24.10.2017

Zukunft des Handels in der Stadt

Christina Hager, Vorstand des German Council of Shopping Centers und 1. Vorsitzende der Frauen in der Immobilienwirtschaft e.V. sowie Managing Director/ Head of Shopping Center Asset Management, redos real estate GmbH
Iris Schöberl, Vorsitzende des ZIA-Ausschusses Handel und Kommunales und Managing Director, BMO Real Estate Partners
Christina Hager

Der sichtbare demografische Wandel und der beständig wachsende Anteil des Onlinehandels sorgen für Frequenzverluste im stationären Einzelhandel. In deren Folge haben die Händler vor Ort spürbare und wachsende Umsatzverluste zu verzeichnen. Ein zukunftsfähiger Einzelhändler muss Omnichannelhandel beherrschen. Seine stationäre Handelsfläche muss er daher so managen und betreiben können, dass die Verschneidung der Vertriebswege reibungslos funktioniert und er dem Kunden alle Möglichkeiten zum Erwerb seiner Waren (online und offline) bieten kann. Dazu ist es notwendig, seine bestehende stationäre Fläche den digitalen Anforderungen anzupassen. Gemeinsam wollen wir durch einen intensiven Diskurs, die Rahmenbedingungen des Handels in Städten zukunftsfähig gestalten, um so einen wichtigen Beitrag zur Stärkung, Förderung und dem Erhalt lebendiger Innenstädte und sonstiger Handelsstandorte zu leisten.

Unser Selbstverständnis

Der Marktplatz ist der Ursprung der Stadt. Moderne Handelszentren und Stadträume bieten die Plattform für Kommunikation und gesellschaftlichen Diskurs. Erfolgreicher Handel stärkt die Stadt und ist entscheidend für die nachhaltige Lebensqualität der Menschen. Shopping Center, Fachmarktzentren und andere große Handelsimmobilien sind Teile unserer modernen Städte und schaffen Raum für abwechslungsreichen, lebendigen Handel, sie gehören heute zu den beständigen Marktplätzen. Der Handel in den Städten ist eine der wichtigsten Säulen unserer Volkswirtschaft und bietet den Menschen in verschiedenen Formaten viele qualifizierte Arbeitsplätze.

Unsere Positionen zur Zukunft des Handels in der Stadt

Die Geschichte des Handels in Städten ist ursächlich mit den sich stetig veränderten Wünschen und Bedürfnissen der Menschen verbunden. Die deutsche Shopping Center- und Handelsimmobilienbranche ist ein sichtbares Ergebnis eines ständigen Entwicklungsprozesses im Wettbewerb der Vielfalt des Handels. Ein hohes Maß an gesellschaftlicher und gesetzlicher Regulierung hat die Entwicklung bis heute begleitet und geprägt. Um zukunftsfähige und gute Handelsflächen in unseren Städten zu erhalten und zu schaffen, bedarf es insbesondere vor dem Hintergrund der Digitalisierung, der Unterstützung des Handels, um besonders den kommenden Anforderungen des internationalen Wettbewerbs standhalten zu können. Dies umfasst nicht nur die Verbesserung der digitalen Kompetenz und den Aufbau einer leistungsfähigen digitalen Infrastruktur. Der Handel reagiert auch mit hohen Investitionen in das Einkaufserlebnis, um den Kunden einen stationären Mehrwert zu bieten. Hieraus entstehen auch städtebaulich gewollte Synergien bezüglich der Attraktivität und Atmosphäre der Innenstädte, der Stadtteilzentren und verkehrsgünstiger Handelsstandorte.

Innenstadtentwicklung

Eine lebendige Innenstadt ist die Basis für eine gesunde und gesellschaftlich multifunktionale Stadt. Zur Stärkung der Innenstadt sollten Kommunen und Städte mit bestehenden und neuen Förderprogrammen unterstützt werden, um durch eigenes Engagement den stationären Innenstadthandel auf dem Weg zum Omnichannelhandel aktiv zu begleiten. Mit der Digitalisierung werden Fragen der städtebaulichen Gestaltung sowie Baukultur zu entscheidenden Wettbewerbsfaktoren in der Gunst um den Kunden.

Planungsrecht

Der Neubau, das Refurbishment oder die Erweiterung einer Handelsimmobilie ist ein mehrjähriger, komplexer und sehr aufwendiger Prozess. Besonders das Refurbishment von älteren Shopping Centern und anderen Handelsimmobilien stellt eine wachsende Herausforderung für die Immobilienwirtschaft und insbesondere den Eigentümern von Einzelhandelsflächen in den Innenstädten dar. Eine attraktive und zeitgemäße Handelslandschaft in Innenstädten ist aber von existenzieller Bedeutung für jede Stadt. Die Schnelligkeit der Planungs- und Genehmigungsprozesse durch die beteiligten Behörden und Institutionen muss vor diesem Hintergrund deutlich ansteigen, um einen marktgerechten und zukunftsfähigen stationären Omnichannelhandel in den Städten realisieren zu können.

Faire Wettbewerbsbedingungen für den stationären Einzelhandel kann das Planungs-, Bau- und Genehmigungsrecht schaffen, wenn es bestehende regulative Einschränkungen und die damit einhergehenden Auswirkungen in Städten erkennt und dies bei raumordnerischen Vorgaben überregional und regional berücksichtigt sowie einzelfallbezogene, kommunale Entscheidungsfreiräume stärkt. Dazu müssen die  Bestimmungen der Musterbauordnung in Hinblick auf ihre Aktualität und Sinnhaftigkeit überprüft werden. Eine kritische und konstruktive Überprüfung der gesetzlichen Regulierungen zugunsten einer zeitgemäßen und sinnvollen Vereinfachung der städtischen Handelsplanung (insbesondere der Innenstadt-Planung) ist nun ebenso die zentrale Aufgabe aller Beteiligten.

Infrastruktur

Der stationäre Einzelhandel ist auf eine möglichst optimale Infrastruktur, auf eine Stadt der kurzen Wege angewiesen. Die verkehrliche Erreichbarkeit der Innenstädte muss nachhaltig sichergestellt werden. Hierbei gilt es, Parkraumbewirtschaftung und Lieferverkehre gleichmäßig zu berücksichtigen. Ein fairer Wettbewerb um den Kunden erfordert Gleichberechtigung für den stationären Handel und somit eine intensive Diskussion über ausreichend kostenfreie Kurzzeitparkzonen sowie zu hohe Stellplatzablösebeiträge, die sich verteuernd auf Einzelhandelsstandorte auswirken.

Sortimentsbeschränkungen

Sortimentsbeschränkungen sind häufig nicht aktuell und stellen daher vielerorts eine nicht mehr zeitgemäße Einschränkung des stationären Einzelhandels dar. Die Listen der innenstadtrelevanten Sortimente sollten in Zusammenhang mit den Einzelhandelskonzepten und in Abstimmung u.a. mit den Handelsverbänden laufend fortgeschrieben und einer Prüfung im Einzelfall unterzogen werden (idealerweise alle zwei Jahre). Dabei müssen sich diese Listen an den jeweiligen kommunalen Gegebenheiten orientieren und dürfen sich nicht nur auf den Status Quo beziehen. Stattdessen ist der gewünschte Sortimentsmix als Zukunftsbild der Innenstadt und der weiteren dezentralen Handelsstandorte abzubilden.

Verkaufsflächengröße

Die geeignete Verkaufsflächengröße ist entscheidend für ein attraktives Warenangebot und somit für den Erfolg des Einzelhändlers. Zur Stärkung des stationären Einzelhandels – auch vor dem Hintergrund des demografischen Wandels – sollten die Kommunen bei der Aufstellung von Einzelhandelskonzepten und im Rahmen der Bauleitplanung dem stationären Einzelhandel im Sortiment flexiblere, maßstäbliche, im Einzelfall größere
und damit auf Dauer wettbewerbsfähige Verkaufsflächen zubilligen. Dies kann dazu beitragen heute weniger attraktive und leerstandsbedrohte Flächen wieder zu reaktivieren. Gleiches gilt für die Beurteilung nach den raumordnerischen Vorschriften der Länder und bei der Genehmigung von Einzelvorhaben nach § 34 BauGB.

Öffnungszeiten

Die bestehende Regulierung der Öffnungszeiten im stationären Einzelhandel widerspricht den heutigen Einkaufswünschen der Kunden. Der stationäre Einzelhandel muss, gemäß seiner gesellschaftlichen Relevanz und Bedeutung, in die Lage versetzt werden, dem Sonntagseinkaufswunsch der Bürger besser gerecht zu werden, als es heute der Fall ist. Das Einkaufserlebnis ist das stärkste Pfund des stationären Händlers. Daher sollten die Unternehmen die Chance bekommen, an zehn Sonntagen im Jahr ihre Kunden mit Events und Sonderaktionen zu begeistern.

Umweltschutz

Handelsimmobilien haben in den letzten Jahren beim Umweltschutz außerordentliche Fortschritte gemacht. Die energetischen Einsparungen sind enorm und haben inzwischen häufig die Grenze des wirtschaftlich Machbaren erreicht, zuweilen auch die des technisch Möglichen. Auch beim Recycling sucht der Professionalitätsgrad der Branche seines Gleichen. Für die zukünftige politische Regulierung gilt es, die technischen Besonderheiten von Handelsimmobilien zu berücksichtigen – was etwa die Notwendigkeit von Kühlung statt Heizung betrifft – und die Unternehmen in ihrer bestehenden Vorreiterrolle zu unterstützen.

Die Zukunft

Große und kleine Handelsimmobilien verstehen sich mehr denn je als Motor der Stadtentwicklung, in dem sie den Menschen Räume erhalten, um Gesellschaft zu leben. Der stationäre Handel, ob in Shopping Centern, Fachmarktzentren oder Innenstädten, bietet moderne, vielseitige Marktplätze der Stadt mit guten Voraussetzungen, Online und Offline erfolgreich zu verbinden.

Der Originalbeitrag stammt aus dem ZIA Geschäftsbericht 2017 und erschien zuerst online bei AUF EIN WORT, dem Portal des ZIA Zentraler Immobilien Ausschuss e.V.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von ZIA Zentraler Immobilien Ausschuss e.V.
Erstveröffentlichung: ZIA Geschäftsbericht 2017

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