04.02.2016

Jenseits der Schnellschüsse

Öffentlichkeitsarbeit im permanenten medialen Ausnahmezustand

Steffen Uttich, Leiter Fondsmanagement, BEOS AG
Steffen Uttich

Im deutschen Journalismus tritt an die Stelle der klassischen Chronistenpflicht und bedachten Kommentierung des Zeitgeschehens ein Zustand permanenter Erregung. Das fördert in einer immer komplexeren Welt den Hang zur Vereinfachung. Mediale Aufmerksamkeit ist ein knappes Gut geworden. Will ein Branchenverband mit seinen Positionen öffentlich wahrgenommen werden, kann er sich dem Trend zur Kurzatmigkeit in der Berichterstattung der Medien nicht entziehen.

Aufmerksame Zeitgenossen konnten sich in den vergangenen Monaten bei der Zeitungslektüre und dem gelegentlichen Blick in das Nachrichtenfernsehen nur wundern. In der innenpolitischen Berichterstattung dominierte über Monate ein verirrter SPD-Bundestagsabgeordneter mit der Bestellung fragwürdiger Kinderfotografien die Schlagzeilen. Die Euro-Krise blieb ein unterschätztes Dauerphänomen, dass durch einen jugendlichen griechischen Finanzminister, der sich mit Frau auf einer Dachterrasse mit Akropolis-Blick ablichten ließ, immerhin ein neues Gesicht bekam. Schwerwiegende außenpolitische Verwerfungen wie der Ukraine-Konflikt wurden an den Großmachtsallüren eines einzelnen Mannes festgemacht – als ob Wladimir Putin ein einsamer Diktator ist, der ohne Rücksicht in seinem Land durchregieren kann.

Solche Beobachtungen bestätigen einen sich verstärkenden Trend: In der journalistischen Berichterstattung tritt die Personalisierung immer mehr an die Stelle aufwendiger Recherchen. Die Beleuchtung von Hintergründen ist nicht mehr in Mode. Die damit verbundene Banalisierung komplexer Zusammenhänge erscheint wie ein Schutzreflex auf die in der Realität immer unübersichtlicheren gesellschaftlichen Strukturen – in Deutschland, in Euro-Land, in der ganzen Welt.

Das Gesamtbild geht medial verloren, etwa dass die Gesetzgebung längst nicht mehr einen Regelrahmen vorgibt, sondern immer kleinteiliger wird. Von Rechtssicherheit in der Steuergesetzgebung kann zum Beispiel überhaupt keine Rede mehr sein. Auch andere große und vor allem drängende Themen werden einfach ignoriert, obwohl eine intensive öffentliche Debatte längst überfällig ist. Wo bleibt der mediale Aufschrei angesichts des beschleunigten Niedergangs der etablierten Altersvorsorgesysteme in der gegenwärtigen Niedrigzinsphase? Millionen Menschen wird dies künftig betreffen. Doch es findet sich keine mediale Plattform, die solche Themen über Schnellschüsse hinaus trägt.

Der Trend zur Vereinfachung in der Berichterstattung ist letztlich eine direkte Folge des wirtschaftlichen Umfelds, in dem sich die Medienunternehmen im Lande bewegen. Printmedien, die noch am ehesten in der Lage wären, komplexe Zusammenhänge verständlich darzustellen, befinden sich in einer Existenzkrise. Das Aufkommen des Internets stellt ihr Geschäftsmodell in Frage. Überzeugende Antworten auf diese Herausforderung haben sie hierzulande bis heute noch nicht gefunden. Einfallslos wird versucht, zumindest mit Kostensenkungen Zeit zu kaufen. Auch einstige Leitmedien bleiben davon nicht verschont.

Die damit verbundene Ausdünnung des Personalbestandes in den Redaktionen hat aber lediglich dafür gesorgt, dass zur wirtschaftlichen Krise noch eine Akzeptanzkrise des Journalismus insgesamt obendrauf kam. Immer weniger Journalisten müssen immer mehr Zeilen liefern und kommen so kaum noch aus ihren Redaktionsstuben heraus. Die Überforderung leistet Fehlern Vorschub, die wiederum Wasser auf die Mühlen der Leute sind, die das Wort von der Lügenpresse in die Welt gesetzt haben und damit eifrig ihre Ressentiments pflegen.

Journalistische Berichterstattung verkommt unter dem vermeintlich ausweglosen wirtschaftlichen Druck zum Content-Management. Gründlich recherchierte Artikel werden zur Mangelware, weil sie Zeit brauchen. So tritt der permanente mediale Ausnahmezustand an die Stelle der kritischen Abwägung – je lauter und extremer, umso besser. Diese Entwicklung begünstigt ein Herdenverhalten in der Medienlandschaft, das die gedanken- und skrupellose Erregungsmaschinerie zusätzlich füttert.

In einem solchen Umfeld mit komplexen Argumentationen Gehör zu finden, ist gerade für die Immobilienwirtschaft ausgesprochen schwierig. Unsere Branche bewegt sich in einem komplizierten rechtlichen, politischen und regulatorischen Umfeld. Wie schwierig es vor diesem Hintergrund ist, als Stimme der wirtschaftlichen Vernunft gegen knallige Überschriften mit einem emotional besetzten Begriff anzugehen, zeigte zuletzt die Diskussion um die sogenannte Mietpreisbremse. Für Wahlkämpfer war sie ein verlockendes Instrument, um angesichts des Mietpreisanstiegs in den wirtschaftsstarken Metropolen im Lande Handlungsfähigkeit zu beweisen. Einfach den Anstieg kappen – das versteht jeder.

Die Argumentation gegen eine solche Mietpreisbremse musste zwangsläufig differenzierter ausfallen. Der Teufel steckt im Detail; doch für Details interessiert sich offenbar kaum noch jemand. Nach über einem Jahrzehnt des Stillstands auf dem deutschen Wohnungsmarkt signalisierten die seit etwa 2010 wieder spürbar ansteigenden Mieten in bestimmten Städten eine zunehmende Knappheit an Wohnraum.

Statt jedoch mit der Schaffung von Wohnraum auf diese Entwicklung zu reagieren, wird nun mit der Mietpreisbremse einfach versucht, den Preismechanismus auszuhebeln. Anreizprogramme für den Bau von Wohnraum und in der Übergangszeit bis zum Wirken dieser Aktivitäten staatliche Transfers für besondere Notfälle wären eindeutig die bessere Lösung gewesen. Dieser Appell an die wirtschaftliche Vernunft, auch unterstützt vom ZIA, verhallte jedoch wirkungslos. Er entzieht sich der Vereinfachung, weil er sich nicht auf einen Begriff zusammenschnüren lässt. Das Ergebnis: Die Mietpreisbremse ist trotz ihrer offensichtlichen, teilweise gefährlichen Schwachpunkte inzwischen in Kraft getreten.

Um Wirksamkeit in der Öffentlichkeitsarbeit zu erzielen, ist auch der ZIA gezwungen, seine Kernthemen mit Emotionalität anzureichern. Die Kunst besteht darin, hierbei das richtige Maß zu finden. Die notwendige Emotionalität mit Blick auf das Medienumfeld darf die notwendige Ernsthaftigkeit eines Branchenverbandes nicht in Frage stellen.

Wie dies funktionieren kann, zeigte der mediale Widerhall auf das vom ZIA initiierte Frühjahrsgutachten der Immobilienweisen zu Beginn des Jahres 2015. Die Überschrift der Pressemitteilung war stark zugespitzt: „In den Schwarmstädten wird es eng“. Doch sie stieß unmittelbar auf das Interesse der Hauptstadtjournalisten. Im Windschatten dieses Einstiegs ließen sich dann die differenzierteren Botschaften des Marktberichts verbreiten, dass etwa der Wohnimmobilienmarkt hierzulande von erheblichen regionalen Unterschieden geprägt ist und dass von einer Preisblase aktuell keine Rede sein kann.

Die Meldung fand Zugang in die überregionalen wie auch lokalen Printmedien – in einer Breite, wie es der ZIA selten zuvor erlebt hat. Für die Öffentlichkeitsarbeit des Verbandes ließ sich daraus die Schlussfolgerung ziehen: Das gewählte Thema muss emotionale Reaktionen hervorrufen können und einer breiten Schicht an Mediennutzern einen Mehrwert liefern – wobei die inhaltliche Substanz niemals zu kurz kommen darf.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von BEOS AG
Erstveröffentlichung: ZIA Geschäftsbericht 2014/ 2015