04.02.2016

Stetig ist der Wandel

Pfandbriefbanken und alternative Kreditgeber im Spannungsfeld zwischen Partnerschaft und Konkurrenz

Jan Bettink, Vorsitzender des Vorstandes, Berlin Hyp AG
Jan Bettink

Die Bankenbranche bewegt sich nach wie vor in einem Umfeld voller Herausforderungen, auch wenn die direkten Auswirkungen der Finanzkrise ihren Schrecken langsam verlieren. So hatte das für 2012 bis 2014 allgemein erwartete „financing gap“ insbesondere auf dem deutschen Immobilienmarkt nicht die befürchteten Ausmaße angenommen. Stattdessen hat sich – begünstigt durch alternative Kreditgeber und einen nahezu abgeschafften Zins – der Wettbewerb der Investoren um Finanzierungen bei Kreditgebern in Teilbereichen zu einem Wettbewerb der Kreditgeber um Investoren gewandelt.

Auch wenn im „Jahr 7 nach Lehman“ die Belastungen und Herausforderungen für Banken in Europa, darunter auch die gewerblichen Immobilienfinanzierer in Deutschland, nicht eben klein sind – als Stichworte seien hier nur der ungebrochene Trend der Regulierungsverschärfung, Basel III, weiter steigende Eigenkapitalanforderungen sowie der 2014 absolvierte EZB-Stresstest genannt – sind dennoch deutliche Anzeichen einer Entspannung zu erkennen.

Ängstlich hatte der Markt seinerzeit auf die Jahre 2012 bis 2014 geschaut, in denen der Höhepunkt der zur Refinanzierung anstehenden Volumina aus noch zu Vorkrisenzeiten arrangierten Finanzierungen und CMBS-Transaktionen erwartet wurde. Bis in das Jahr 2012 hinein war dieses „financing gap“ ein Unsicherheitsfaktor. Die Angst einer nachhaltigen Finanzierungslücke hat ihren Schrecken für den Finanzmarkt jedoch inzwischen verloren. Der Blick auf aktuelle Zahlen lässt manche sich verwundert die Augen reiben: In den Kernländern der EU, darunter auch Deutschland, gibt es einen Angebotsüberhang für Finanzierungen und dies trotz des Ausscheidens durchaus namhafter Banken. Bei der Frage nach den Gründen für das Ausbleiben weiterer Turbulenzen sind folgende Fakten in Erwägung zu ziehen:

  • Problemkredite und auch Verbriefungen wurden nur in seltenen Fällen gekündigt und (zwangs)verwertet. Vielmehr wurden europaweit sogenannte Bad Banks geschaffen, in denen auch Immobilienfinanzierungen geparkt und marktschonend abgebaut wurden.
  • Nicht zuletzt dank der Eingriffe der EZB hat sich die Refinanzierungssituation der Banken deutlich entspannt. Die „dicke Bertha“ hat ihren Zweck erfüllt. Auch in Zeiten von Niedrigstzinsen blieb darüber hinaus der Pfandbrief ein nachgefragtes und anerkannt erfolgreiches Refinanzierungsmittel für die deutschen Pfandbriefbanken, die daraus einen Wettbewerbsvorteil generieren konnten.
  • Die Liquiditätsschwemme und der – vor dem Hintergrund historischer Niedrigstzinsen – zunehmende Anlagedruck internationaler Investoren haben dazu geführt, dass der Preiseinbruch auf den Immobilienmärkten im Zuge der Finanzkrise in relativ kurzer Zeit gestoppt wurde. Eine erhöhte Nachfrage, und in der Konsequenz steigende Preise, sorgten vielmehr dafür, dass sich viele internationale Banken vergleichsweise „geräuschlos“ und vor allem eigenkapitalschonend von ihren Problemkrediten trennen konnten. Zum Teil erschien es sogar attraktiv, die Darlehen zu verlängern, da die LTVs der Finanzierungen wieder auf ein akzeptables Maß gesunken waren.
  • Auch die „new arrivals“, d.h. neue Kreditgeber am Markt für gewerbliche Immobilienfinanzierungen haben sicher ihren Teil dazu beigetragen, die Finanzierungslücke zu schließen. Zu ihnen zählen insbesondere Staatsfonds, die auf der Suche nach „safe haven“ Investments den Immobilienmarkt deutlich übergewichtet haben, aber auch Versicherer, Pensionskassen und mit Kreditfonds eine Vielzahl weiterer institutioneller Anleger.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass insbesondere auf dem Finanzierungsmarkt für Immobilien in Deutschland eine positive Stimmung zu vermelden ist. Der Wettbewerb der Investoren um Finanzierungen bei Kreditgebern hat sich in Teilbereichen zu einem Wettbewerb der Kreditgeber um Investoren gewandelt. Einen Trendumschwung auf dem deutschen Immobilienfinanzierungsmarkt in dieser Deutlichkeit hatten viele Marktteilnehmer noch Anfang 2013 kaum für möglich gehalten. Diese Entwicklung wird auch im aktuellen DIFI-Report bestätigt.

Das nun vorherrschende Thema ist der aktuell hohe Konkurrenzdruck unter den Finanzierungsgebern insbesondere für Core-Immobilien mit entsprechenden Auswirkungen wie sinkenden Margen, steigenden Beleihungsausläufen und höheren Darlehensvolumina. Wurden in den letzten Jahren größere Transaktionen überwiegend als Clubdeals realisiert, gehen nun mehr und mehr Immobilienfinanzierer wieder dazu über, zunächst auch allein größere Volumina bereit zu stellen. Trotz dieser aus Kreditnehmersicht insgesamt positiven Entwicklung bleibt abzuwarten, inwieweit die neuen regulatorischen Rahmenbedingungen und der anhaltende Margendruck die klassischen Immobilienfinanzierer gegebenenfalls an ihre Leistungsgrenzen bringen wird – auch im Hinblick auf die Rentabilität.

The challenge of a “new normal“

Das Spannungsfeld zwischen Partnerschaft und Konkurrenz, in dem sich etablierte Pfandbriefbanken und alternative Kreditgeber bewegen, wird maßgeblich von den Investoren determiniert, die eine Finanzierung aus einer Hand durchaus präferieren. Hier können die Pfandbriefbanken den Vorteil langjähriger Erfahrungen in der administrativen Abwicklung von Immobilienfinanzierungen sowie ihre Kundenbeziehungen einbringen. Für neue Marktteilnehmer ist der Aufbau einer entsprechend eigenen Infrastruktur hingegen zeit- und kostenaufwendig. Es gilt also, die jeweiligen Stärken sinnvoll zu kombinieren.

Nicht nur für Pfandbriefbanken kann dies einen geänderten geschäftsstrategischen Ansatz und eine Erweiterung des eigenen Selbstverständnisses zur Folge haben, soll das Endprodukt optimal die Bedürfnisse der Investoren erfüllen, u.a. im Hinblick auf: Preis, Volumen, Geschwindigkeit, einen Ansprechpartner und konzertierte Verhandlungen. Dies kann gerade in der Geschäftsanbahnungsphase eine Veränderung und Erweiterung der Geschäftsprozesse erfordern. Neue Finanzierungspartner und deren Interessenslagen müssen sorgfältig analysiert und Vertragsmuster sollten im Vorfeld harmonisiert werden. Gegebenenfalls sind neue Ansätze zum Interessensausgleich der unterschiedlichen Darlehensgeber im Hinblick auf deren Rangfolge in der Kapitalstruktur unter Berücksichtigung etablierter Ratinganforderungen zu schaffen sowie den sich schnell ändernden, regulatorischen Anforderungen Rechnung zu tragen. Dabei sollte von dem Grundsatz auszugehen sein, dass jeder Marktteilnehmer, der sich wie eine Bank verhält, auch gleichen Regeln unterliegt.

Konkurrenten oder verlässliche Partner?

Eine Vielzahl von Pfandbriefbanken sammelt bereits die eine oder andere Erfahrung mit den neuen Finanzierungspartnern. Die Herausforderung besteht darin, diese Zusammenarbeit vom Einzelfall zu lösen und auf eine strategische Ebene zu heben. Gleichzeitig ist bezüglich der Frage der Nachhaltigkeit im Sinne einer dauerhaften Präsenz der „new arrivals“ sicher nicht auszuschließen, dass bei einem substanziellen Anstieg des Zinsumfeldes einige der neuen Finanzierungsgeber ihr Engagement wieder zurückfahren werden. Insbesondere Versicherer und Pensionskassen könnten dann liquide Anleihen oder Pfandbriefe wieder höher gewichten. Zumal in diesem Fall der aus dem aufwändigeren und komplexeren Immobilienfinanzierungsgeschäft erzielbare Renditevorsprung im Aufwand-Nutzen-Vergleich als zu gering erachtet werden könnte.

Stetig ist der Wandel

Die Kombination alternativer Finanzierungsquellen mit der etablierten, sicheren und zuverlässigen Finanzierungsbereitschaft und -kraft der Pfandbriefbanken wird eventuell ein gewisses Maß an Umdenken bis hin zu Teil-Strategieänderungen bei einigen Marktteilnehmern erfordern. Auch im Rahmen eines geänderten regulatorischen Umfelds stellt sich weniger die Frage, ob sich die Risikopolitik der Banken ändern sollte, sondern, wer welche Teile der Gesamtfinanzierung zu welchem Preis liefern kann. Und: wer am besten geeignet ist, alle Beteiligten zu orchestrieren und auf verlässlicher Basis, die erforderlichen Managementkapazitäten bereit zu stellen. Weltmeisterliche Leistungen sind – wie sich 2014 wieder bewiesen hat – meist nur möglich, wenn unterschiedliche Talente mit klarer Rollenverteilung bei größtmöglicher Flexibilität zusammentreffen.

Insofern sind die deutschen Pfandbriefbanken mit ihren Kapazitäten (auch im Sinne von „know how“ und „know who“) und verlässlichen Qualitäten gut geeignet, alle Finanzierungspartner transaktionsspezifisch an einen Tisch zu bringen. Die Voraussetzungen für eine partnerschaftliche Zusammenarbeit sind also gegeben – zumindest in der Theorie. Die Praxis wird zeigen, wie weit die möglichen Vorteile einer Partnerschaft zwischen den etablierten Immobilienfinanzierern und den „new arrivals“ tragen werden – oder um es mit Otto Rehhagel zu sagen: „Die Wahrheit liegt auf dem Platz“.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von Berlin Hyp AG
Erstveröffentlichung: vdp Immobilien-Factbook 2014