerschaft kommt es nunmehr auf einen „Direktbezug“ und somit darauf an, dass „der Leistungsempfänger die an ihn erbrachte Bauleistung seinerseits zur Erbringung einer derartigen Leistung“ verwendet (Abschnitt 13b 3. Absatz 1 Satz 2 UStAE n.F.). Umgekehrt greift die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers derzeit nicht für Bauträger, die ausschließlich Lieferungen erbringen, die unter das Grunderwerbsteuergesetz fallen.

Die bisherige Ausschlussgrenze von 10%, ist derzeit irrelevant. Entscheidend ist vielmehr ein Nachweis, aus dem sich ergibt, dass der Leistungsempfänger ein Unternehmer ist, der die empfangenen Bauleistungen seinerseits zur Erbringung einer derartigen Leistung verwendet(„Direktbezug“).

Im Übrigen kommt es nicht mehr darauf an, ob sich die Beteiligten über die Handhabung der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers ursprünglich einig waren oder nicht. Die Vereinfachungsregelung in Abschnitt 13b 8 UStAE wird in Bezug auf Bauleistungen herausgenommen und mithin abgeändert (vgl. dazu jedoch die Übergangsregelungen im BMF-Schreiben vom 08. Mai 2014).

BMF-Schreiben vom 08. Mai 2014
Für vor dem 15. Februar 2014 begonnene Bauprojekte besteht umfassend die Möglichkeit der einvernehmlichen weiteren Anwendung als §-13b-UStG-Umsatz (somit weiterhin Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers). Wir empfehlen, die Einvernehmlichkeit mittels eines gesonderten Schreibens an den Leistenden zu fixieren. Die Notwendigkeit von Rechnungsberichtigungen besteht dann nicht. In der Schlussrechnung ist dabei der Passus aufzunehmen, dass die Beteiligten einvernehmlich davon ausgehen, dass der Leistungsempfänger in Anwendung der bis zum 14. Februar 2014 geltenden Verwaltungsanweisungen in Abschnitt 13b 3 und 13b 8 UStAE als Leistungsempfänger nach § 13b Abs. 5 i.V.m. Abs. 2 Nr. 4 UStG auch Steuerschuldner der Schlusszahlung ist.

Das BMF-Schreiben (Datum der Veröffentlichung des BMF-Schreibens vom 05. Februar 2014 im Bundessteuerblatt: 14. Februar 2014) ermöglicht im Übrigen Übergangsregelungen für Anzahlungsfälle, bei denen vor dem 15. Februar 2014 Anzahlungen geleistet wurden, deren Schlussabrechnung jedoch erst ab dem 15. Februar 2014 erfolgt.

Gesetzlicher Grundfall: Abschlagsrechnungen wurden unter Anwendung von § 13b UStG erstellt. Die Berichtigung der Abschlagsrechnungen kann unterbleiben, wenn der leistende Unternehmer in der Schlussrechnung die Umsatzsteuer auf das Gesamtentgelt anfordert. Die geleisteten Anzahlungen sind mit dem Nettobetrag abzusetzen. Der Leistungsempfänger hat im Voranmeldungszeitraum der Leistungserbringung die von ihm bisher angemeldete Umsatzsteuer auf die Anzahlungen zu berichtigen. Die Notwendigkeit von Rechnungsberichtigungen besteht nicht.

In einem für die Immobilienwirtschaft eher atypischen Ausnahmefall besteht folgende Abrechnungsalternative: Ist der Leistungsempfänger zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt, kann der leistende Unternehmer in der Brutto-Schlussrechnung alternativ lediglich das um die Netto-Anzahlungen geminderte Gesamtentgelt für die Berechnung der Umsatzsteuer zugrunde legen (Beispiel 1 des BMF-Schreibens). Die Anzahlungen werden somit partiell nach § 13b UStG behandelt, während die Schlussrechnung und gegebenenfalls weitere Abschlagsrechnungen brutto abgerechnet werden. Eine Berichtigung der Rechnungen und der vom Leistungsempfänger angemeldeten Umsatzsteuer entfällt.

Darüber hinaus regelt das Schreiben, dass der Nachweis, dass der Leistungsempfänger die von ihm bezogene Bauleistung selbst zur Erbringung einer Bauleistung verwendet, nicht an Formvorschriften gebunden ist, also nach wie vor mittels einer gültigen und für Umsatzsteuerzwecke vorgelegten Freistellungsbescheinigung nach § 48b EStG geführt werden kann. Alternativ kann der Nachweis auch mit einer entsprechenden, beispielsweise in Verträge aufgenommenen Bestätigung des Leistungsempfängers erbracht werden.

Weiterhin wird klargestellt, dass ein Organkreis auch dann Steuerschuldner für eine an eine Organkreisgesellschaft erbrachte Bauleistung ist, wenn diese Leistung durch eine andere Gesellschaft des Organkreises für eine Bauleistung verwendet wird. Die zuvor gültige Begrenzung der Anwendung von § 13b UStG lediglich auf einzelne zivilrechtliche Gesellschaften eines Organkreises(A 13b 3. Abs. 7 a.F.) ist damit nicht weiter anzuwenden.

Ausblick/weitere Entwicklung

Die Finanzverwaltung hat bereits ein weiteres BMF-Schreiben zu einer für die Praxis sehr bedeutsamen Frage angekündigt. Dieses soll sich mit der Frage nach der Liquiditätswirkung dieser Rechtsprechung für die Vergangenheit auseinandersetzen. Konkret wird es um die Frage nach möglichen Erstattungsanträgen von Bauträgern (aufgrund in der Vergangenheit zu Unrecht gezahlter „13b-Umsatzsteuer“) und diesen voraussichtlich nicht bzw. allenfalls teilweise gegenüberstehenden Umsatzsteuernachforderungen bei Bauunternehmen gehen (Frage nach der Reichweite von Vertrauensschutzregelungen).

Nach unserer Auffassung ist die rückwirkende Nachforderung von Umsatzsteuerbeträgen bei Bauleistern zumindest für formal bestandskräftige Umsatzsteuerveranlagungen bis zur Veröffentlichung des BFH-Urteils vom 22. August 2013 durch den BFH am 27. November 2013 nicht möglich. In der Folgezeit ab 28. November 2013 besteht nach Ansicht der Finanzverwaltung wohl kein Vertrauensschutz mehr. Vor dem Hintergrund der uns vorliegenden Musterschreiben der Finanzverwaltung an Bauträger, die Erstattungsanträge gestellt haben, wird die Finanzverwaltung nichts unversucht lassen, die Frage des Vertrauensschutzes bis zu Gerichtsentscheidungen offenzuhalten. Diese Position ist aus Verwaltungssicht angesichts der zu erwartenden finanziellen Belastung verständlich, bedarf gleichwohl einer kritischen Überprüfung. Ab dem 15. Februar 2014 dürfte die „Vertrauensschutzfrage“ dann endgültig erledigt sein.

Geschäftsführungen sowie Vorstände von Bauträgerunternehmen könnten sich die weitergehende Frage nach möglichen „Regressansprüchen“ von Anteilseignern stellen, sollten solche Erstattungsanträge versäumt werden. Zur Wahrung möglicher Erstattungsansprüche gegenüber der Finanzverwaltung sollten entsprechende Umsatzsteuerveranlagungen verfahrensrechtlich änderbar gehalten werden; sodann ist bis zum Ablauf der (mindestens vierjährigen) Festsetzungsfrist keine überhastete Eile geboten. An dieser Stelle ist jedoch – wie oben beschrieben – erhöhte fachliche Aufmerksamkeit verlangt. Nicht zuletzt sollten vor der Stellung von Anträgen auch die zivilrechtlichen Aspekte (bspw. einer möglichen Weiterleitungsverpflichtung von Umsatzsteuer-Erstattungsbeträgen an Bauleister) sowie weitere steuerliche Aspekte außerhalb der Umsatzsteuer (bspw. mögliche BP-Risiken in anderen Steuerarten) sorgfältig geprüft werden.

Ebenso mit Spannung erwartet werden darf die Reaktion des Gesetzgebers. Es wird zeitnah damit gerechnet, dass er (mit Wirkung für die Zukunft) weitestgehend diejenige Rechtslage wieder herstellen wird, die vor Ergehen des BFH-Urteils bereits nach Auffassung der Finanzverwaltung gegolten hat, insbesondere die Einbeziehung von Bauträgern in den Anwendungsbereich des Übergangs der Steuerschuldnerschaft bei Bauleistungen sowie die „Wiedereinführung“ der 10%-Grenze. Hierzu sind auf Initiative der Bundesländer bereits Formulierungsvorschläge in der politischen Debatte und Abstimmung durch den Bundesrat. Kontrovers diskutiert wird jedoch insbesondere, ob die Vorschläge den Vorgaben von EuGH und BFH für eine EU-rechtskonforme Ausgestaltung entsprechen bzw. wie eine solche erreicht werden könnte. Hierzu stehen wir in intensivem Fachaustausch mit den einschlägigen Branchenverbänden, involvierten politischen Gremien sowie hochrangigen Vertretern der Finanzverwaltung und sind somit aktiver Bestandteil der aktuellen Entwicklungen.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von Deloitte & Touche GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
Erstveröffentlichung: Deloitte & Touche, Real Estate News, Januar 2014