25.05.2021

Miet- und Pachtverhältnisse

Was „post“ Corona künftig zu beachten ist

Dr. Rainer Algermissen, Partner, KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Inke Reuter, Senior Managerin, KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Dr. Rainer Algermissen

Viele Gewerbebetriebe sind durch Corona hart getroffen. Kunden und Umsätze bleiben aus. Mieter und Pächter stellen sich daher die Frage, wie sie die laufenden Kosten reduzieren können; Vermieter und Verpächter bangen um ihre Miet- und Pachteinnahmen. Wie können diese gegensätzlichen Interessen in Einklang gebracht werden? Und welche Regelungen sollten die Parteien in zukünftig abzuschließende Miet- beziehungsweise Pachtverträge als Konsequenz aus der derzeitigen Situation aufnehmen?

Bestehende Miet- und Pachtverträge

Der Gesetzgeber hat bekanntermaßen gleich zu Beginn des sogenannten Ersten Lockdowns die Rechte der Mieter gestärkt, indem er ihnen mit dem Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie vom 27. März 2020 einen Kündigungsschutz auch im Falle ausbleibender Mietzahlungen in den Monaten April bis Juni 2020 bis zum 30. Juni 2022 gewährte. Offen blieb jedoch, ob die Mieter infolge der staatlich angeordneten Beschränkungen für die Gewerbebetriebe zu einer Reduzierung der Miete oder Pacht berechtigt sind – sei es infolge einer Minderung oder infolge der Anwendung der Grundsätze über die Störung oder den Wegfall der Geschäftsgrundlage. Diese Fragen wurden in der Zwischenzeit von den Gerichten unterschiedlich beantwortet, überwiegend jedoch verneint. Zahlreiche Mieter wurden daher zur Zahlung offener Rückstände verurteilt.

Der Gesetzgeber hat nun mit dem am 31. Dezember 2021 in Kraft getretenen Gesetz zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Anpassung pandemiebedingter Vorschriften im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht sowie im Miet- und Pachtrecht reagiert und einen weiteren Versuch unternommen, Mietern und Pächtern unter die Arme zu greifen. In diesem Gesetz wird zum einen klargestellt, dass die Regelungen zur Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) in der besonderen Situation der COVID-19-Pandemie grundsätzlich anwendbar sind. Hierdurch soll zum einen die Verhandlungsposition insbesondere der Gewerbemieter gestärkt und an die Verhandlungsbereitschaft der Vertragsparteien appelliert werden. Zum anderen wird für Fälle, in denen eine gerichtliche Entscheidung erforderlich ist, eine begleitende verfahrensrechtliche Regelung zur Beschleunigung der gerichtlichen Verfahren getroffen, damit schneller Rechtssicherheit erreicht werden kann. Die Regelungen gelten entsprechend für Pachtverhältnisse.

Auch schon vor der Neuregelung zu § 313 BGB war für Miet- und Pachtverträge, die zu einem Zeitpunkt geschlossen wurden, als die COVID-19-Pandemie noch nicht absehbar war, nicht ernsthaft zu bezweifeln, dass die ersten beiden Voraussetzungen des § 313 BGB als Folge behördlicher Schließungsanordnungen gegen einen Geschäftsbetrieb erfüllt sind: Auch wenn Mieter und Pächter das Verwendungsrisiko für ihre gemieteten oder gepachteten Sachen zu tragen haben, sind Schließungsanordnungen, die ihren Grund nicht im ausgeübten Betrieb, sondern im Infektionsschutz der Allgemeinheit haben, Umstände, deren Ausbleiben bei Vertragsabschluss stillschweigend vorausgesetzt wurde und die sich nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben. Es dürfte jedenfalls im Regelfall auch zu vermuten sein, dass die Parteien den jeweiligen Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt abgeschlossen hätten, wenn sie die COVID-19-Pandemie und die dadurch bedingten Schließungsanordnungen vorausgesehen hätten.

Spannend bleibt für die Anwendung des § 313 BGB daher die Frage, ob dem Mieter bzw. Pächter unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag zugemutet werden kann oder nicht. Darauf gibt auch die Neuregelung zu § 313 BGB keine Antwort. Maßgeblich sind die konkreten Umstände des Einzelfalles, wobei folgende Fragen zu beleuchten sind:

  • Wie ist die vertragliche Risikoverteilung in Bezug auf das konkrete Miet- bzw. Pachtverhältnis?  

Zu dem grundsätzlich auf Mieter- oder Pächterseite liegenden Verwendungsrisiko gehört bei der gewerblichen Miete und Pacht vor allem das Risiko, im jeweiligen Objekt Umsätze und Gewinne erzielen zu können. Eine solche Risikoverteilung bzw. -übernahme schließt für den betroffenen Mieter beziehungsweise Pächter regelmäßig – abgesehen eben nur von extremen Ausnahmefällen, in denen eine unvorhergesehene Entwicklung mit unter Umständen existenziell bedeutsamen Folgen für ihn eintritt – die Möglichkeit aus, sich bei Verwirklichung des Risikos auf eine Störung der Geschäftsgrundlage zu berufen. Die Begründung der Gesetzesänderung geht dabei davon aus, dass ohne entsprechende vertragliche Regelungen Belastungen infolge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie regelmäßig weder der Risikosphäre der einen noch der anderen Vertragspartei zuzuordnen seien.

  • Wie stark wirken sich die staatlichen Beschränkungen auf den Betrieb des Mieters/Pächters aus?  

Ein Indiz für eine starke Beeinträchtigung kann ein erheblicher Umsatzrückgang zum Beispiel im Vergleich zum Vorjahr sein. In diesem Zusammenhang spielen auch die Dauer der Beeinträchtigung sowie die Frage, ob der Mieter oder Pächter hierdurch in seiner Existenz gefährdet wird, eine Rolle. Der Vermieter und Verpächter sollte aber genau beleuchten, ob der Umsatzrückgang tatsächlich (nur) pandemiebedingt ist oder ob hierfür (auch) andere Ursachen in Betracht kommen.

  • Welche Anstrengungen haben der Mieter oder Pächter oder dessen Inhaber, Gesellschafter, Aktionäre usw. unternommen, um die durch die COVID-19-Pandemie entstandenen Risiken zu verringern? Welche Vorsorge für einen plötzlichen Geschäftsrückgang haben sie getroffen?

Insoweit ist beispielsweise zu berücksichtigten, ob der Mieter oder Pächter entsprechende Versicherungen abgeschlossen hat, die für die pandemiebedingten Schließungen aufkommen, ob er Rücklagen gebildet oder für die Zahlungsverbindlichkeiten Rückstellungen getätigt hat oder ob ihm Zuschüsse zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie zustehen und er diese beantragt und erhalten hat. Ferner ist zu hinterfragen, ob der Mieter oder Pächter beispielsweise Aufwendungen für Arbeitslöhne wegen Kurzarbeit oder als Folge des Wegfalls von Wareneinkäufen erspart, mit denen er die Umsatzausfälle infolge staatlicher Beschränkungen jedenfalls teilweise kompensieren kann.

  • Wie sind die Verhältnisse auf Vermieter- und Verpächterseite?

Nicht unberücksichtigt bleiben dürfen zudem die Verhältnisse auf Vermieter- und Verpächterseite. So ist es möglich, dass der Vermieter oder Verpächter selbst auf die Miet- bzw. Pachtzahlungen angewiesen ist, unter anderem um Immobilienkredite für die Immobilie zu tilgen. In Betracht zu ziehen ist aber auch die verbleibende Laufzeit des Vertrages und die Solvenz des Mieters oder Pächters im Übrigen. Eine Vertragsanpassung dürfte dem Vermieter bzw. Verpächter dann nicht zumutbar sein, wenn der Vertrag ohnehin in Kürze endet oder wenn er damit rechnen muss, dass der Nutzungsberechtigte trotz der Reduzierung der Miete oder Pacht in absehbarer Zeit Insolvenz anmelden muss. Zudem kommen auch Vertragsgestaltungen in Betracht, in denen sich der Mieter oder Pächter insgesamt – trotz der Auswirkungen der pandemiebedingten Schließungen – in einer wirtschaftlich deutlich besseren Lage als der Vermieter oder Verpächter befindet, so dass eine Vertragsanpassung unangemessen wäre.

Für einzelne Vermieter oder Verpächter dürften auch die steuerlichen Konsequenzen einer Miet- bzw. Pachtreduzierung mit in die Überlegungen einzubeziehen sein, namentlich die Möglichkeit eines Teilerlasses von Grundsteuer. Aus grundsteuerlicher Sicht sind die Hauptanwendungsfälle eines Teilerlasses im Sinne des § 33 Grundsteuergesetz (GrStG) bei vermieteten oder verpachteten Gewerbeimmobilien entweder ein Leerstand oder die Zahlungsunfähigkeit des Mieters oder Pächters. Der Vermieter bzw. Verpächter darf die Ertragsminderung als Grundlage des Teilerlasses nicht vertreten dürfen, d. h. diese muss auf Umständen beruhen, die außerhalb seiner Einflussnahmemöglichkeit liegen. Aus steuerlicher Sicht wäre daher zu beleuchten, ob dem Vermieter oder Verpächter durch eine Vertragsanpassung gegebenenfalls steuerliche Vorteile oder Nachteile entstehen.  

Angemessene Vertragsanpassung

Fällt die im Rahmen des § 313 BGB vorzunehmende Interessenabwägung zugunsten des Mieters oder Pächters aus oder ist der Vermieter bzw. Verpächter unabhängig von dem Vorliegen der Voraussetzungen des § 313 BGB zu einer Anpassung des bestehenden Vertrages bereit, stellt sich die weitere Frage, wie die Vertragsanpassung zu erfolgen hat. Rechtsfolge einer Vertragsanpassung ist nicht zwingend eine einseitige Reduzierung der Miet-/Pachthöhe. Möglich sind (nach wie vor) auch 

  • eine verzinsliche oder zinslose Stundung der Miete/Pacht für einen bestimmten Zeitraum,  
  • die Kombination einer vorübergehenden Miet-/Pachtreduzierung mit einer Verlängerung der Laufzeit des Vertrages, die gegebenenfalls eine spätere Erhöhung mitbeinhaltet,
  • eine Verringerung der Miet-/Pachtfläche oder auch
  • eine Aufhebung des gesamten Vertrages. 

Jedenfalls eine kompensationslose Reduzierung der Miete oder Pacht sollte aus Vermieter- bzw. Verpächtersicht stets davon abhängig gemacht werden, dass der Mieter oder Pächter keinen Anspruch auf staatliche Hilfen (mehr) hat oder diese aus anderen Gründen nicht in Anspruch nehmen kann. Zu beachten ist zudem, dass etwaige Vertragsänderungen auch mit Dritten, die eine Sicherheit für die vom Mieter bzw. Pächter zu erfüllenden Vertragspflichten gestellt haben, abzustimmen sind, um den Bestand der Sicherheit nicht zu gefährden.

Schließlich ist die zur Vertragsanpassung getroffene Vereinbarung insbesondere bei langfristigen Verträgen stets in einem schriftformgerechten Nachtrag festzuhalten, um die feste Laufzeit des Vertrages zu sichern. In dem Nachtrag sollte auch geregelt werden, wie zukünftig mit ähnlichen Fällen umzugehen ist.  

Neue Miet- und Pachtverträge und Nachtragsregelungen für zukünftige Pandemien

In Miet- und Pachtverträgen, die während oder nach der aktuellen Pandemiesituation geschlossen werden, sollten Regelungen für den Fall einer erneuten Pandemie, Epidemie oder eines sonstigen Seuchengeschehens oder erneuter Betriebsbeeinträchtigungen infolge von Anordnungen zum Infektionsschutz aufgenommen werden. Es erscheint fraglich, dass sich Mieter oder Pächter bei neu abgeschlossenen Mietverträgen – wenn diese keine entsprechenden Regelungen enthalten – auf eine Beeinträchtigung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB berufen können werden, denn die Nichtregelung dieses Umstandes könnte den Mietern oder Pächtern zum Nachteil so ausgelegt werden, dass sie in Zukunft ein gleichsam erhöhtes Verwendungsrisiko zu tragen bereit waren.

Aus Sicht des Vermieters oder Verpächters sind entsprechende Regelungen insbesondere dann angeraten, wenn ein noch zu erstellendes Objekt vermietet oder verpachtet werden soll. In diesem Fall ist an folgende Punkte zu denken:

  • Regelungen zur Verschiebung des Übergabetermins bei pandemiebedingter Verzögerung der Fertigstellung  
  • Klarstellung, dass der Vermieter oder Verpächter pandemiebedingte Verzögerungen nicht zu vertreten hat und bei verspäteter Fertigstellung insbesondere kein Verzugsschaden zu zahlen ist und keine Vertragsstrafe verwirkt wird  

Die Interessen des Mieters oder Pächters bei einem Neuabschluss sind hingegen ähnlich wie bei der Anpassung bestehender Verträge. In Betracht kommen daher beispielsweise Regelungen zur Stundung oder Reduzierung der Miete oder Pacht, pauschal oder der Höhe nach abhängig von einem abstrakt zu beschreibenden Grad der Beeinträchtigung durch direkte oder indirekt wirkende Maßnahmen des Infektionsschutzes, gegebenenfalls bei gleichzeitiger Verlängerung des Miet- oder Pachtverhältnisses. Die Voraussetzungen, unter denen die Stundung oder Reduzierung gewährt wird, sind dabei klar zu definieren. In Betracht kommen

  • behördlich angeordnete Betriebsschließungen oder auch bloß mittelbar wirkende Einschränkungen der Reisefreiheit, von Ladenöffnungszeiten, von Ausgangsverboten und Sperrstunden,
  • ein pandemiebedingter Umsatzausfall in einer bestimmten Höhe, gegebenenfalls zu ermitteln durch einen Vorjahresvergleich,  
  • die fehlende Möglichkeit der Inanspruchnahme staatlicher Hilfen zur Deckung der anfallenden fixen Kosten des Mieters oder Pächters.

Insoweit sind die Interessen der Parteien – wie bisher – in jedem Einzelfall zu betrachten. Durch entsprechend angepasste Regelungen kann ein fairer Ausgleich auch für den Fall geschaffen werden, dass es nach dem Neuabschluss eines Miet- oder Pachtvertrages erneut zu pandemiebedingten Einschränkungen kommt.

Fazit / Key Facts:
Die gegenwärtige Pandemie zeigt, dass es mehr denn je wichtig ist, dass sich die Parteien sowohl von bestehenden als auch von zukünftig abzuschließenden Miet- und Pachtverträgen an einen Tisch setzen, die gegenseitigen Interessen ausloten und eine Lösung sowohl für die gegenwärtige Situation als auch für mögliche zukünftige Störungen der betrieblichen Tätigkeit vereinbaren. Eine große Rolle spielt dabei sicher jeweils, welche staatlichen Hilfen zur Überbrückung möglicher finanzieller Engpässe sowohl zugunsten des Mieters oder Pächters, aber auch zugunsten von Vermietern oder Verpächtern zur Verfügung gestellt werden. Doch unser Gemeinwesen kann nicht alle Lasten tragen. Die Vertragsparteien müssen daher bereit sein, die Situation der jeweils anderen Partei mit in den Blick zu nehmen. Nur durch ein faires Miteinander kann der Bestand des jeweiligen Miet- beziehungsweise Pachtverhältnisses in pandemiebedingten Krisensituationen dauerhaft gesichert werden.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von KPMG Law
Erstveröffentlichung: KPMG Real Estate Bulletin, Das Fachmagazin für die Immobilienwirtschaft, Frühjahrsausgabe 2021

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