20.09.2017

Vergesst die Büros nicht!

Was kann die Politik tun?

Prof. Dr. Michael Becken, Geschäftsführer, BECKEN Invest GmbH
Prof. Dr. Michael Becken

Ob Baukindergeld, Wohnungsbauförderung oder eine verschärfte Mietpreisbremse – an Ideen für den Wohnungsmarkt mangelt es den Parteien im Bundestagswahlkampf nicht. Doch mit keinem Wort wird die Knappheit an Gewerbeimmobilien erwähnt. Auch sonst spielt das Thema im politischen Diskurs keine Rolle. Professor Dr. Michael Becken, Geschäftsführer der Becken Holding, warnt vor negativen Auswirkungen auf den Wirtschaftsstandort Deutschland. Was die Politik tun kann.

Liegt die Verfügbarkeit von Gewerbeflächen denn ausschließlich im Interesse der Wirtschaft? Mitnichten. Denn wenn kleine und große Unternehmen, Start-ups oder Gastronomen nur noch schwer Immobilien in deutschen Großstädten finden, kann sich dies zu einer veritablen Wachstumsbremse entwickeln, die am Ende auch Arbeitsplätze bedroht.

Verwunderlich ist der einseitige Fokus auf den Wohnungsbau nicht, da es die breite Bevölkerung direkt anspricht, hingegen Gewerbeflächen unmittelbar nur Unternehmen zu betreffen scheinen. Doch ein jeder von uns wohnt nicht nur sondern arbeitet auch große Teile seiner Zeit.

Leerstehende Büros galten nach der geplatzten New-Economy-Blase im Jahr 2000 lange Zeit als Problem. Doch inzwischen ist es genau umgekehrt: In den Großstädten ging das Flächenangebot in den vergangenen Jahren stark zurück, sodass mittlerweile erhebliche Knappheit besteht. In München, Stuttgart und Berlin ist die Leerstandsquote bei Büros inzwischen auf 3 Prozent geschrumpft. Das entspricht der üblichen Mieterfluktuation, für die Vermietung sind damit faktisch keine Reserven mehr vorhanden. Wie ernst die Lage ist, zeigt eine aktuelle Umfrage des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW): 53 Prozent der befragten Unternehmen beurteilen die Verfügbarkeit von Gewerbeflächen in den sieben größten deutschen Städten als schlecht, 35 Prozent als befriedigend und nur 11 Prozent als gut.

Was kann die Politik tun? Bundesländer und Kommunen müssen Gewerbeflächen in ausreichender Zahl sichern, neue erschließen und Genehmigungsverfahren beschleunigen. Die Anforderungen an den Bau müssen sich in einem angemessenen Rahmen bewegen, gerade in Zeiten stetig steigender Baukosten. Der Bund steht seinerseits in der Verantwortung, den gesetzlichen Rahmen so zu setzen, dass neue Anreize für den Bau von Wirtschaftsimmobilien entstehen.

Ein erster Schritt ist die Einführung der neuen Baurechtskategorie „Urbanes Gebiet“ in diesem Frühjahr. Wohnungen, Gastronomie, Einzelhandel und Büros dürfen in den Innenstädten künftig enger beieinander liegen. Ausreichend ist das aber nicht. Es ist höchste Zeit, dass die Politik den ganzen Immobilienmarkt in den Blick nimmt. Tut sie es nicht, wird die Knappheit an Wirtschaftsimmobilien zur Gefahr für den Wirtschaftsstandort Deutschland.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von BECKEN Holding GmbH
Erstveröffentlichung: Die Immobilie, September 2017

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