21.01.2016

Risikomanagement

Mehr als nur ein regulatorisches Erfordernis

Brigitte Walter, Mitglied des Vorstandes, Real I.S. AG
Brigitte Walter

Risiken sind allgegenwärtig – auch in der Immobilienwirtschaft, angefangen von ungünstigen konjunkturellen Entwicklungen bis hin zu Problemen auf Objektebene. Gleichzeitig gilt: Das größte Risiko ist es, kein Risiko einzugehen. Gefährlich wird es allerdings, wenn Risiken blind oder unnötigerweise in Kauf genommen werden. Daher ist ein umfassendes und kontinuierliches Risikomanagement unerlässlich, das die Immobilien in einem Portfolio auch ohne konkreten Anlass von Anfang an und kontinuierlich überwacht.

In der Vergangenheit stellten in dieser Hinsicht vor allem Immobilienspezialfonds eine große Herausforderung dar. Denn anders als beispielsweise bei geschlossenen Immobilienfonds, in denen sich traditionell zumeist lediglich eine oder wenige Immobilien befanden, muss der Fondsmanager von Spezialfonds seit jeher den Überblick über mehrere Immobilien mitsamt bestehender Risiken bewahren. Mit der Regulierung durch das Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) werden nun jedoch auch geschlossene Publikums-AIF mit mehreren Objekten an Bedeutung gewinnen. Tendenziell besteht bei Immobilienportfolios aber die Gefahr, dass Risiken zu spät erkannt, entsprechende Strategien zu spät eingeleitet und bestehende Risiken nicht in ausreichendem Maße überwacht werden. Hierbei ist es sinnvoll und effizient, das Fonds- und Assetmanagement durch ein vom operativen Geschäft losgelöstes Risikomanagement und ein System zu unterstützen, mit dessen Hilfe Risiken nach ihrem Umfang, ihrer Eintrittswahrscheinlichkeit und ihren Ursachen genau untersucht werden können. Letztlich kann auf diesem Weg durch die Umsetzung der Anforderungen des KAGB die Geschäftstätigkeit effizienter und nachhaltiger gestaltet werden.

Risikomanagement als Prozess

In der Immobilienbranche besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass Risikomanagement ein fortwährender Prozess ist, der idealerweise aus vier wiederkehrenden Schritten besteht: Risikoerkennung, -messung, -steuerung und -kontrolle. Fakt ist: Eine angemessene Bewertung von Risiken ist nur möglich, wenn das Risikomanagement unabhängig ist. Es muss deshalb von der direkten Markt-, Produkt- und Umsatzverantwortung losgelöst sein, so dass eine neutrale Meinungsbildung erfolgen kann. Nicht ohne Grund schreibt das KAGB in § 29 Abs. 1 eine hierarchische und funktionelle Trennung von den operativen Bereichen vor.

Zu den Risiken, die von einem solchen unabhängigen Management erfasst werden, zählen zum Beispiel drohender Mietausfall, Leerstand oder hohe Instandsetzungskosten. Fallen beispielsweise die Mieteinnahmen geringer aus als in der Prognoserechnung erwartet, besteht die Gefahr, dass das Renditeziel des Fonds nicht erreicht werden kann. Für zu geringe Mieteinnahmen kann es viele Gründe geben – von der Kündigung des Mietverhältnisses durch den Mieter bis hin zu einer schwachen konjunkturellen Entwicklung. Denn auch diese kann sich negativ auf die Mieterlöse auswirken. Schwächt sich die Wirtschaft ab, geht aufgrund der fallenden Nachfrage nach Büroflächen das Mietpreisniveau zurück. Auch Einzelhandelsimmobilien können betroffen sein, wenn die Kauflaune und Kaufkraft nachlässt. Eine in diese Zeit fallende Anschlussvermietung kann somit zu einem niedrigeren Mietpreis erfolgen als ursprünglich erwartet wurde. Außerdem können bei der Anschlussvermietungzusätzliche Kosten anfallen. Wichtig ist es daher, die Risiken nach der möglichen Höhe des Schadens und nach ihrer Wahrscheinlichkeit zu untersuchen und deren Ursachen genau zu analysieren.

Aus Risiken Handlungsbedarf ableiten

Bei der Risikoanalyse auf Objektebene müssen alle wesentlichen Risiken betrachtet werden, die in den kommenden Monaten und Jahren bestehen. Dadurch können mögliche Risiken des Immobilienbestandes bzw. des Fonds frühzeitig erkannt werden. Idealerweise werden die Analyseergebnisse zur Entwicklung und Einschätzung der Risiken der jeweiligen Immobilien in einer standardisierten, tabellarischen Form ausgewertet. In der Real I.S. werden hierzu alle Objekte in einer Portfoliomanagementsoftware erfasst. Hierin können Leerstände, Mietvertragsausläufe oder geplante Instandhaltungsaufwendungen systematisch ausgewertet werden. Über eine Schnittstellte mit der Finanzbuchhaltung könnten auch IST-Daten, beispielsweise zu den Mieteinnahmen, erfasst und ein SOLL-IST-Abgleich durchgeführt werden. Weiterhin ist es möglich, über die Software Szenario-Rechnungen und Stresstests durchzuführen.

Eine Risikoanalyse allein reicht jedoch nicht aus. Vielmehr müssen die Resultate zu konkreten Handlungsanweisungen führen, um Risiken schnell und umfassend zu verringern. Zusammen mit der Mieterbetreuung durch das Assetmanagement lassen sich häufig die Mieterbedürfnisse und die Ziele des Fondsmanagements strategisch verbinden. Im Falle eines bestehenden Anschlussvermietungsrisikos etwa sollten frühzeitig Gespräche mit den Mietern des Objektes geführt werden. Werden Mietverträge dennoch gekündigt, sind beispielsweise die Beauftragung von zusätzlichen, externen Maklern oder die Erstellung von passenden Vermarktungskonzepten, mit denen neue Mieter gewonnen werden sollen, mögliche Handlungsalternativen.

Risikoscoringsystem: Risiken sichtbar machen und aggregieren

Um die Risiken der einzelnen Immobilien besser einordnen und vergleichen zu können, eignen sich grafische Darstellungen. Auf diese Weise werden relevante Risiken auf den ersten Blick erkennbar. Die Real I.S. verwendet hierzu ein Risikoscoringsystem. In dieses fließen nicht nur Auswertungen aus der Portfoliomanagementsoftware zum jeweiligen Objekt ein, sondern auch weitere Daten aus Researchdatenbanken, insbesondere zu Länder- und Marktrisiken. Einen Überblick über die eingehenden Indikatoren gibt die Grafik. Neben dem Risikoscoring werden parallel weitere Risiken bewertet, unter anderem Wechselkurs-, Zinsänderungs-, Inflations- und Finanzierungsrisiken sowie operationelle Risiken.

Für alle Risiken werden vorab Risikolimits festgelegt, die dem Risikoprofil des jeweiligen Fonds Rechnung tragen. Da die Real I.S. zum jetzigen Zeitpunkt gemäß INREV-Standards ausschließlich Core-Fonds auflegt, wurden die Limits beispielsweise für Leerstand oder Mietvertragsauslauf entsprechend niedrig festgesetzt. Denn diese Risiken würden die Ausschüttung des Fonds unmittelbar beeinflussen.

Wesentliche Risiken infolge von Limitüberschreitungen werden im Risikobericht erfasst und vom Risikomanager bewertet. Hierauf folgt die Ableitung einer Strategie zur Risikovermeidung bzw. -begrenzung. Dabei ist der Austausch mit dem Riskowner – also dem Asset- bzw. Fondsmanager – von elementarer Bedeutung.

Laufendes Monitoring und Eskalation

Wesentliche Risiken müssen gegenüber der Geschäftsleitung und den Riskownern kommuniziert werden. Bei der Real I.S. findet dies im monatlichen Riskboard-Meeting statt. Parallel muss das Risikomanagement die verabschiedete Strategie zur Risikovermeidung bzw. Risikobegrenzung begleiten, die jeweiligen Asset- bzw. Fondsmanager folglich regelmäßig kontaktieren. Gegebenenfalls muss im Falle unzureichender Maßnahmen der Riskowner im Riskboard oder in einem Ad-hoc- Meeting eskaliert und eine Entscheidung herbeigeführt werden. Die Vorgehensweise im Risikomanagement dient der Früherkennung und damit der Schadensbegrenzung. Unternehmen, die frühzeitig professionelle Risikomanagementsysteme implementiert haben, erzielen hierdurch einen Wettbewerbsvorteil im Markt – nicht nur, weil dadurch immobilienspezifische Risiken schneller erkannt und daraus resultierende Probleme abgewendet werden können, sondern auch, weil auf diese Weise die historische Entwicklung von Märkten abgebildet werden kann.

Aus solchen Zeitreihen wiederum lassen sich, kombiniert mit einem professionellen Research, Strategien für weitere Investitionen ableiten. In der Vergangenheit beobachtete Zyklen können zwar nicht eins zu eins in die Zukunft projiziert werden, geben aber gute Hinweise auf „typische“ Verläufe und Volatilitäten. Beispielsweise lassen sich Aussagen treffen, wie sich Mietmärkte voraussichtlich langfristig entwickeln. Eine solche Analyse hilft daher bei zukünftigen Investitionsentscheidungen, da Entwicklungen transparenter sind und Entscheidungen bewusster getroffen werden können. Damit besteht die Möglichkeit, Immobilienrisiken vom Zeitpunkt des Ankaufs an zu beobachten und zu steuern.

Risikomanagement als Basis für künftige Investitionsentscheidungen

Die Real I.S. hat – unabhängig von den heutigen Vorschriften des KAGB – bereits ab 2009 ein unabhängiges Risikomanagement eingeführt. Damit liegen nicht nur Erfahrungen hinsichtlich der Implementierung derartiger Systeme vor, sondern auch mit Blick auf deren Aufwand und Nutzen. Die Real I.S. ist daher überzeugt, dass ein unabhängiges Risikomanagement für langfristig erfolgreiche Investitionen unabdingbar ist. Dabei sollte Risikomanagement nicht nur als notwendiges regulatorisches Übel verstanden werden. Vielmehr können sich Eigentümer, Anleger und Assetmanager nur mit einem geeigneten Risikomanagementsystem darauf vorbereiten, welche Risiken künftig relevant werden könnten. Gleichzeitig dient es als Basis für künftige Investitionsentscheidungen. Denn die Erfahrung zeigt: Wird schon beim Ankauf das Bewusstsein für ein mögliches Risiko geschaffen, lässt sich dieses künftig besser handhaben.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von Real I.S. AG
Erstveröffentlichung: ZIA Geschäftsbericht 2014/ 2015