18.04.2017

Die Zukunft der Mietverwaltung

Mobil und digital

Jens Kramer, CEO, PROMOS consult Projektmanagement, Organisation und Service GmbH
Jens Kramer

Rund 900.000 Wohnungsabnahmen finden jedes Jahr in Deutschland statt. Für Wohnungsunternehmen besteht durch die Digitalisierung des Prozesses ein erhebliches Einsparpotenzial an Material- und Personalkosten. Untersuchungen zeigen: Eine vollständig papierlos realisierte Objektabnahme mit Smartphone und Tablet dauert im Vergleich zur analogen Methode nur die Hälfte der Zeit.

In vielen Branchen erfolgt die Kundenkommunikation mittlerweile digital und online. Dies erhöht nicht nur die Effizienz, sondern auch die Qualität. Innerhalb der Immobilienwirtschaft hat sich diese Erkenntnis erst bei wenigen Akteuren durchgesetzt. Insbesondere die formalisierte Mietverwaltung bietet Potenzial für eine höhere Prozesseffizienz: Ihre Komponenten heißen vollständige Integration der Stammdaten im System, Einsatz mobiler Endgeräte im Objekt und Bereitstellung einer kompatiblen Schnittstelle für den raschen Datenaustausch zwischen Zentrale und lokalem Property Management.

Am Anfang dieses Prozesses einer papierfreien Mietverwaltung stehen die Digitalisierung und Zusammenführung der bestehenden Daten in einem zentralen ERP-System. Die eingetroffene Kündigung im Falle einer Objektabnahme beispielsweise wird hier zunächst registriert und mit den hinterlegten Stammdaten des Objekts, wie Adresse und Mietverhältnis, verknüpft. Der Vorgang gelangt per integrierter Mailfunktion in das Postfach des zuständigen Property Managers, der den Bescheid auf seinem mobilen Endgerät empfängt. Die Unternehmensgruppe Nassauische Heimstätte/Wohnstadt, mit rund 60.000 Wohneinheiten das größte Wohnungsunternehmen in Hessen, hat dies bereits in die Praxis umgesetzt und rund 150 Kunden- und Siedlungsbetreuer mit einem iPad ausgestattet. Zuvor nutzte das Frankfurter Unternehmen für die Wohnungsabnahme Vordrucke mit einem Umfang von 18 Seiten. Pro Wohneinheit erreichte das Immobilienunternehmen eine Zeitreduzierung von 60 auf 30 Minuten.

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150 Objektbetreuer der Unternehmensgruppe Nassauische Heimstätte/Wohnstatt nutzen das iPad für die Wohnungsabnahme und sorgen für positive Reaktionen in der Mieterschaft - Copyright: NH/Thomas Rohnke


Vollumfängliche Objektdarstellung in der App

Die mobilen Formulare erleichtern die Dateneingabe und lesen mit dem Auswahlreiter „Serienvorgang“ die verfügbaren Stammdaten zum Objekt automatisch ein. Eine integrierte Kartenfunktion weist den Weg für den Fall eines neu ernannten oder vertretungsweise tätigen Objektbetreuers. Im Objekt selbst sind die einzelnen Räume in der mobilen Software abgebildet. Hierbei kann der Nutzer jederzeit selbst nicht mehr vorhandene Räume löschen oder neue hinzufügen. Für den Objektbetreuer bietet sich in jedem Fall ein festgelegter Pfad, anhand dessen die Abnahme und Übergabe erfolgen können.

Im Schadensfall kann der Objektbetreuer aus einer vordefinierten Liste das entsprechende Element selektieren und den Schadenstyp entweder selbst kommentieren oder sich bereits festgelegter Kategorien bedienen. Mit der Kamera des Smartphones oder Tablets ist eine Visualisierung des Schadens möglich, die sich am Ende des Abnahmedokuments als Anhang wiederfindet. Als zusätzliche Komponente steht ein Bildbearbeitungsprogramm zur Verfügung, um Details der beschädigten oder defekten Stelle besser hervorzuheben.

Für die Schadensreparatur steht eine integrierte Handwerkerkopplung zur Verfügung: Dadurch erzeugt die mobile Lösung mit der Schadensaufnahme eine automatische Instandhaltungsmeldung und sendet diese an einen vordefinierten Pool von Dienstleistern. Das Handwerkerportal umfasst die Ausschreibung und anschließende Beauftragung. Sobald ein Leistungsverzeichnis auf Basis eines Einheitspreisabkommens vorliegt, kann der Dienstleister sein Leistungserfassungsblatt unmittelbar an das zentrale ERP-System des Objekteigentümers senden. Dort erfolgt auch die Abrechnung zwischen Vermieter und Handwerksbetrieb. Vorab definierte Leistungsverzeichnisse sind ebenso hilfreich bei Leerwohnungssanierungen. Die anfallenden Renovierungskosten können im Objekt kalkuliert werden, eingebaute mathematische Formeln berechnen die Zeiträume für die Amortisierung.

 
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Die Hauswarte der Unternehmensgruppe Nassauische Heimstätte/Wohnstatt können dank Tabletkamera auch geringfügige Schäden detailgetreu dokumentieren - Copyright: NH/Thomas Rohnke


Vernetzung aller beteiligten Parteien auf gemeinsamer Plattform

Nicht nur Handwerker zählen zum Dienstleisterpool, auf den der Objektbetreuer in der mobilen Lösung zurückgreifen kann. Energieversorger erhalten die Verbrauchsdaten anhand der dokumentierten Zählerstände direkt während der Wohnungsabnahme. Versicherungen empfangen ebenso unmittelbare Informationen, beispielsweise im Schadensfall. Dabei kann der Objektbetreuer stets auf aktuelle Angaben zum Objekt und Mietverhältnis zurückgreifen, denn das ERP-System ist mit der mobilen Lösung gekoppelt. Umgekehrt werden mögliche vom Mieter mitgeteilte Angaben zu den Stammdaten mobil erfasst und in der ERP-Software automatisch eingelesen.

Den Schlusspunkt der Objektabnahme bildet die beiderseitige Unterschrift. Ähnlich den bekannten Services der Paketzusteller kann der Mieter sofort vor Ort seine Unterschrift digital leisten. Das anschließend erzeugte PDF-Dokument wird ihm als vollständiges und rechtlich verbindliches Protokoll zugesendet. Es ist beiderseitig nicht mehr veränderbar – eine gewichtige Vertrauensmaßnahme gegenüber dem Mieter, die Raum lässt für künftige Mietverhältnisse. Handelt es sich um eine Vorabnahme, kann der Objektbetreuer dank integrierter Kalenderfunktion einen neuen Termin vereinbaren. Eine Checkliste gibt einen Überblick zu den bereits erledigten und noch ausstehenden Punkten.

Der Übermittlungsvorgang an das zentrale Datensystem war bislang der aufwendigste und zeitintensivste Schritt des Abnahmeprozesses. Hier sind die größten Effizienzgewinne festzustellen: Denn der elektronische Versand samt direkter Archivierung im ERP-System ist nicht nur schnell, sondern unterbindet darüber hinaus Medienbrüche und garantiert eine lückenlose Dokumentation des Mietvorgangs.

Weitere Anwendungsgebiete über Objektabnahme hinaus

Die exakte Dokumentation der Daten und die Kopplung zwischen mobiler Lösung und zentraler ERP-Software mittels einer korrespondierenden Schnittstelle erweitern die Einsatzmöglichkeiten mobiler Software in der Miet- und Objektverwaltung. Zu den Einsatzgebieten zählt beispielsweise die gesetzlich vorgeschriebene Verkehrssicherungspflicht. Für die Kontrolle ihrer mehr als 17.000 Wohneinheiten nutzt die ProPotsdam GmbH, eines der größten Wohnungsunternehmen Brandenburgs, mobile Lösungen. Sie garantieren die Einbindung der beteiligten Parteien, eine kontinuierlich papierfreie Bearbeitung und eine revisionssichere Archivierung der bereits unterschriebenen und fotografisch dokumentierten Prüfprotokolle.

Nicht nur für den Vermieter, sondern auch für den Mieter ergeben sich durch mobile Lösungen neue Möglichkeiten. Über eine Mieter-App ist die gesamte Bandbreite der Kommunikation rund um die eigenen vier Wände darstellbar. Vertragsdokumente aus der Mieterakte, Statusberichte über Sanierungsmaßnahmen und Anfrageformulare beispielsweise zur Untervermietung sind jederzeit über das Smartphone verfügbar. Die durch Postsendungen und Anrufe durchschnittlich anfallenden Kosten von 30 Euro pro Jahr für die Kommunikation mit dem Vermieter lassen sich auf diese Weise auf ein Nullmaß reduzieren. Die Lösung lässt sich auf weitere Kommunikationsbereiche ausweiten: Nachbarn, Behörden und Versicherungen können in die gemeinsame Plattform integriert werden. Für Makler gibt es ebenso praktische Vorteile durch den Einsatz mobiler Software: Gerade für diesen Berufszweig ist Mobilität fester Bestandteil des Arbeitsalltags, umso entscheidender wird das Smartphone. Exposés zu den einzelnen Objekten, Interessentendaten, Terminvereinbarungen und der dazugehörige Mailverkehr können in einer mobilen Plattform integriert und jederzeit abgerufen werden.

Mobile Lösung für jede Portfoliogröße geeignet

Die beträchtlichen Einsparungen und Effizienzsprünge zeigen deutlich auf, wie sinnvoll die Verwendung mobiler Software ist – nicht nur für Unternehmen mit größeren Objektbeständen. Die Plattform easysquare mobile beispielsweise kommt bei Deutschlands größtem Wohnungsunternehmen Vonovia mit 340.000 Objekten ebenso zum Einsatz wie bei der Berliner Bau- und Wohnungsgenossenschaft von 1892 mit rund 6.780 Wohnungen. Unabhängig von Bestands- und Unternehmensgröße erscheint die Plattform stets im jeweiligen Corporate Design: So identifizieren die Mieter ihren persönlichen Gewinn aus der mobilen Kommunikation stets mit dem vermietenden Unternehmen.

Studie FH Brandenburg

Die erste Studie zum Effizienzgewinn mit mobilen Lösungen bei Wohnungsabnahmen wurde 2015 im Rahmen einer Masterarbeit an der Fachhochschule Brandenburg vorgelegt. Anhand von sieben Prozessstufen der Wohnungsabnahme vom Kündigungseingang bis zur Archivierung wurde beispielhaft dargestellt, wie der Vorgang mit einer SAP-basierten Lösung digitalisiert und mobilisiert wird. Hierzu wurden drei bestehende Wohnungsunternehmen aus dem gesamten Bundesgebiet mit unterschiedlichen Objektbeständen (6.000 – 60.000) miteinander verglichen. Bei allen drei Unternehmen betrug die durchschnittlich aufgewandte Zeit für eine Wohnungsabnahme circa 60 Minuten. In einer mehrwöchigen Testphase wurden ausgewählte Objektbetreuer mit einem mobilen Endgerät ausgestattet. Der Zeitaufwand reduzierte sich in allen Fällen auf circa 30 Minuten. Die ausschlaggebenden Gründe hierfür waren: 1.) die Informationen aus dem ERP-System wurden automatisch in den mobilen Formularen eingelesen, 2.) die detaillierten Informationen zur Raum- und Objektausstattung in der mobilen Lösung verschafften dem Objektbetreuer einen sofortigen Einblick in die zu prüfenden Punkte, 3.) in der Nachbereitung standen die mobil eingegebenen Daten bereits im zentralen ERP-System zur Verfügung, eine erneute Eingabe entfiel dadurch. Bei einer Beispielkalkulation mit 1000 Wohnungsabnahmen reduzieren sich die Personal- und Materialkosten von 15.000 auf 7.500 Euro.

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Die Studie der FH Brandenburg zur mobilen Lösungsabnahme zeigt auf: Einige Schritte entfallen völlig durch den Einsatz von Tablet und Smartphone, andere Prozessabläufe reduzieren sich auf einen minimalen Zeitaufwand - Copyright: PROMOS consult

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von Promos Consult GmbH
Erstveröffentlichung: Immobilien vermieten & verwalten, Dezember 2016

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