06.03.2015

Unerwarteter Geldsegen

BGH-Urteile stellen Energiekostenrückzahlungen in Aussicht.

Dr. Martin Hamer, Partner, Greenberg Traurig Germany, LLP
Dr. Christian Schede, Managing Partner und Leiter der Branchengruppe Immobilien bei der internationalen Wirtschaftskanzlei Greenberg Traurig, Greenberg Traurig Germany, LLP
Dr. Martin Hamer

Die steigenden Energiepreise sind zurzeit in aller Munde: Von der Politik im Bundestagswahlkampf gegeißelt, von den Mietern beim Blick in die jährliche Betriebskostenabrechnung gefürchtet, sind Energiekosten auch für Gebäudeeigentümer von immer größerer Bedeutung. Denn viele in der Praxis verbreitete Preisanpassungsklauseln in Wärme- und Gaslieferverträgen dürften nach der Rechtsprechung des Bundesge­richtshofs (BGH) unwirksam sein. Das könnte der Immobilienwirtschaft nun unerwartete Rückzahlungsansprüche gegen ihre Energielieferanten bescheren.

Immobilienunternehmen haben vor dem Hintergrund der aktuellen Recht­sprechung nunmehr die Möglichkeit, ihre Energieliefervertrage auf solche unzulässigen Preisanpassungsklauseln zu prüfen und Rückzahlungsforderungen an ihre Energielieferanten zu stellen. Im Einzelfall können sich hierbei Rückzahlungen in Millionenhöhe ergeben.

Betroffen sind davon alle Gebäudeeigentümer, die Wärme oder Gas von einem gewerblichen Energieversorgungsunternehmen auf der Grundlage von langfristigen Lieferverträgen beziehen. Diese Verträge enthalten regelmäßig Preisanpassungsklauseln, welche die Änderung der vereinbarten Ausgangspreise an die Entwicklung des Preises bestimmter anderer Wirtschaftsgüter häufig Heizöl knüpfen. Für viele Gebäudeeigentümer haben die entsprechenden Preisanpassungen in den vergangenen Jahren zu einem erheblichen Anstieg der Energiekosten geführt.

Rückzahlungen in Millionenhöhe

Wer beispielsweise Wärme bezieht, deren Preis zu 100 Prozent an den Preis von leichtem Heizöl (HEL) gekoppelt ist, hat seit 2009 mehr als eine Verdoppelung der Wärmekosten in Kauf nehmen müssen. In mehreren Grundsatzurteilen hat der BGH dieser Entwicklung nunmehr einen Riegel vorgeschoben, indem er in der Pra­xis geläufige Preisanpassungsklauseln für unwirksam erklärt hat. Dies betrifft sol­che Klauseln, die das Versorgungsunternehmen als Allgemeine Geschäftsbedingung (AGB) einseitig vorgegeben hatte.

Nach diesen Rechtsprechungsgrundsätzen sind formularmäßige Preisanpas­sungsklauseln unwirksam, wenn sie dem Energielieferanten die Möglichkeit eröffnen, seine Gewinnspanne über die bei Vertragsschluss vereinbarte Marge hinaus nachträglich zu erhöhen. Wärmeund Gaslieferanten sind daher verpflichtet, für die Preisanpassung eine Bemessungsgröße zu wählen, die an die Kostenentwicklung des tatsächlich eingesetzten Brennstoffes anknüpft.

Das bedeutet für die Kunden der Ener­gielieferanten: Setzt der Wärmelieferant zur Wärmeerzeugung ausschließlich Erdgas ein, koppelt aber den Wärmepreis allein an die Preisentwicklung für leichtes Heizöl (HEL), ist die Preisanpassungsklausel unwirksam. Auf der Grundlage dieser Klausel vorgenommene Preiserhöhungen erfolgten daher zu Unrecht. Der Abnehmer kann die entsprechenden Erhöhungsentgelte grundsätzlich von dem Versorger zurückverlangen.

Ebenfalls unwirksam sind Klauseln, die den Preisanpassungsmechanismus oder die für die Anpassung maßgeblichen Faktoren nicht hinreichend trans­parent darlegen. Auch wenn der BGH bislang noch nicht jede Einzelfrage abschließend beurteilt hat, ist bereits jetzt absehbar, dass hohe Anforderungen an die Wirksamkeit von Preisanpassungs­klauseln in Wärmeund Gaslieferverträ­gen zu stellen sind. Dies dürfte zur Folge haben, dass in der Praxis bei vielen bestehenden Energielieferverhältnissen die Preiserhöhungen nicht gerechtfertigt waren. Zahlreiche jüngere Urteile bestätigen diese Annahme.

Trotz dieser aus Sicht von Gebäudeeigentümern erfreulichen Rechtspre chungsentwicklung hat der BGH in seinen Urteilen für den Energieabnehmer noch die eine oder andere Hürde auf dem Weg zu einem Rückzahlungsanspruch aufgestellt. Kann der Energielieferant nachweisen, dass er beim Brennstoffbezug im Wesentlichen derselben Preisbindung unterlag, die auch im Wärmeoder Gaslieferverhältnis vereinbart war, würde ihn dies vom Vorwurf unwirksamer Preisanpassungen entlasten. In der Pra­xis dürfte Energielieferanten dieser Nachweis jedoch nur selten gelingen.

Verjährung droht schon Ende 2013

Darüber hinaus kann der Abnehmer nach einer weiteren kürzlich ergangenen Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs seine Rückzahlungsansprüche nur dann erfolgreich geltend machen, wenn er die jeweilige Jahresabrechnung mit der unzulässigen Preiserhöhung innerhalb von drei Jahren beanstandet hat. Zu dieser dreijährigen Beanstandungsfrist ein Beispiel: Ein Wärmelieferant hat auf der Grundlage der vereinbarten Preisanpassungsklausel im Jahr 2010 zweimal die Preise erhöht.

Beide Preiserhöhungen wurden erstmals in der Jahresrechnung für 2010 berücksichtigt, die dem Abnehmer am 15. Februar 2011 zugegangen ist. Der Ab­nehmer kann die unwirksamen Preis­erhöhungen nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofes nur dann geltend machen, wenn er sie bei dem Wärmelieferanten bis spätestens zum 15. Februar 2014 beanstandet. Andernfalls stehen ihm für das Jahr 2010 keine Rückzahlungsansprüche zu.

Zusätzlich zu dieser vom BGH entwickelten dreijährigen Beanstandungsfrist ist auch die normale zivilrechtliche Ver­jährung zu beachten. Danach verjähren Rückzahlungsansprüche grundsätzlich innerhalb von drei Jahren. Die Verjäh­rung beginnt mit dem Ende des Jahres, in dem die Jahresabrechnung für den entsprechenden Lieferzeitraum bei dem Energieabnehmer eingegangen ist. Beispielsweise können die Rückzahlungsan­sprüche bei unwirksamen Preiserhöhun­gen im Jahr 2010 den Zugang der Jah­resabrechnung 2011 unterstellt mit Ablauf des Jahres 2014 verjähren. Rüickzahlungsansprüche aus 2009 können demzufolge bereits Ende 2013 verjähren.

Die Gebäudeeigentümer sollten vor diesem Hintergrund sorgfältig prüfen, ob in ihrem Falle etwaige Rückzahlungs­ansprüche gegen ihre Energielieferanten in Betracht kommen. Darüber hinaus sollten sie sich Gewissheit verschaffen bis wann die unwirksamen Preiserhö­hungen beanstandet werden müssen oder zu welchem Zeitpunkt etwaige Rückzahlungsansprüche verjähren.

Auch Mieter wittern ihre Chance

Da Energielieferentgelte regelmäßig in Form von Betriebskosten weitergegeben werden, wittern mittlerweile auch Mieter ihre Chance, von den unwirksa­men Preisanpassungen zu profitieren. Mit Verweis auf die jüngsten Urteile könnten sie möglicherweise die Rückzahlung von Betriebskosten verlangen oder die Zahlung von künftigen Be­triebskosten (anteilig) verweigern. Wohnimmobilienunternehmen und an­dere Vermieter sollten daher die Geltendmachung solcher Ansprüche nicht zuletzt auch deswegen sorgfältig prüfen, weil der Ausfall von Betriebskostenzahlungen oder gar die Rückforderung von Wärmeentgelten durch die Mieter ein nicht zu unterschätzendes rechtliches und wirtschaftliches Risiko für die Unternehmen darstellt.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von Greenberg Traurig Germany, LLP
Erstveröffentlichung: Oktober 2013, immobilienmanager