09.07.2015

Vertrauen ist gut...

...Kontrolle ist besser. Tatsächlicher Energieverbrauch oft höher als gedacht.

Prof. Dr. Michael Bauer, Partner und Geschäftsführer, Drees & Sommer SE
Prof. Dr. Michael Bauer

...doch sollten Immobilieneigentümer lieber auf Nummer sicher gehen. Oft klafft eine breite Lücke zwischen dem tatsächlichen Energieverbrauch und den berechneten und bestellten Werten.

Kontrolle ist besser. Schließlich verbrauchen viele Gebäude deutlich mehr Energie als ursprünglich geplant. Es ist keine Seltenheit, dass Immobilien in den ersten Betriebsjahren das Doppelte bis Dreifache des konzipierten Energiebedarfs benötigen. Doch wohin fließt diese Energie? Verbrauchswerte zu überprüfen ist schwer möglich, denn anhand der jährlichen Abrechnung lässt sich lediglich der Gesamtenergieverbrauch ermitteln. Ob dieser jedoch durch Heizen, Kühlen, Lüften oder Beleuchten verursacht wird – und wie effizient dieses vonstattengeht -, kann nicht oder nur mit erheblichem Aufwand ermittelt werden. Der Gesamtenergieverbrauch ist damit eine Black Box, deren Inhalte meist im Verborgenen bleiben. Wenn Anlagen oder Prozesse ineffizient sind kann, kann dies nur schwer aufgezeigt werden. Demzufolge sind auch die Chancen, wirksame Optimierungsmaßnahmen zu ermitteln und umzusetzen gleich null – tappen doch Eigentümer und Nutzer im Dunkeln, wenn es um die Frage geht, wo die Energieschlupflöcher versteckt sind. Bisher werden die meisten Immobilien also vor allem aus einem Grund nicht effizient betrieben: Eigentümer und Nutzer wissen nicht, wie energieeffizient ihre Immobilien überhaupt betrieben werden können. Gleichzeitig wächst der Handlungsbedarf angesichts der steigenden Energiepreise.

Immobilienbranche fährt mit angezogener Handbremse / verschenkt Potenzial

Während Konsumgüter meist genau daraufhin kontrolliert werden, ob das Erhaltene auch das ist, was man bestellt hat, wird in der Immobilienbranche viel wirtschaftliches Potenzial verschenkt. Eine hochwertige Gebäudeausrüstung ist dabei noch kein Garant für einen nachhaltigen Betrieb. Abhilfe schafft ein Energiemanagementsystem (EMS), das in der Lage ist, ein virtuelles Vergleichsmodell des realen Gebäudes inklusive seiner Technik abzubilden. Gleichzeitig werden die Sollwerte für die verschiedenen gebäudetechnischen Anlagen para

llel abgebildet. Damit lassen sich die gemessenen Verbrauchswerte kontinuierlich mit den berechneten Referenzwerten vergleichen. Der Betreiber erhält so fortlaufend Auskunft darüber, ob sein Gebäude energieeffizient betrieben wird oder nicht. Vor allem bei Immobilien, in denen für die Konditionierung der Nutzungsbereiche erhebliche Energie aufwendet werden muss, ist der Einsatz eines EMS sinnvoll. Dazu gehören in erster Linie maschinell belüftete, beheizte und gekühlte Objekte wie Bürogebäude, Krankenhäuser, Flughäfen, Einkaufscenter, Rechenzentren, sowie Produktions- und Logistikgebäude.

Die Energie- undKosteneinsparung durch EMS am Beispiel Büroimmobilien in der Übersicht

Wer zahlt bei Underperformance?

Während der Planung wird in der Regel durch Simulationen der energieoptimale Betrieb ermittelt. Aus den Ergebnissen können die Anforderungen an die Energieeffizienz des Gebäudes und der Anlagen abgeleitet werden. Diese detaillierten Energieeffizienzkataloge sind im Idealfall Bestandteil der Ausschreibungen für die technischen Gewerke. Die eingebauten Anlagesysteme werden hinsichtlich Energieeffizienzkriterien überprüft. Parallel zum Einbau der Gebäudetechnik wird bereits auch das EMS implementiert. Inbetriebnahme, Abnahme und Übergabe (IAÜ) erreichen damit eine neue Qualität. Schließlich kann damit überprüft werden, ob die eingebauten Anlagen die versprochene Energieeffizienz tatsächlich leisten. Diese Kontrolle wird auch während der Gewährleistungsfrist fortgesetzt. Die Beweislast wird damit umgedreht. Wenn die Produkte der ausführenden und betreibenden Firmen nicht den Anforderungen aus dem Leistungsverzeichnis entsprechen, haben diese die Pflicht, entsprechend nachzurüsten.

Intensiv getestet

In mehreren Pilotprojekten wurde das EMS bereits getestet. Dazu gehören zum Beispiel HUK Coburg in Coburg, Spiegel Ericusspitze in Hamburg und die Kreissparkasse in Göppingen. Das EMS ist mittlerweile in weiteren Großprojekten – beispielsweise bei Flughäfen und Krankenhäusern – im Einsatz.

Bei einem renommierten Bürogebäude, bei dem der oben beschriebene Prozess und das EMS bereits zur Inbetriebnahmephase eingesetzt wurde, haben die Messungen gezeigt, dass der Primärenergieverbrauch für den Bürobereich für Heizen, Kühlen, Lüften und Beleuchten bereits im ersten Betriebsjahr bei 120 kWh pro Quadratmeter und Jahr lag – berechnet und geplant waren jedoch 100 kWh. Der Vergleich mit einem Simulationsreferenzmodell zeigte auf, dass 20 Prozent Energie eingespart werden können, wenn die Betriebszeiten optimiert und die Einstellungen an der Kältemaschine und der Lüftungsanlage austariert werden. Im zweiten Betriebsjahr, nach Umsetzung dieser Maßnahmen, wurde mittels EMS nachgewiesen, dass der Energieverbrauch auf 96 kWh pro Quadratmeter und Jahr gesenkt werden konnte – damit liegt der Energieverbrauch sogar unter dem Planwert.

Ein weiteres Pilotprojekt beinhaltet eine gebäudetechnische Anlage, die sich als Energieverbund über mehrere Liegenschaften erstreckt. Dazu gehören Blockheizkraftwerke, Absorptionskältemaschinen und ein Sprinklertank als Kaltwasserspeicher. Zur Inbetriebnahme wurden die Einstellwerte für die gebäudetechnischen Anlagen aus den Simulationsrechnungen abgeleitet. Durch den Vergleich der Simulationsrechnungen und den Messungen in der Inbetriebnahmephase konnten falsche Einstellungen und damit ein ineffizienter Betrieb in der realen Anlage detektiert und die Einstellungen korrigiert werden. Damit wurde innerhalb der ersten drei Monate ein energieeffizienter Betrieb erreicht. Die Zeit bis zu einem optimalen Betrieb wurde damit laut Aussage des Betreibers gegenüber vergleichbaren Anlagen um den Faktor drei reduziert.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von Drees & Sommer AG
Erstveröffentlichung: März 2014, immobilienmanager

Schriftzug TPP Homepage_Empfehlung der Redaktion.jpg
 


Contentpartner

#

Wie funktioniert das EMS?

Das System besteht aus zwei Komponenten: zum einen die Messgeräte, die an die  wesentlichen Energieverbraucher – wie zum Beispiel Heizungsanlagen, Kältemaschinen etc. – angeschlossen werden, zum anderen die Software – mit der integrierten Simulation der gebäudetechnischen Anlagen  –, die die Daten empfängt und mit Referenzwerten vergleicht. Dadurch werden automatisch Energieeinsparpotenziale sichtbar. Energiemanagementexperten werten diese regelmäßig aus und beraten bei Bedarf zu Optimierungsmaßnahmen oder Gewährleistungskonsequenzen. Anhand von Wirtschaftlichkeitsanalysen werden rentable Optimierungsmaßnahmen aufgezeigt und umgesetzt.