04.01.2018

Secondary Cities

Die kleinen Märkte folgen den Großen

Roman Menzel, Geschäftsführer, Neopolis Beteiligungs GmbH
Roman Menzel

Wer A sagt, muss auch B sagen heißt ein häufig verwendetes Sprichwort. Es bedeutet nichts anderes, als etwas fortzuführen, was man einmal angefangen hat. Zumindest handelt eine Vielzahl von Investoren nach dem gleichen Muster. Wer in A-Städte investiert, der geht heute auch in B-Städte, denn Deutschlands Immobilienmarkt beschränkt sich nicht nur auf Metropolen, wie Berlin oder München, sondern auch kleinere Städte bieten Chancen für Investoren.

Da das Angebot in den Metropolregionen knapper und aufgrund der hohen Nachfrage, verbunden mit der starken nationalen und internationalen Konkurrenz um die besten Objekte, auch immer teurer wird, setzen deutsche Investoren zunehmend auf die sogenannten Secondaries, Märkte unterhalb der Big 7.
Eine einheitliche Definition für diese verschiedenen, kleineren Standorte gibt es nicht, aber es sind Standorte mit regionaler, aber nicht notwendigerweise, mit eingeschränkter nationaler Bedeutung. Und sie besitzen eine wichtige Ausstrahlung auf ihren Umkreis.

Größe allein zählt nicht

Um Aussagen über die Attraktivität als Immobilienstandort, die Qualität und das Risiko sowie die zu erwartende Gesamtrendite eines Investments zu treffen, zählt nicht einzig die Größe. Es ist deutlich sinnvoller, die Städte nach ihrer Branchenstruktur und ihrer Kernfunktion in der nationalen Bedeutung und der gesamten Attraktivität zu bewerten.
Kritiker der Secondary Cities bemängeln die Illiquidität kleinerer Standorte, was zu einem größeren Risiko bei einem kurzfristigen Verkauf führe. Zudem gelten kleinere Märkte als intransparent, da vergleichsweise wenig Daten über Mieten, Renditen oder Transaktionen verfügbar sind.

In einer Studie „Wie heterogen sind deutsche Städte? Zur Segmentierung deutscher Wohnimmobilienmärkte“ zeigen Michael Heinrich und Tobias Just von der IREBS, die Grenzen der ABCD-Klassifikation auf. Die Beiden haben daher eine Methode zur Kategorisierung entwickelt, die vor allem die dynamischen und messbaren Aspekte berücksichtigt. Ebenso erweitert die NAI apollo group ihr bundesweites, 110 Standorte umfassendes, Bewertungssystem in ihrem „Städte-Attraktivitäts-Ranking StAR“ mit einem Ansatz, wo neben den üblichen wirtschaftlichen und soziodemografischen Faktoren auch eine Vielzahl gewichteter wohnungswirtschaftlicher Aspekte einfließen. Man betont bei diesem Ansatz, als zentralen Unterschied zu anderen Rankings, die Menge der Indikatoren und die Einrechnung eines Imageaufschlags. In ihrem Attraktivitäts-Ranking tauchen in den TOP 25 neben allen Big 7 auch Secondaries unterschiedlicher Größe, wie Ingolstadt, Landshut, Erding, Potsdam, Freiburg, Rosenheim, Heidelberg, Regensburg, Heilbronn, Augsburg, Darmstadt, Münster, Karlsruhe und Ulm auf.

Grafik - 100 deutsche Städte im Städte-Attraktivitäts-Ranking (StAR)

Quelle: Städte-Attraktivitäts-Ranking StAR der apollo valuation & research GmbH, einschl. Imageaufschlag innerhalb des Gesamtrankings

Die fehlende Liquidität sowie die Intransparenz kann auch Vorteile mit sich bringen, da Preise nicht durch große Investmentgesellschaften in die Höhe getrieben werden und in kleineren Standorten weniger spekulativ gebaut wird. Zudem weisen B- und C-Städte geringere Preisschwankungen als die großen 7 auf und es gelten oft genauso gute oder bessere wirtschaftliche Rahmenbedingungen, was die Standorte aus diesen Gründen häufig stabiler macht.
Pauschal lässt sich jedoch nicht sagen, welche Investition weniger risikoreich ist. Aber der Trend lieber in einer C-Stadt in die beste Lage zu investieren, als in einer A-Stadt ist erkennbar.
 

Ulm - Ein Musterbeispiel einer attraktiven Secondary City

Rankings sind zumindest ein Anhaltspunkt an dem sich Investoren orientieren. Denn wenn in den Kategorien Wachstum und Jobs, Firmengründungen, Produktivität und Standortkosten, Einkommen und Attraktivität, Sicherheit und Lebensqualität, diese Faktoren hervorstechen, dann lockt das Studierende, Arbeitskräfte und Unternehmen an.

Ein Musterbeispiel für diese positiv bewerteten Kategorien nimmt die Doppelstadt Ulm/Neu-Ulm, mit ca. 170.000 Einwohnern, als erfolgreich dynamisch wachsende Wirtschaftsregion, ein. Die Donaustadt Ulm ist mit ca. 125.000 Einwohnern und über 10.000 Studenten mehr als nur das berühmte Ulmer Münster mit seinem höchsten Kirchturm der Welt. Die Geburtsstadt Albert Einsteins gilt als Innovationsregion schlechthin. Das räumliche Nebeneinander von Universität, sie gilt als einer der besten in Deutschland, Hochschulen, Kliniken und Forschungseinrichtungen hat sich zu einem erfolgreichen Motor für den gesamten Wirtschaftsraum entwickelt.  In Einrichtungen, wie dem Science Park oder den Gewerbegebieten Donautal und Ulm Nord, finden Unternehmen ideale Voraussetzungen, um neue Produkte zu entwickeln und zu produzieren. Auch Weltfirmen wie Daimler oder Audi betreiben im Science Park ihre Forschungszentren. Ein heterogener und gesunder Branchenmix mit über 10.000 Unternehmen unterschiedlicher Größenordnungen sorgt für Diversifikation. Von der Pharmazie und Biotechnologie über Logistik/Transport bis hin zu Metallerzeugung/-verarbeitung, Nutzfahrzeug- und Maschinenbau sowie Informationstechnik ist alles vertreten, wobei die Region als eine der größten Pharmastandorte Deutschlands gilt.

Ulm 21: Das 4 Mrd. EUR Infrastrukturprojekt der Bahn macht Ulm zum neuen Drehkreuz

Wer heute von Ulm zum Flughafen oder in die Innenstadt von Stuttgart gelangen möchte, kann mit der Bahn oder dem Auto zwischen 1 bis 1,5 Stunden einplanen. Die neue Bahntrasse auf der Achse Paris–Budapest, mit seinen zahlreichen neuen Tunnelverbindungen, wird den Ulmer Citybahnhof zum bedeutenden Drehkreuz machen. Die Fahrtzeit zum Stuttgarter Flughafen verkürzt sich auf 21 Minuten und rückt die Stadt in eine neue geografische Dimension. Das haben bereits mit Weitsicht die ersten überregionalen Investoren als weiteren Standortvorteil entdeckt und investieren bereits in neue Projektentwicklungen rund um den Hauptbahnhof von Ulm.

Dichterviertel und Sedelhöfe sind die wichtigen Stadtentwicklungsprojekte

Die Immobilienpreise in Ulm steigen und steigen in nahezu allen Baujahrsklassen und Segmenten. Der Grundstücksmarkbericht 2017 des Gutachterausschusses beschreibt den starken Marktanstieg: „So stiegen etwa die Preise für Neubauwohnungen im Vergleich zum Vorjahr um rund 6 Prozent. Gründe für die starke Nachfrage sind unter anderem das anhaltend niedrige Zinsniveau, mangelnde Alternativen für konservative Anleger, Bevölkerungswachstum in der Stadt, die niedrigste Arbeitslosenquote in Baden-Württemberg und die Neubaustrecke zwischen Ulm und Stuttgart. “
Mitten in der Stadt, direkt neben dem Hauptbahnhof und doch abseits des Trubels, liegt das Dichterviertel. Dominiert von einer langjährig stillgelegten Industriebrache grenzt im Süden ein bestehendes Wohnquartier an. Das nördliche Dichterviertel wird durch ein modernes Stadtquartier zu neuem Leben erweckt und setzt der Stadt Ulm zugleich einen weiteren Akzent. Nach den Plänen der Stadt werden künftig im Sanierungsgebiet 800 Wohnungen entstehen. Die pro invest, das Projektentwicklungsunternehmen der RS-Gruppe aus Ulm, entwickelte als „first mover“ einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan. Auf dem Areal wird ein Leonardo Royal mit 148 Hotelzimmern sowie derzeit 74 hochwertige Wohnungen für Eigentümer und Mieter errichtet. Zusätzlich wird man in dem zentralen Quartier weiteren nachgefragten Wohnkonzepten, wie 112 vollmöblierten Mikro-Apartments sowie 59 betreuten Wohnungen, gerecht. Baubürgermeister Tim von Winning sprach von einer Pioniertat für das Dichterviertel und er erwartet sich von dem Projekt Signalwirkung für das ganze Sanierungsgebiet. Bei Spitzenmieten oberhalb von 13,00 EUR/qm läuft die Vermietung erfreulich und spiegelt die hohe Nachfrage nach innerstädtischen Lagen in Ulm wieder.

Zweites Prestigeprojekt sind die Sedelhöfe an der Bahnhofsvorseite. Das Projekt ist geprägt von einer bedarfsorientierten Nutzungsmischung aus Einkaufen, Wohnen und Arbeiten. Damit entsteht, neben dem Dichterviertel, ein zweites zeitgemäßes Ensemble in der Innenstadt von Ulm, welches mit einer vielfältigen Nutzungsmischung ein lebendiges und urbanes Quartier schaffen möchte.
Der Hamburger Projektentwickler DC Developments errichtet dort bei einem Projektvolumen von rund 200 Mio. EUR 112 Wohnungen, Büros auf ca. 6.000 qm sowie Einzelhandelsflächen von ca. 18.000 qm. Die Wohnungen werden auch hier an Menschen vermietet, die innerstädtische Lagen mit exzellenter Verkehrsanbindung schätzen.

Heute stehen solche Standorte, exemplarisch auch für andere Secondary Cities, auf der Ankaufsliste institutioneller Fonds und Investmentgesellschaften, die wie in Ulm als Investoren aufgetreten sind. Schwacher Trost für die, die keine Eigentumswohnung ergattern konnten. Die Objekte finden sich in diversen Spezial- und Pensionsfonds wieder, die am Ende zumindest eine indirekte Beteiligung an solchen Vorhaben ermöglicht.

 

 

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von Neopolis Beteiligungs GmbH
Erstveröffentlichung: Finanzwelt 12/2017

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